Paritätmodell
- Paritätische Betreuung des Kindes getrennt Eltern -
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Peter Thiel
Systemischer Berater, Systemischer Therapeut / Familientherapeut (DGSF)
30.05.2019
Schlüsselwörter
Alleinerziehermodell, Dominanzmodell, Doppelresidenzmodell, Doppelwohnsitz, ein Kind braucht ein Zuhause, Flexibilität, Gerechtigkeit, Hauptwohnung, Lebensmittelpunkt, Lebensschwerpunkt, Meldegesetz, Melderecht, Nebenwohnung, Nestmodell, Obhut, parallele Elternschaft, Paritätmodell, Pendelmodell, Residenzmodell, Tür-an-Tür-Modell, Wechselmodell
Fachtagung am 19. September 2014 im Jagdschlosse Glienicke
Lebensmodelle getrennt lebender Eltern und ihrer Kinder
Zwischen Alleinsorge und paritätischer Verantwortung
Wechselmodell / Paritätmodell / Doppelresidenz
mit Prof. Dr. jur. Hildegund Sünderhauf-Kravets
Hildegund Sünderhauf
Wechselmodell: Psychologie - Recht - Praxis
Abwechselnde Kinderbetreuung durch Eltern nach Trennung und Scheidung
1. Aufl., 28. August 2013, Vs Verlag Für Sozialwissenschaften
EUR 79,99
Sünderhauf (2013): Vorurteile gegen das Wechselmodell: Was stimmt, was nicht?
Argumente in der Rechtsprechung und Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung.
Der Familienrechtsberater (FamRB) Teil 1 Heft 9, S. 290-297 und Teil II.
Heft 10, S. 327-335 auf Seite
http://www.famrb.de/wechselmodell.htm
Kostenlose Leseprobe
Lesen Sie zu dem Thema den Beitrag aus Heft 9 und 10/2013 des Familien-Rechts-Beraters von Frau Prof. Dr. Hildegund Sünderhauf "Vorurteile gegen das Wechselmodell: Was stimmt, was nicht? - Argumente in der Rechtsprechung und Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung (PDF)"
http://www.famrb.de/media/Suenderhauf_FamRB.PDF
"Aber was soll denn nun dein zu Hause sein? Und wen willst du besuchen?"
Diplom-Psychologe Dr. Klaus Schneider, Gutachten vom 10.03.2003 für Amtsgericht Potsdam - 45 F 831/02 -, S. 20
Paritätische Betreuung
Betreuen die Eltern nach einer Trennung ihr Kind in zeitlich ähnlichem Umfang, so kann man - wie wir es hier durchgängig tun - von einer Betreuung im Paritätmodell sprechen. Gelegentlich wird bei einer paritätischen Betreuung des Kindes durch seine getrennt lebenden Eltern auch von einem sogenannten Wechselmodell gesprochen, dies ist jedoch irreführend, denn auch das sogenannte Residenzmodell ist ein Wechselmodell, denn auch hier betreuen die Eltern ihr Kind im Wechsel, nicht aber paritätisch.
Paritätische Betreuung heißt nun nicht penibel darauf zu achten, dass das Kind sich zu absolut gleichen Zeitanteilen bei beiden Eltern aufhält, sondern dass beide Eltern abwechslend sowohl im Alltag der Kinder auch als den "arbeitsfreien" Wochenenden das gemeinsame Kind betreuen.
Neben dem Begriff der paritätischen Betreung kann auch der Begriff der Doppelresidenz verwendet werden. Sprachlich ist dies auch ein Residenzmodell, nur dass das Kind hier über zwei gleichwertige Residenzen bei beiden Eltern verfügt
Der Grundsatz der Parität ist im europäischen Kulturkreis allgemeiner Konsens und findet sich dementsprechend in allgemeinen und dem einfachgesetzlichen Recht übergeordneten Bestimmungen, wie der UN-Kinderkonvention oder dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
UN-Kinderkonvention „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“
Artikel 9 (Trennung von den Eltern; persönlicher Umgang)
(3) Die Vertragsstaaten achten das Recht des Kindes, dass von einem oder beiden Elternteilen getrennt ist, regelmäßige persönliche Beziehungen und unmittelbare Kontakte zu beiden Elternteilen zu pflegen, soweit dies nicht dem Wohl des Kindes widerspricht.
Artikel 18 (Verantwortung für das Kindeswohl)
(1) Die Vertragsstaaten bemühen sich nach besten Kräften, die Anerkennung des Grundsatzes sicherzustellen, dass beide Elternteile gemeinsam für die Erziehung und Entwicklung des Kindes verantwortlich sind. Für die Erziehung und Entwicklung des Kindes sind in erster Linie die Eltern oder gegebenenfalls der Vormund verantwortlich. Dabei ist das Wohl des Kindes ihr Grundanliegen.
(2) ... (3)
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
Artikel 6 Satz 2 Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
In diesen übergeordneten Bestimmungen wird zwischen zusammenlebenden und nicht zusammenlebenden Eltern nicht unterschieden. Seltsamer Weise wird dies in der Rechtspraxis in Deutschland aber oft missachtet, hier tut man oft so, als ob mit der Trennung der Eltern, einer der beiden Elternteile aus seiner elterlichen Position entlassen wäre, bestenfalls auf sogenannte Umgangskontakte reduziert, während der andere Elternteil zum "alleinerziehenden" Elternteil gekürt wird, in dessen alleiniger Verantwortung man das Wohl des Kindes sehen will. Eine solche untragbare und reaktionäre Position hat in den verfahrenen Jahrzehnten Hunderttausende von "Alleinerziehenden" auf der einen und Hunderttausende ent-sorgte Eltern auf der anderen Seite produziert.
Und diejenigen, die über die Einhaltung der allgemeinen kulturellen Grundsätze wachen sollen, also die Richterschaft an den Amtsgerichten, - Oberlandesgerichten, dem Bundesgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht beteiligten sich oft in erster Reihe an der Verletzung dieser Grundsätze, man denke hier nur an das absurde Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur elterlichen Sorge vom 29. Januar 2003 - 1 BvL 20/99 und 1 BvR 933/01. So kommen wir in die paradoxe Situation eines rechtlichen Raumes, in dem die Wächter des Rechtes über die Einhaltung des Rechtes nicht wachen, sondern es selbst missachten und veruntreuen. Das ist fürwahr ein hartes Urteil und erfüllt schon fast den Straftatbestand der Majestätsbeleidigung und der Gotteslästerung, widerspricht es doch vehement unserer naiven Vorstellung, in der Bundesrepublik Deutschland, die wir für einen Rechtsstaat halten, würde von Amts wegen alles mit rechten Dingen zugehen.
Im Programm von "Bündnis 90/Die Grünen" zur Bundestagswahl findet man im Kapitel "Frauenpolitik" die Forderung:
Wir wollen erreichen, daß Frauen und Männer gemeinsam die Erziehung ihrer Kinder gestalten. (S. 90)
Wie dieses hehre Ziel nach einer Trennung der Eltern erreicht werden soll, darüber schweigen sich die Autorinnen dieser Forderung allerdings aus, möglicherweise lag das daran, dass man es versäumte, neben die Frauenpolitik auch die Männerpolitik zu stellen, was bei der Verschlafenheit der Männer in dieser Partei allerdings nicht zu wundern braucht.
Während der Begriff der Parität auf die Gleichwertigkeit der Betreuung des Kindes durch Mutter und Vater orientiert, so wie es auch Intention des Grundgesetzes ist, ist der häufig gebrauchte Begriff des Wechselmodell irreführend, denn er lenkt die Aufmerksamkeit auf den Wechsel des Kindes zwischen den beiden Elternhäusern, nicht aber auf die paritätische Betreuung, so wie sie in Artikel 6 Grundgesetz als grundlegende Norm verankert ist.
Die Anzahl der Wechsel bei paritätischer Betreuung im Woche - Woche Rhythmus ist jedoch genau die selbe wie bei einer Betreuung des Kindes im vierzehntägigen Alleinerziehermodell (sogenanntes Residenzmodell), von daher müsste man auch das Residenzmodell als Wechselmodell bezeichnen, was allerdings zu großer Verwirrung der üblichen ohnehin schon verwirrten Denkmuster führen würde.
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von:
Gesendet: Freitag, 2. Januar 2009 19:41
An: ...
Betreff: Re: ...
Sehr geehrter Herr Thiel,
danke für Ihre Nachfrage.
...
wenn Sie mit "der Sache" das Leben mit den Kindern meinen, dann ist alles in Ordnung. Seit acht Jahren wohnen sie in zwei Wohnungen, weshalb ich den Begriff Doppelresidenz besser finde, als Wechselmodell. Ein Modell ist es ohnehin nicht. Seit fast vier Jahren wechseln sie wöchentlich. ... Die "Sache" mit den Gutachtenkosten ist am OLG beendet. Das Erinnerungsverfahren samt Richterablehnungen und Berichtigungsanträgen, Gehörsrügen und Gegenvorstellungen brachte mir die ansehnliche Sammlung von 25 Beschlüssen. Die Justiz hat konkludent erklärt - ausdrücklich habe das nur ich geschrieben und die Richter haben nie widersprochen - dass die Familienrichterin weniger intelligent war als ein Vierjähriger, weil sie sich das, was dieser verstanden hatte, von einer Psychologin hat erklären lassen.
Mich hat fasziniert, wie die Justiz funktioniert: Die Richter haben ignoriert, falsch dargestellt, einfach nur geschlampt - und teilweise kabarettreife Leistungen gezeigt. Intellektuell lag einiges unter dem Abiturniveau. ... Insgesamt habe ich aber nicht den Eindruck, dass man beim BVerfG erkennt, dass das deutsche Kindschaftsrecht bisweilen zu absurden Ergebnissen führen muss. Die Richter, so scheint mir, halten falsche Entscheidungen immer nur für Fehler durch falsche Rechtsanwendung. Dass das ganze System (§§ 1626a, 1671 BGB) unsinnig und ungerecht, dass das Verfahren ungeeignet und umständlich, und dass Gutachtergläubigkeit ein intellektuelles Armutszeugnis ist, sehen sie nicht. Wie absurd das Familienrecht bisweilen ist, sieht man, wenn man, den Begriff des natürlichen Rechts vor Augen, eine familiengerichtliche Entscheidung liest.
Aber nachdem ich in Hawkings Geschichte der Zeit gelesen habe, dass die Unordnung zunimmt, auch wenn der Mensch versucht, Ordnung zu schaffen, irritiert mich das Wirken der Justiz viel weniger. Sie bestätigt diese Aussage. Rechtsentropie ist aber wahrscheinlich für jeden Juristen schon begrifflich eine Horrorvorstellung, wenngleich kritische Stimmen immerhin von "Hypertrophie" oder "Glasperlenspielen" sprechen. Ich habe darüber einmal eine Weiterbildung für Familienrichter gemacht. Das war ganz interessant.
...
Ihnen alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen
...
Vom Alleinvertretungsanspruch zur paritätischen Verantwortung
Zu Gast bei Sünderhauf,
Noichl und Co
Veröffentlicht am 19.
November 2015 von isabellgaudi
SPD Europa-Abgeordnete Maria
Noichl lud am 18.11.2015 zur „Informationsveranstaltung Wechselmodell“ im
Truderinger Kulturzentrum München.
MdEP Noichl bezeichnete sich einführend als Mutter, die das Wechselmodell erfolgreich praktizierte, und rief sodann Wechselmodell-Fanatikerin Sünderhauf ans Mikrofon, um ihre Werbe-Diashow für das besagte Wechselmodell abzuspulen.
...
Alles in allem sind die
Vertreter der Mütterinitative stolz, soviel Unsinn in 60 Minuten ertragen zu
haben.
https://muetterimfamiliengericht.wordpress.com/2015/11/19/zu-gast-bei-sunderhauf-noichl-und-co/
Etwas drastisch im Ausdruck, ein/e anonym bleibende/r angebliche/r Vertreter/in einer anonym auftretenden angeblichen "Mütterinitiative", die die exponierte Vertreterin des Paritätmodells, Hildegund Sünderhauf als "Wechselmodell-Fanatikerin" bezeichnet. Der angebliche Vertreter der Mütterinitiative hätte Frau Sünderhauf auch als Spinnerin bezeichnen können, denn diese Bezeichnung, so meinte das Bundesverfassungsgericht, das sich dieser vom Bundespräsidenten Gauck verwendete Ausdruck gegenüber Mitgliedern der NPD, noch an der Grenze zur Schmähkritik befände.
Wenn nun aber ein NPD-Funktionär umgekehrt Herrn Gauck als Spinner bezeichnet hätte, wäre das Urteil wohl anders ausgefallen, denn Recht ist nicht gleich Recht, sondern wird dem politischen Bedarf angepasst, sei es nun im Nationalsozialismus, in der DDR-Zeit oder der Bundesrepublik Deutschland, die sicher nicht nur tausend Jahre bestehen wird, sondern bis ans Ende der Welt, es sei denn die Menschen entschließen sich für ein anderes, möglichst besseres Gesellschaftsmodell.
Wie man an dem Beispiel "isabellgaudi" sieht, die Frage paritätische Betreuung versus Alleinerzieherinnenmodell wühlt Emotionen auf und immer wo es um große Emotionen geht, stecken auch große Themen dahinter. Welche das bei dem oder der anonymen "isbaellgaudi" sind, wissen wir nicht. Vermutlich hat sie sich in den falschen Macker verliebt, derartige Blindheit ist ja nicht selten und gehört verdientermaßen bestraft. Dies ist offenbar bereits geschehen, sonst würde "isabellgaudi" ihre Betroffenheit nicht so weit heraushängen lassen und wie ein Dackel um den Block rennen, sondern zur Psychoanalyse gehen, um irgendwann aus dem Sumpf heraus zu kommen und nicht verhärmt weitere Lebenszeit zu verschwenden oder vor lauter Gram an Krebs zu versterben.
Dass das Paritätmodell / Wechselmodell trotz erheblichen reaktionären Gegenwinds inzwischen als sinnvolles Betreuungsmodell in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, verdanken wir zum einen dem Druck aus der Gesellschaft und zum anderen einigen exponierten Fachkräften, von denen hier Hildegund Sünderhauf genannt werden soll, die maßgeblich zu gesellschaftlichen Akzeptanz und Etablierung dieses Betreuungsmodells beigetragen hat.
Hildegund Sünderhauf: Wechselmodell: Psychologie - Recht -Praxis. Abwechselnde Kinderbetreuung durch Eltern nach Trennung und Scheidung; 2013, XXIV, 893, Springer VS
Hildegund Sünderhauf: Wechselmodell für alle? In: Zeitschrift für Konfliktmanagement - ZKM, 2017, Heft 4, 129-134
Hildegund Sünderhauf
(2013): Vorurteile gegen das Wechselmodell, Was stimmt – was nicht? Argumente
in der Rechtsprechung und Erkenntnisse
aus der psychologischen Forschung, Der Familien Rechts Berater Vol. 9, 290–297
und Vol. 10, 327–335.
Sünderhauf, H. &
Widrig, M. (2014): Gemeinsame elterliche Sorge und alternierende Obhut - Eine
entwicklungspsychologische und grundrechtliche Würdigung. Aktuelle Juristische
Praxis/Pratique Juridique Actuelle, Vol. 7, 885 - 904.
Hildegund Sünderhauf &
Georg Rixe (2014): Alles wird gut! Wird alles gut? Familien Rechts Berater
(FamRB) Vol. 11, 418-425 (part 1.),
Vol. 12, 469-474 (part 2.).
Hildegund Sünderhauf (2014): Entwicklung der elterlichen Verantwortung im europäischen Kontext unter besonderer Berücksichtigung von Trennung / Scheidung und Genderaspekten. Zeitschrift des deutschen Juristinnenbundes (djbZ) , Vol. 4., 164 - 175.
Um so mehr wundert es, wenn sechs Jahre nach Erscheinen des 2013 bei Springer herausgegebenen Grundlagenwerkes von Sünderhauf diverse bei Familiengerichten tätige Fachkräfte davon anscheinend keine Kenntnis genommen haben oder es absichtsvoll ignorieren. Welche Folgen das haben kann, zeigt das abrupte Ende der DDR, wo maßgebliche Entscheidungsträger wie z.B. Erich Honecker und Kurt Hager meinten, sie müssten die neuen Realitäten und Anschauungen nicht zur Kenntnis nehmen.
Beispiel
In einem Fall am Amtsgericht Eberswalde streiten Vater und Mutter um die Betreuungszeiten. Die Mutter möchte eine paritätische Betreuung des gemeinsamen Kindes, der Vater ist dagegen und tendiert in Richtung Residenzmodell. In der Folge entzieht das Familiengericht der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht - inwieweit das mit Artikel 6 Grundgesetz in Einklang zu bringen ist, ist fraglich, denn allem Anschein nach, gab es keine stichhaltigen Gründe, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen, es hätte vermutlich gereicht, dass das Gericht die Betreuungszeiten klar geregelt hätte, womit dann auch ein Streitpunkt der Eltern entfallen wäre, denn es gibt nichts zu streiten, wo es klare gerichtliche Regelungen gibt.
Da der nunmehr alleinbestimmungsberechtigte Vater in der Folge die Zeiten von Kind und Mutter reduziert, sieht sich die Mutter gezwungen, ihren Wunsch nach einer paritätischen Betreuung beim Familiengericht vorzutragen. Das Gericht führt Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Es soll betreffend des Kindes ... über folgende Frage Beweis erhoben werden:
Welche Umgangsregelung entspricht dem Kindeswohl am besten? ... Dabei soll der Sachverständige besonders dazu Stellung nehmen, ob vorliegend ein paritätisches Wechselmodell dem Kindeswohl dient.
...
Richterin Stümper - Amtsgericht Eberswalde - 3 F 316/17 - Beschluss vom 23.01.2018. Als Gutachterin beauftragt: M. Sc. Psych. Antonia Ostgathe
Frau Ostgathe, die unter der Adresse "Institut Gericht & Familie Service GbR" in der Stephanstraße 25, 10559 Berlin, firmiert, einer Adresse bei der es sich natürlich nicht um ein "Institut" handelt, wie der Name suggeriert, sondern um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit den vertretungsberechtigten Gesellschaftern: Dipl.-Psych. Dr. Rainer Balloff und Dipl.-Psych. Dr. Eginhard Walter. Diese GbR hat dort ein paar Räume, in einem der Räume sitzt mutmaßlicherweise eine Sekretärin, die die Post vom Gericht aus dem Briefkasten nimmt und diese hoffentlich nicht - unbefugter Weise - öffnet.
Mit Datum vom 11.01.2019, also knapp zwölf Monate nach Auftragserteilung, liefert Frau Ostghathe dem Gericht ein 67seitiges Gutachten ab. Super schnell ist das nicht, aber unbemannte Reisen zum Mars dauern zur Zeit auch ein knappes Jahr und da ist noch nicht einmal der Rückflug bei, da braucht man also nicht ungeduldig sein.
Wenn Frau Ostgathe nun schon 12 Monate braucht, dann könnte man wenigstens hoffen, dass Sie die Zeit gut genutzt hat, um sich mit der wichtigsten Fachliteratur vertraut zu machen. Aber weit gefehlt. Das Werk oder andere Beiträge von Frau Sünderhauf fehlt in ihrem Literaturverzeichnis, dafür aber Literaturnachweise von Dettenborn und Walter (letzterer Gesellschafter der "Institut Gericht & Familie Service GbR", die von Richterin Stümper am 03.01.2018 die Anfrage erhielt
Das Institut Gericht & Familie Berlin / Brandenburg (IGF) soll gebeten werden, einen geeigneten Sachverständigen zu benennen.
Institut Gericht & Familie Berlin / Brandenburg (IGF), das sind Rainer Balloff und Eginhard Walter, wobei Herr Balloff sich in einem Alter befindet, wo weise Politiker in Rente gehen. Die beiden Herren (oder auch nur einer oder eine sonstige uns nicht bekannte Person) sahen Frau Ostgathe offenbar als "geeignet an, so dass diese in der Folge von Richterin Stümper zur Gutachterin ernannt wurde.
Frau Ostgathe kommt in ihrem Gutachten vom 11.01.2019 zu dem Schluss:
Eine Betreuung des Kindes, bei zeitgleichen Kontakten mit beiden Eltern, kann angesichts der mangelnden Kooperationsfähigkeit und der vorliegenden Hochkonflikthaftigkeit der Eltern gegenwärtig nicht empfohlen werden.
Im Literaturverzeichnis von Frau Ostgathe: Balloff, Walter, Dettenborn, Salzgeber und noch ein paar Leute, Sünderhauf fehlt.
Nun, wer offenbar nur Balloff, Dettenborn und Walter zum Thema Wechselmodell liest und Sünderhauf unbeachtet liegen lässt, der kann wohl keine andere Perspektive als die von Frau Ostgathe präsentierte entwickeln und fleißig die Gebetsmühle drehen: jeht nicht, jibts nicht, ham wa nich.
Elterliches Bestimmungsrecht
Welches Betreuungsmodell die beiden Elternteile vor und nach einer Trennung praktizieren, ist entsprechend dem Vorrang des Bestimmungsrecht der Eltern vor staatlichen Regelung und Eingriffen (Artikel 6 Grundgesetz) Sache der Eltern.
Bei einer bekannt gewordenen Kindeswohlgefährdung, so z.B. emotionale Vernachlässigung des Kindes durch einen gleichgültigen und das Kind emotional vernachlässigenden außerhalb lebenden Elternteil (vgl. Beschluss des OLG Brandenburg vom 21.1.2004 - 15 UF 233/00, FamRZ 2005, Heft 4, S. 293-295 Androhung von Zwangsgeld möglich, wenn Elternteil seiner Umgangspflicht nicht nachkommt) oder Umgangsvereitelung und Elternentfremdung durch den betreuenden Elternteil muss der Staat in Gestalt des Jugendamtes oder des Familiengerichtes seinem Wächteramt nachkommen und in geeigneter Weise intervenieren, falls es den Eltern oder einem Elternteil nicht gelingt die Kindeswohlgefährdung zu beheben. Dies passiert in der Praxis allerdings kaum, da sich die zuständigen Mitarbeiter/innen in den Jugendämtern und Familiengerichten für diese Formen von Kindeswohlgefährdungen in der Regel nicht ernsthaft interessieren.
Nun ist es generell so, dass Eltern frei vereinbaren können, ihre Kinder im Paritätmodell zu betreuen. Eine Kindeswohlgefährdung liegt hier ebenso wenig vor, als wenn zusammenlebende Eltern beschließen würden, mit ihren Kindern in eine andere Stadt oder auch nach Japan zu ziehen. Der Staat hat hier, außer im Fall einer konkret vorliegenden oder zu befürchtenden Kindeswohlgefährdung, keine Eingriffsmöglichkeit.
So stimmte beispielsweise das Amtsgericht Grevesmühlen - 7 F 164/07 - am 28.01.2008 einer Einigung der Eltern zu, nach der ein halbjährlich erfolgender Wechsel des zu diesem Zeitpunkt viereinhalbjährigen Kindes zwischen Deutschland und Neuseeland erfolgen soll.
Die Grenzen vom Residenzmodell zum Alleinerziehendenmodell kann man als fließend ansehen. Nimmt ein Vater nur einmal im Monat für wenige Stunden Kontakt zu seinem Kind auf, so kann man sicher nicht mehr vom Residenzmodell sprechen, sondern es liegt ein Alleinerziehermodell vor, das die Möglichkeit des Vaters betreuend und erzieherisch für sein Kind da zu sein, in dieser kurzen Zeit zumeist nicht gegeben sein wird. Anders dagegen bei einem Vater der das Kind aller 14 Tage für ein Wochenende zu sich nimmt. Hier ist die Mutter natürlich keine Alleinerziehende, auch wenn sie das selber vielleicht anders sieht, sondern die Eltern praktizieren das Residenzmodell, in der auch der Vater, wenn auch in geringerem Umfang als die Mutter, Betreuungs- und Erziehungsaufgaben für sein Kind übernimmt.
Beendigung des Paritätmodells
Haben beide Eltern das Paritätmodell einige Zeit praktiziert, so kann man von einem übereinstimmenden Willen beider Eltern zu dieser Form der Betreuung ausgehen. Will einer der beiden Eltern nun eine andere Betreuungs- oder gar Umgangsregelung so kann er dies bei bestehenden gemeinsamen Sorgerecht nur mit Einverständnis des anderen paritätisch betreuenden Elternteils tun, denn die Beendigung einer länger praktizierten Betreuungsregelung ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, die dem gemeinsamen Sorgerecht unterliegt.
§ 1627 BGB (Ausübung der elterlichen Sorge)
Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.
§ 1628 BGB (Meinungsverschiedenheiten)
Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.
Will einer der beiden Eltern das Paritätmodell aufkündigen und bekommt dafür keine Zustimmung des anderen Elternteils, so ist eine gewünschte Änderung nur nach vorherigen familiengerichtlichen Beschluss umsetzbar. Der veränderungswillige Elternteil muss daher einen entsprechenden Antrag beim Familiengericht einreichen.
Das Familiengericht hat entsprechend des Grundsatzes des Vorranges der unmittelbaren elterlichen Verantwortung vor einer möglichen gerichtlichen Regelung als erstes zu prüfen, ob die Eltern einen geeigneten außergerichtlichen Versuch einer Einigung gemacht haben. Dies wäre z.B. die Inanspruchnahme eines Beratungstermins bei einer Familienberatungsstellen, einem Familienberater oder einem Mediator. Ist ein solcher Einigungsversuch nachweislich gescheitert (Bescheinigung der Beratungsstelle, des Beraters oder des Mediators sollte vorliegen), so ist das gerichtliche Regelungsbedürfnis legitimiert.
§ 1626 BGB (Elterliche Sorge, Grundsätze)
(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfaßt die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem verantwortungsbewußtem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.
§ 1627 BGB (Ausübung der elterlichen Sorge)
Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.
§ 1628 BGB (Meinungsverschiedenheiten)
Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.
Ist ein solcher vorheriger außergerichtlicher Einigungsversuch ordnungsgemäß geschehen, kann das angerufene Gericht beginnen den Sachverhalt aufzuklären und gegebenenfalls eine Regelung treffen, die dem Wohl des Kindes am besten dient.
Für eine gerichtlich angeordnete Beendigung des Paritätmodells reicht es allerdings nicht aus, wenn manche Familienrichter, ohne dafür eine auf den konkreten Einzelfall überzeugende Begründung zu geben, pauschal behaupten, dass das Paritätmodell schlechter als das Residenzmodell sei und daher dem Antrag des einen Elternteils auf Beendigung dieses Modells gefolgt werden sollte. Dieses Vorgehen nennt man auch Richterrecht, der Richter entscheidet was Recht sei und Recht ist eben das was der Richter für Recht ansieht.
Der Kommunikationsforscher Paul Watzlawick erzählt eine amüsante Geschichte:
"In einem Reitclub von São Paulo passiert es, dass von einer dort befindlichen Terrasse, die nur über ein niedriges Geländer verfügt, immer wieder Personen hinunterfallen und sich dabei schwer verletzen. Ein Anthropologe soll der Sache nachgegangen sein und kam zu einem Resultat, dass es in verschiedenen Kulturen verschiedene Regeln gibt, wie der Abstand zu sein hätte, wenn zwei Menschen miteinander ins Gespräch kommen. Der "richtige" Abstand bei einem Gespräch in Nordamerika ist die Armlänge. In Südamerika (und Mitteleuropa) ist der "richtige" Abstand geringer als eine Armlänge. Ein Nordamerikaner und ein Brasilianer kommen auf der Terrasse ins Gespräch. Der Nordamerikaner stellt den "richtigen" Abstand her, eine Armlänge, der Südamerikaner stellt darauf hin den "richtigen" Abstand her, er rückt auf. Der Nordamerikaner rückt zurück und stellt damit wieder den "richtigen" Abstand her, der Südamerikaner rückt auf und stellt damit wieder den "richtigen" Abstand her. Der Nordamerikaner rückt zurück und stellt damit wieder den "richtigen" Abstand her, der Südamerikaner rückt auf und stellt damit wieder den "richtigen" Abstand her. ... , der Nordamerikaner rückt zurück, um den "richtigen" Abstand herzustellen und fällt schließlich rücklings über das zu niedrige Geländer.
Tiefenpsychologisch betrachtet würde die Diagnose gestellt, der Nordamerikaner folge seinem Todestrieb. Wir sehen jedoch, dass es das Beharren und Insistieren auf den "richtigen" Abstand in der Interaktion der beiden Gesprächspartner ist, dass schließlich dazu führt, dass der Nordamerikaner die Terrasse herunter fällt."
wiedergegeben nach Paul Watzlawick: "Vom vermeintlichen Sinn des Unsinns", Baseler Psychotherapietage 1998, Video, www.auditorium-netzwerk.de
Was bedeutet diese Geschichte nun für das Thema Paritätmodell (Wechselmodell). Auch hier finden wir - wie auf der Terrasse des Reitklubs von São Paulo - eine Debatte darüber vor, was denn "richtig" sei. Zuerst findet dieser Disput nur zwischen Mutter und Vater statt, später werden Fachkräfte hinzugezogen, Rechtsanwälte, Jugendamtsmitarbeiter/innen, Gutachter/innen und Familienrichter/innen. In der Regel trägt die Mutter, der gesellschaftlich das Betreuungsprimat für das Kind zugeordnet wird, vor, dass das Kind unter dem bisher praktizierten Paritätmodell (Wechselmodell) leidet, es bräuchte daher "ein festes zu Hause", was natürlich bei der Mutter wäre. Der Vater trägt vor, dass das Kind darunter leiden würdet, wenn es bei einem Abbruch des Paritätmodells (Wechselmodells) den Vater nur noch alle 14 Tage sehen würde. Der zuständige Familienrichter meint, es gelte nun, richtig und falsch herauszubekommen und da er sich selbst dafür als nicht kompetent ansieht, beauftragt er einen Gutachter. Dieser, das scheint fast sicher, "entscheidet", dass das Paritätmodell (Wechselmodell) falsch sei, denn wer als Gutachter etwas auf sich hält, hält sich an Mythen und Glaubenssätzen fest oder wenn er sich selbst als Autorität nicht genügend vertraut, auch an eine andere als übergeordnet erlebte gläubige Instanz.
Wer als getrennt lebender Elternteil beabsichtigt, die Zeiten, in denen er mit seinen Kindern zusammen ist, auszuweiten oder sogar den Lebensschwerpunkt der Kinder aus dem mütterlichen Haushalt in den väterlichen Haushalt zu verlegen, der sollte sich vorher den Gutachter oder die Gutachterin (schon wieder so eine sprachliche Dichotomie) genau angucken, der oder die auf Beschluss des Gerichtes bestellt wird. Allzu leicht kann es nämlich passieren, dass solch ein Gutachter (wir verwenden jetzt hier vereinfachend die maskuline Form) einen solchen Wechsel gar nicht gut findet und auch dem Paritätmodell ( Wechselmodell) mehr oder weniger ablehnend gegenüber steht und zu guter Letzt dem Gericht sogar empfiehlt, die - nach seiner Ansicht - ohnehin zu umfangreichen Zeiten, die der antragstellende Elternteil mit seinen Kindern verbringt, bei dieser Gelegenheit in Namen des Kindeswohls gleich noch zu reduzieren. So geschehen einem Vater mit der Gutachterin Brigitta Eick von der sogenannten GWG Münster:
"Die derzeitige Umgangsregelung von drei Besuchswochenenden pro Monat im Haushalt des Vaters entspricht einer Art `Pendelmodell` das eher die Bedürfnisse der Eltern als die der Kinder befriedigt. A und B benötigen Kontinuität und Stabilität im Kontakt zu beiden Eltern. Aus gutachterlicher Sicht wird eine 14-tägige Umgangsregelung von Freitagnachmittags bis sonntags 18 Uhr im Haushalt des Vaters empfohlen." (S. 51)
Diplom-Psychologin Brigitta Eick, Gutachten vom 24.05.2006 für Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer, S. 51
Zusätzlich - und wohl als Trostbonbon für den Vater gemeint - empfiehlt die Gutachterin, "dass der Vater an einem Mittwoch oder Donnerstagnachmittag vor dem Mutter-Wochenende die Kinder zu Freizeitaktivitäten begleiten kann".
Die Gutachterin argumentiert allerdings merkwürdig unlogisch - und gibt damit dem unbegründeten Vorurteil, Frauen könnten nicht logisch denken, Nahrung - denn Kontinuität und Stabilität haben an sich nichts damit zu tun, ob das Paritätmodell (Wechselmodell) oder das Residenzmodell praktiziert wird, denn sobald eines der beiden Modelle verbindlich wird, wird durch diese verbindliche Struktur auch eine Kontinuität und Stabilität geschaffen, auf die sich die Kinder einstellen können.
Diplom-Psychologin Brigitta Eick sieht eine Betreuungsregelung, bei der die Kinder im Monat 6 Tage und 9 Stunden vom Vater und 21 Tage und 15 Stunden von der Mutter betreut werden, als eine "`Art Pendelmodell`" an. Schon solch eine "Art `Pendelmodell`" scheint Frau Eick schwer zu schaffen zu machen, so dass sie deren Abschaffung empfiehlt. Man mag gar nicht fragen, was die Gutachterin denn von Eltern hält, die tatsächlich das Paritätmodell (Wechselmodell) praktizieren.
Der als Gutachter tätig gewesene Dr. Klaus Schneider - offenbar ganz vom Typ "Wissenschaftler" - führt zur Begründung der Ablehnung des Paritätmodell (Wechselmodells) gar ein Buch seiner Vereinskollegen vom sogenannten Berliner "Institut für Gericht und Familie" heran:
"Im neuesten Lehrbuch der Familienrechtspsychologie findet sich z.B. der Begriff „Wechselmodell" erst gar nicht....
Der Sachverständige weiß allerdings aus Erfahrung und aus der (deutschen) Literatur, dass das Wechselmodell eine sehr selten praktizierte Umgangslösung ist. ..."
"Nach Ansicht des Sachverständigen trägt das Wechselmodell nicht zur Lösung des Loyalitätskonflikts bei, sondern unterstützt ihn. Dem gegenüber könnte im Rahmen des Residenzmodells das Kind einen Lebensmittelpunkt bilden, ein „eigenes Ich" ausprägen und mit einem Elternteil mehr `eins werden`."
Diplom-Psychologe Dr. Klaus Schneider, Gutachten vom 07.05.2003 für Amtsgericht Potsdam
So schnell lassen sich anscheinend Probleme lösen. Man sollte vielleicht überhaupt sämtliche zusammenlebende Eltern trennen und das Kind nur einem Elternteil zuordnen, so wie das vor der Kindschaftsrechtsreform von 1998 ja gesellschaftlicher Usus war - dann wüsste wenigstens jedes Kind zu welchem Elternteil es denn nun gehört und wäre nicht mehr einer Triangulation ausgesetzt, bei der ihm wahlweise gestattet wird, sich mal für den Vater oder mal für die Mutter entscheiden zu dürfen. Ob Klaus Schneider das "eins werden" auch für Mütter und ihre Söhne gelten lassen will, man sollte es nicht hoffen, denn neurotische und psychotische Muttersöhne gibt es in Deutschland schon im Übermaß.
Nun kann man sich allerdings zu Recht fragen, warum im "neusten Lehrbuch der Familienrechtspsychologie", wahrscheinlich ist damit das Buch von Dettenborn, Harry; Walter, Eginhard: "Familienrechtspsychologie"; München, Basel, Reinhardt, 2002 gemeint, der Begriff des Wechselmodells (Paritätmodell) im Register gar erst nicht auftaucht? Man kann nun zu Gunsten der beiden Autoren, der eine ist gar Professor am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie, Abteilung Lern- und Verhaltensstörungen der Philosophischen Fakultät IV an der Humboldt-Universität zu Berlin, meinen, dass läge daran, dass das Wechselmodell (Paritätmodell) etwas sehr unbekanntes ist, so dass es noch nicht einmal einem Professor für Pädagogische Psychologie zu Ohren gekommen ist. Man könnte aber auch fragen, was das für ein Professor ist, der ein Buch über "Familienrechtspsychologie" schreibt, aber den wichtigen Begriff des Wechselmodells (Paritätmodell) entweder noch nie gehört hat oder aber keiner Erwähnung für wert hält? Beides wäre gleich schlimm.
Es kann sein, dass die Sichtweise mancher Professoren so strukturiert ist, dass ihre Vorstellungskraft einfach nicht ausreicht, gedanklich Modelle zu erfassen oder zu kreieren, die außerhalb der eigenen begrenzten Weltsicht und des kleinbürgerlich gehaltenen Gartenzaunes liegen. Sicher hätte man sie in diesem Fall besser nicht als Professor berufen sollen, denn einem Professor unterstellt man in der Regel kreatives Denken. Aber auch Berufungsgremien irren eben mitunter.
Es ist leider nicht jeder auch nur ein klein wenig ein Genie wie Albert Einstein, der die schätzenswerte Gabe besaß, nicht nur über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen zu können, sondern dort auch noch etwas zu sehen, was vor ihm noch kein anderer gesehen hat.
Vergleiche hierzu auch:
Künzel, Christine: "Zwischen Fakten und Fiktionen: Überlegungen zur Rolle des Vorstellungsvermögens in der richterlichen Urteilsbildung", In: "Zeitschrift für Rechtssoziologie", Heft 1/2004, S. 63-77
Statt nun wie Dr. Schneider es offenbar getan hat, in das offenbar begrenzte Buch seiner Vereinskollegen zu schauen und dort nichts zum Wechselmodell (Paritätmodell) zu finden, hätte Herr Schneider einfach einmal nach Frankreich fahren können oder sicher noch einfacher für ihn in das französische Kulturzentrum in Berlin. In Frankreich ist das Paritätmodell (Wechselmodell) ein rechtlich etabliertes Betreuungsmodell. Der Code Civil beschäftigt sich im Abschnitt autorité parentale in Artikel 373-2-9 mit dem Paritätmodell (Wechselmodell).
"(...) der Wohnsitz des Kindes kann wechselweise am Wohnsitz jedes Elternteils oder am Wohnsitz eines Elternteils festgelegt werden. Auf Antrag eines Elternteils oder bei Meinungsverschiedenheiten untereinander über den Wohnsitz des Kindes kann der Richter vorläufig und für einen von ihm festgelegten Zeitraum, einen wechselnden Wohnsitz bestimmen. Nach Ablauf dieses Zeitraums bestimmt der Richter entgültig, ob das Kind den Wohnsitz wechselweise mit einem seiner beiden Elternteile teilt oder ob es ihn nur mit einem der beiden Elternteile teilt. "
zitiert nach:
"Flemming, Winfried: "Das `Wechselmodell` nach Trennung und Scheidung. Anmerkungen zum Beschluß des Oberlandesgerichts Dresden vom 3. Juni 2004 - 21 UF 144/04 - "; In: "Kind-Prax", 3/2005, S. 96-97
Im übrigen ein lesenswerter, wenn auch kurzer Aufsatz der sich frei von ideologischen Scheuklappen mit dem Paritätmodell (Wechselmodell) beschäftigt.
Um Missverständnisse zu vermeiden, es mag sicher oft praktische Gründe geben, dass ein Gutachter eine Empfehlung gibt oder ein Familienrichter eine Entscheidung trifft. Man sollte dann aber nicht so tun, als ob dies eine Frage des "richtigen" Wissens wäre, sondern so wie dies die Kirche in ehrenwerter Weise tut, eine Frage des Glaubens. Vermutlich hat die Kirche trotz aller atheistischen Bewegungen noch immer relativ viel Zulauf, weil sie sich im wesentlichen Glaubens- und Sinnfragen zuwendet, anstatt sich mit solchen eher gutachterlichen und damit wissenschaftsgläubigen Fragen auseinander zusetzen, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz finden oder ob Gott einen Stein schaffen kann, der so schwer ist, dass er ihn selbst nicht zu tragen vermag.
Das Für und Wider beim Paritätmodell
Seitdem sich Eltern (Mütter und Väter) trennen, stellt sich die Frage, in welcher Form sie zukünftig das gemeinsame Kind betreuen werden. Traditionell war das mehr oder weniger klar - die Mutter übernimmt die Betreuung und der Vater erhält ein mehr oder weniger eingeschränktes "Besuchsrecht", in den fünfziger und sechziger Jahren hieß dieses noch "Verkehrsrecht" und man beschnitt dies bei Streit der Eltern gerichtlicherseits auf einige Stunden im Monat. Wenig später propagierte die aufkommende Frauenbewegung den Hilfsgefühle auslösenden Begriff der "alleinerziehenden Mutter", geflissentlich übersehend, dass die "alleinerziehende Mutter auch ein Produkt der gesellschaftlichen und individuellen Ausgrenzung der Väter ist.
Von solcherart gesellschaftlichen Ideologien relativ unbeeinflusst, hat es schon immer Eltern gegeben, die nach einer Trennung die gemeinsamen Kinder paritätisch betreut haben. Heute sind es schätzungsweise 3-5 Prozent aller Eltern, die nach einer Trennung ihre Kinder paritätisch betreuen, bundesweit wären das immerhin einige Zehntausend Fälle. Wenn man sich als Familienberater aufmerksam umhört, scheinen sich solche Schätzungen zu bestätigen. Repräsentative Untersuchungen oder sogenannte (rechtstatsächliche Untersuchungen dazu gibt es zu diesem Thema leider nicht, im Bundesfamilienministerium und im Bundesjustizministerium hat in der Vergangenheit und wohl auch heute an diesem Thema niemand ein ernsthaftes Interesse, statt dessen haben dort seit Jahren Studien über "Alleinerziehende" und über die "Situation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften" Konjunktur und bekommen dementsprechende finanzielle Mittel aus Steuermitteln der Bevölkerung zur Verfügung gestellt.
Nachtigall, ick hör die trapsen, sagt der Berliner da in seiner schnoddrigen Art. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, sagte Karl Marx und so dürfen wir uns über den Boom an solchen Studien wohl nicht wundern, wenn wir wissen, wer diese in Auftrag gibt.
Familie ist dort, wo Kinder sind - Zypries stellt Forschungsprojekt vor
Berlin, 23. Juli 2009
Dr. Marina Rupp, BRIGITTE ZYPRIES
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat heute gemeinsam mit der stellvertretenden Leiterin des Instituts für Familienforschung an der Universität Bamberg, Dr. Marina Rupp, eine Studie zur Situation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften vorgestellt. Gegenstand der Untersuchung war die Frage, wie Kinder in so genannten Regenbogenfamilien aufwachsen und ob das Kindeswohl in diesen Lebensgemeinschaften gleichermaßen gewahrt ist wie bei heterosexuellen Eltern.
Das vom Bundesministerium der Justiz beauftragte Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg hat in Kooperation mit dem Staatsinstitut für Frühpädagogik in München die erste aussagekräftige Forschung über Kinder in Regenbogenfamilien in Deutschland vorgelegt. Der plural zusammengesetzte, begleitende Forschungsbeirat bezeichnet die Ergebnisse als international einzigartig. Die Studie mit dem Schwerpunkt auf Kindern in Lebenspartnerschaften ist überdurchschnittlich repräsentativ.
...
Vom ausgrenzenden "Alleinerziehermodell" zum teilhabenden Paritätmodell
Die Idee des Paritätmodell geht konform mit der im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgeschriebenen Idee und Verpflichtung, Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht.
Grundgesetz
Artikel 6 (Ehe und Familie, nichteheliche Kinder)
Artikel 6 Satz 2
Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die
zuförderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die
staatliche Gemeinschaft.
Die einzige Partei in Deutschland, die es mit diesen Grundsatz derzeit einigermaßen ernst zu nehmen scheint, ist die FDP, der ja immer wieder soziale Kälte nachgesagt wird. Soziale Kälte im Bereich des Familienrechtes haben aber bisher in erster Linie die SPD, die Grünen, die Linkspartei und die CDU unter Beweis gestellt, die jahrzehntelang der Elternentsorgung das Wort geredet haben und für die getrennt lebende Väter Eltern zweiter Klasse waren, was zehntausende von Vätern mit Kontaktabbruch zu ihren Kinder bezahlen mussten.
FDP
Familie
Doppelresidenz soll
Regelfall werden
Katja SudingKatja Suding begrüßt den Parteitagsbeschluss
03.05.2017 - 16:34
Die Freien Demokraten haben auf ihrem
Parteitag das Bundestagswahlprogramm beschlossen. FDP-Vize Katja Suding sprach
über den neuen Ansatz in der Familienpolitik: Die Doppelresidenz. "Es geht nur
um die Fälle, die vor Gericht landen. Hier möchten wir, dass das Gericht in
Zukunft als Regelfall die Doppelresidenz annimmt", verdeutlichte Suding im
Interview mit der Welt. Sie sprach auch über die weiteren Ergebnisse des
Parteitags.
Der Unterschied zur bisherigen Rechtslage sei, dass künftig
begründet werden müsse, warum von diesem Regelfall abgewichen werde – "und nicht
andersherum", stellte die FDP-Vize klar. "Es ist die logische Fortsetzung des
gemeinsamen elterlichen Sorgerechtes, dass Kinder nach einer Trennung auch bei
beiden Eltern leben." Dadurch sollten auch familiäre Rollenbilder aufgebrochen
werden. "Wir sagen: Mutter und Vater sind gleichwertig."
Noch viel Arbeit bis
September
Sudings Resümee zum Parteitag fiel positiv aus: "Die Partei ist
selbstbewusst, motiviert und geschlossen. Wir wissen, dass wir seit dem Herbst
2013 den richtigen Weg eingeschlagen haben. Wir sind aber auch demütig. Wir
haben noch viel Arbeit vor uns bis September." Vor der Wahl werde die FDP noch
Projekte definieren, von denen die Wähler erwarten könnten, dass sie in einer
Koalition auch umgesetzt würden. "Wenn das nicht gelingt, dann gehen wir in die
Opposition und kämpfen von dort aus für unsere Positionen", unterstrich Suding.
https://www.liberale.de/content/doppelresidenz-soll-regelfall-werden
Dass ausgerechnet das Bundesverfassungsgericht den Grundsatz der gemeinsamen Elternverantwortung jahrzehntelang mit den Füßen getreten hat, ist ein beschämendes Kapitel deutscher Justizgeschichte. Dass das Bundesverfassungsgericht erst vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf die Einhaltung der Menschenrechte hingewiesen werden musste (Zaunegger gegen Deutschland), zeigt, dass beim Bundesverfassungsgericht bis in die Gegenwart einiges im Argen ist.
Hätte man in Karlsruhe das Grundgesetz, von Anfang an richtig gelesen, wäre es zu solchen, den Rechtsstaat torpedierenden Irrwegen gar nicht gekommen.
Das Grundgesetz knüpfte nun auch nicht an bloße Fiktionen an, sondern an einen Grundsatz, der sich in der Lebenswirklichkeit immer wieder feststellen lässt. Eltern wollen in aller Regel gut für ihre Kinder sorgen.
vergleiche hierzu:
Matthias Leder: "Elterliche Fürsorge - ein vergessenes soziales Grundmotiv"; In: "Zeitschrift für Psychologie"; 212 (1), 10-24, 2004
Dass Eltern es nicht immer schaffen, gut für ihre Kinder zu sorgen, heißt nicht, dass der Gesetzgeber dazu aufgerufen wäre, der Ent-sorgung von Eltern mittels des verfasssungswidrigen §1671 Tür und Tor zu öffnen. Im Fall einer Kindeswohlgefährdung greift §1666 und §1666a BGB. Einer unheimlichen Eltern-entsorgung mittels §1671 BGB bedarf es also nicht.
Von daher ist es die Pflicht und Schuldigkeit der Eltern, der Gerichte und nicht zuletzt auch des Gesetzgebers, darauf zu achten, dass das elterliche Grundrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder - vor und auch nach einer Trennung der Eltern - gesichert ist.
Die Zeiten ändern sich und so nehmen viele Eltern, insbesondere natürlich Väter, nach einer Trennung nicht mehr in Kauf, auf die Rolle eines Besuchspapas oder einer Besuchsmama reduziert zu werden. Die meisten Familienrichter haben sich inzwischen von der früheren ausgrenzenden und rigiden Einstundenregelung gelöst. Eine 14-tägige Wochenendregelung, bei der der "nicht betreuende" Elternteil das gemeinsame Kind von Freitag bis Sonntag betreut, ist mehr oder weniger üblich geworden (sogenanntes Residenzmodell). Verständlicherweise wollen viele Eltern nach einer Trennung nicht nur vierzehntägig am Wochenende Mama oder Papa sein und so suchen diejenigen die früher als Besuchselternteil galten, nun oft nach einer Regelung, die über die traditionelle familiengerichtliche Praxis hinaus geht. Dies können Regelungen sein, bei denen der weniger betreuende Elternteil das Kind von Donnerstag bis Sonntag zu sich nimm, also ein 3:11 Betreuungstagemodell, bis hin zu einem Betreuungsmodell, bei denen beide Eltern die Betreuung des Kindes paritätisch übernehmen. Eine solche paritätische Betreuung wird als Wechselmodell oder auch Pendelmodell bezeichnet. Diese Bezeichnungen sind allerdings irreführend, denn auch das Residenzmodell ist ein Wechselmodell, denn die Kinder wechseln auch bei diesem Modell in der Regel in einem 14-tägigen Abstand meist am Freitag vom sogenannten "betreuenden" Elternteil zum sogenannten "nichtbetreuenden" Elternteil um dann zwei Tage später, am Sonntag wieder zu dem "betreuenden" Elternteil zu wechseln. Aus diesem und aus anderen Gründen werden wir im folgenden das sogenannte Wechselmodell als Paritätmodell bezeichnen.
Beim Paritätmodell befindet sich das Kind in der Obhut beider Eltern, da der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung auch bei beiden Eltern gleichzeitig liegt. Beim Paritätmodell kann daher auch keiner der beiden Eltern nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen.
vergleiche hierzu:
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.12.2005 - XII ZR 126/03, veröffentlicht in: "Das Jugendamt", 09/2006, S. 415-418
So wie in den 20-er Jahren des 19. Jahrhunderts die damals noch ungewöhnlichen Ideen aus dem Bauhaus in Dessau auf erhebliche Skepsis und Ablehnung stießen, so stieß in den 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts die Idee des Paritätmodell (Wechselmodell) auf ähnliche Skepsis und Ablehnung.
Doch so wie im Jahr 2009 die Idee des Bauhauses mit der Ausstellung "Modell Bauhaus" - www.modell-bauhaus.de im Berliner Martin-Gropius-Bau eine triumphale Erfolgsgeschichte feiern konnte, so mag dass Paritätmodell im Jahr 2080 als Betreuungsmodell in Trennungsfamilien allgemein anerkannt sein. An die unwürdige Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes zur Frage des Kindesunterhaltes in paritätähnlichen Betreuungsmodellen wird sich dann wohl kaum noch jemand erinnern.
vergleiche hiezu:
Bundesgerichtshofs Urteil vom 28. Februar 2007 – XII ZR 161/04 / AG Bamberg – Entscheidung vom 4.12.2003 – 1 F 1176/03 ./. OLG Bamberg – Entscheidung vom 27.7.2004 – 2 UF 25/04 - http://rhgsig.wordpress.com/2007/03/01/bgh-kindesuntehalt-und-wechselmodell/
Der Gesetzgeber wie auch das Bundesverfassungsgericht hat damit aber augenscheinlich noch erhebliche Probleme, was sich daran zeigt, dass mit den Paragraphen §1671 BGB und §1626a BGB Eltern, bzw. nichtverheirateten Müttern das Recht eingeräumt wird, die Verantwortlichkeit des anderen Elternteils auszuhebeln. In so fern ist das Bundesverfassungsgericht mehr Bock als Gärtner, dem man seine Kinder und die Sicherung des Grundgesetzes besser nicht anvertrauen sollte.
Grundgesetz
Artikel 6 (Ehe und Familie, nichteheliche Kinder)
Artikel 6 Satz 2 Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
Zum Glück gibt es nicht nur befremdlich erscheinende Entscheidungen am Bundesgerichtshof, sondern auch realitätsnah erscheinende Urteile anderer Gerichte, so etwa dem des 15. Zivilsenats am Oberlandesgericht Celle:
FamRz 2008, 2053
Nr. 1141 OLG Celle — BGB § 1671
(15. ZS — FamS —, Beschluss v. 4.1.2008 - 15 W F 241/ 07)
Zu Vor- und Nachteilen des Wechselmodells (hier: betr. ein zweieinhalb Jahre altes Kind).
(Leitsatz der Redaktion)
Gründe:
1. Das AmtsG hat im angefochtenen Beschluss das Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig dem ASt. übertragen und zugleich der AGg. ein umfassendes Umgangsrecht in der Weise eingeräumt, dass sich das gemeinsame Kind wochentags jeweils von 6.30 Uhr bis 14.30 sowie 14-tägig von Freitag 6.30 Uhr bis Montag 14.30 Uhr bei ihr aufhält. Zugleich hat das AmtsG die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Regelung des Aufenthalts des Kindes angeordnet.
Gegen die Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts wendet sich die AGg. mit ihrer Beschwerde und macht damit im Wesentlichen geltend, dass das vom AmtsG im Ergebnis angeordnete Wechselmodell dem Alter und den Bedürfnissen des zweijährigen Kindes nicht gerecht werde, weil es keine Möglichkeit habe, in einem der beiden Haushalte fest verwurzelt zu sein. Zudem seien die Erziehungsstile beider Eltern zu unterschiedlich, sodass das Kind ebenso wie unter der Trennung von seinem älteren Halbbruder leide.
2. Der Senat kann nicht feststellen, dass die vom AmtsG getroffene Regelung dem Kindeswohl nicht entspricht oder diesem wie von der AGg. geltend gemacht — zuwider läuft und allein die mit der Beschwerde verfolgte Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die AGg. dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 II Nr. 2 BGB).
In der Anhörung hatten beide Eltern vorläufig eine Regelung über den Umgang getroffen. Diese entsprach bis auf den Umstand, dass G. sich wochentags bei der AGg. bis 15.30 Uhr aufhalten sollte, der im angefochtenen Beschluss getroffenen Regelung des AmtsG. Mit Schriftsatz v. 28.9.2007 machte die AGg. geltend, dass sich beide Eltern in den Elterngesprächen, auf die sie sich ebenfalls verständigt hatten, über den Aufenthalt ihres Sohnes nicht hätten einigen können, vielmehr zeige G. Verhaltensauffälligkeiten durch Wutausbrüche. Er brauche einen festen Lebensmittelpunkt und solle möglichst schnell in einem Kindergarten angemeldet werden, um Kontakt zu anderen Kindern zu erhalten.
In ihrer Stellungnahme führt die Verfahrenspflegerin aus, dass beide Eltern in bewundernswerter Weise seit der Anhörung miteinander umgehen und G. von diesem Verhalten merklich profitiere. Es gebe keine erkennbaren Hinweise darauf, dass die momentane Umgangsregelung seiner Entwicklung schade. Nach Ansicht der Verfahrenspflegerin sei der Junge in der glücklichen Lage, zwei gleichwertige Elternhäuser zu haben.
Vor diesem Hintergrund hält der Senat die Regelung des AmtsG, die dem ursprünglichen Willen beider Eltern entspricht, jedenfalls für die Zeit bis zu einer abschließenden Entscheidung des AmtsG für sachgerecht.
Dass der etwa 21/2 jährige Sohn für die Umgangsregelung morgens um 5.30 Uhr aufstehen muss, damit der ASt. ihn vor seiner Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer zur AGg. bringen kann, dürfte zu keiner Beeinträchtigung der kindlichen Entwicklung führen, zumal diesem Umstand durch entsprechende Ruhezeiten mittags und abends von beiden Elternteilen Rechnung getragen werden kann.
Dass beide Eltern unterschiedliche Erziehungsstile praktizieren, stellt ebenfalls keinen Umstand dar, der die vom AmtsG getroffene Anordnung infrage stellen kann. Zum einen konnte die Verfahrenspflegerin durch den Wechsel des Kindes zwischen beiden Haushalten keine Beeinträchtigung feststellen. Zum anderen dürfte es eher der Regel als einer Ausnahme entsprechen, dass Mutter und Vater eines Kindes unterschiedliche Erziehungsmaßstäbe anlegen, ohne dass dies mit Nachteilen verbunden ist.
Auch der Umstand, dass G. nicht dauerhaft mit seinem Halbbruder, der bereits einen Kindergarten besucht, im Haushalt der AGg. zusammenleben kann, steht der vorläufigen Regelung nicht entgegen.
Die von beiden Eltern ursprünglich getroffene und im angefochtenen Beschluss angeordnete Aufenthaltsregelung stellt im Ergebnis ein modifiziertes Wechselmodell dar. Der Senat ist - im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes - nicht der Auffassung, dass das Kindeswohl der getroffenen Regelung entgegensteht. Gesicherte entwicklungspsychologische Erkenntnisse über die Folgen des Wechselmodells liegen bisher wohl nicht vor
(vgl. OLG Dresden, FamRZ 2005, 125 f = FPR 2004, 619 f.; AmtsG Hannover, FamRZ 2001, 846, 847, m. w. N.; Überblick bei Kostka, FPR 2006, 271 ff.; siehe auch Fichtner/Salzgeber, FPR 2006, 278 ff.).
Gleichwohl ist davon auszugehen, dass mit dem regelmäßigen Wechsel des Kindes zwischen zwei Haushalten Belastungen verbunden sein können, denen jedoch zugleich Vorteile für das Kind wie auch für die Eltern, von denen jedoch ein hohes Maß an Kooperation, Kommunikation und Kompromissbereitschaft erwartet wird, gegenüberstehen (vgl. OLG Dresden, FamRZ 2005, 125, 126). Ob eine Aufenthaltsregelung i. S. eines Wechselmodells vom Gericht angeordnet werden kann, wird unterschiedlich beurteilt
(vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 1266 = NJOZ 2007, 2020; wohl auch OLG München, FamRZ 2002, 1210).
Die Aufhebung eines praktizierten Wechselmodells kann im Einzelfall nicht gerechtfertigt sein (vgl. KG, FamRZ 2006, 798; OLG Stuttgart, FamRZ 2004, 1397).
Vorliegend ist es beiden Eltern von Juni bis Oktober gelungen, den Wechsel ihres Sohnes zwischen beiden Haushalten in einer nicht nur den Belangen des Kindes gerecht werdenden Art und Weise zu organisieren. Vielmehr kommt nach den Ausführungen der Verfahrenspflegerin die bisherige Handhabung durch die Eltern ihrem Sohn in besonderer Weise zugute, sodass diese bis zum Abschluss der Ermittlungen des AmtsG durch das bereits in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten fortgeführt werden kann.
(Mitgeteilt von Richter am OLG Dr. A. Schwonberg, Celle)
Das Paritätmodell erfreut sich einer zunehmenden Nachfrage und das ist oft auch gut so. Sogar Rechtsanwälte werben inzwischen für ihre Tätigkeit, in dem sie auch auf dieses Modell hinweisen. So zum Beispiel die Berliner Rechtsanwältin Andrea Fortmann in einer Anzeige im "Berliner Abendblatt" vom 13.09.2006, S. 2, für die wir aus diesem Anlass freundlicherweise ein wenig unbezahlte Werbung machen:
Andrea Fortmann
Telefon (030) 49 90 57 - 20
Mail. ra-fortmann@ah-p.org
Über die Kinder, die von den Eltern einvernehmlich im Paritätmodell (Wechselmodell) betreut werden, werden in der Regel keine Berichte bezüglich negativer Verhaltensauffälligkeiten, etc. gegeben. Genauere Betrachtung von Einzelfällen bestätigen das eher positive Bild. Damit ist schon einmal klar, dass die Betreuung im Paritätmodell (Wechselmodell) für Kinder wenigstens genau so gut sein kann, wie die Betreuung im Dominanzmodell (Residenzmodell). Im familiengerichtlich ausgetragenen Streit der Eltern kann also nicht darauf abgestellt werden, dass das Dominanzmodell (Residenzmodell) angeblich dem Paritätmodell (Wechselmodell) per se überlegen wäre. Es müssten dann schon andere Argumentationen auf den Tisch, warum im konkreten Einzelfall die gerichtliche Festlegung eines Dominanzmodell für das Kindeswohl die bessere Alternative gegenüber dem Paritätmodell (Wechselmodell) wäre. Wenn beide Eltern sich bis zu ihrer Trennung paritätisch das Kind betreut haben, spricht schon der gerichtlich allgemein anerkannte Kontinuitätsgrundsatz dafür, dies auch nach der Trennung fortzuführen. Da man davon ausgehen kann, dass es heute ein beachtlicher Teil der Väter vor einer Trennung sich in gleichwertiger Weise an der Betreuung und Erziehung der gemeinsamen Kinder beteiligt hat, vorsichtig geschätzt werden es wenigstens 20 Prozent aller Väter sein, so folgt aus dem Kontinuitätsgrundsatz, das es bei der derzeitigen Trennungsrate von ca. 50.000 Paaren jährlich wenigstens 10.000 Fälle gibt, für die aus Sicht des Kontinuitätsprinzips das Paritätmodell (Wechselmodell) zu empfehlen wäre. Dass dem praktisch einiges im Wege steht, hat schon vor geraumer Zeit Klenner benannt, als er über die "Mitnahme des Kindes als `gutes Recht´" geschrieben hat:
Wolfgang Klenner: "Rituale der Umgangsvereitelung"; In: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 1995, Heft 24, S. 1530
Während in Deutschland Teile der Richterschaft noch über die Vor- und Nachteile des Paritätmodell rätseln, einige Richter aus der alten Schule das Paritätmodell gar für neumodischen Quark halten und für ihren Gerichtsbezirk auf der reinen Lehre aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts beharren, macht man in Belgien offenbar Nägel mit Köpfen und verankert dort die sogenannte Co-Elternschaft als zu bevorzugendes Betreuungsmodell gleich im Gesetz:
Co-Elternschaft erhält künftig Vorzug
Di 05/09/06 - Bei der Sorgerechtsregelung nach einer Ehescheidung muss der Richter künftig den Vorzug der Co-Elternschaft geben, vorausgesetzt die Eltern sind sich darüber einig. Das neue Gesetz ist nun im Staatsblatt veröffentlicht worden.
(foto PhotoNews) Co-Elternschaft ist die Aufteilung des Sorgerechts zwischen beiden Elternteilen. Die Kinder verbleiben also abwechselnd und etwa gleich lang bei Vater und Mutter. Bislang hat im Falle einer Scheidung ein Richter befunden, was mit den Kindern passiert, selbst dann, wenn sich die Eltern über das Sorgerecht bereits einig waren. In vier von fünf Fällen sprach der Richter die Kinder der Mutter zu. Der Vater hatte die Kinder in der Regel jedes zweite Wochenende, selbst wenn die Eltern eine andere Regelung bevorzugten.
Nach dem neuen Gesetz muss der Richter dem Willen der Eltern nachkommen, wenn diese sich einig sind. Falls die Eltern zu keiner gemeinsamen Übereinkunft kommen, soll der Richter zunächst prüfen, ob eine Co-Elternschaft in Frage kommt.
...
Vergangenes Jahr gab es 30.844 Scheidungen in Belgien. Knapp ein Viertel der Minderjährigen wächst in einer geschiedenen Familie auf.
(21/03/06)
Doch in Deutschland, dem Land der Dichter wie Johann Wolfgang von Goethe, Denker wie Karl Marx und leider auch der Massenmörder mit der Charakterstruktur eines Durchschnittsbürgers wie dem Reichsführer SS Heinrich Himmler und dem Schreibtischmassenmörder Adolf Eichmann tut man sich schwer. Gibt es eine ernstzunehmende neue gesellschaftliche Entwicklung, heißt es amtlicherseits erst einmal: Darüber liegen noch keine Forschungsergebnisse vor. Und da keine Forschungsergebnisse vorliegen, heißt es im Zirkelschluss, müsse man nichts tun, schon gar nicht forschen, denn das kostet Geld, aber man braucht das Geld für Forschungen, die erforschen, was man ohnehin schon weiß, denn bei solcherart von Forschung kann wenigstens nichts im Gleichmaß des Behördenalltags aus dem Ruder laufen.
Oder man formuliert es so unverbindlich, sprechblasenhaft und redundant wie am Bundesverfassungsgericht:
"Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob seine Annahme auch vor der Wirklichkeit bestand haben. Stellt sich heraus, dass dies regelmäßig nicht der Fall ist, so wird er dafür sorgen müssen, dass Vätern nichtehelicher Kinder, die mit der Mutter und dem Kind als Familie zusammenleben, ein Zugang zur gemeinsamen Sorge eröffnet wird, der ihrem Elternrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz unter Berücksichtigung des Kindeswohls ausreichend Rechnung trägt."
Leitsatz 4 des Urteils des Ersten Senats vom 29. Januar 2003 - 1 BvL 20/99 und 1 BvR 933/01 - Gemeinsame elterliche Sorge nichtverheirateter Eltern für nichteheliche Kinder:
Ebenso gut könnte man auch einen Zoologen auf den Mond schicken, um das dortige Tierleben zu erforschen.
Das ist nun ein Auftrag an den Gesetzgeber - auf Bundesebene ist das der Bundestag und die von ihm legitimierte Regierung - der diesen nur dann zum Tätigwerden verpflichtet, wenn dessen frühere Annahme "regelmäßig" nicht vor der Wirklichkeit bestand hätte. "Regelmäßig" ist synonym mit "weit überwiegend", in Zahlen ausgedrückt kann man dies mit 90 Prozent ansetzten. Erst wenn in 90 Prozent der Fälle die Wirklichkeit nicht so verläuft wie die erträumte Wirklichkeit des Gesetzgebers und der beauftragenden Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgerichtes, soll der Gesetzgeber handeln. Dies allerdings auch dann nur so weit, dass "ihrem Elternrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz unter Berücksichtigung des Kindeswohls ausreichend Rechnung" getragen wird. Was das kleine Wort "ausreichend" bedeuten mang, darüber schweigt man sich am Bundesverfassungsgericht im verschlafenen Karlsruhe aus.
Verläuft die Wirklichkeit aber in 50 oder 60 Prozent aller Fälle nicht so, wie es sich Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht erträumen, dann soll der Gesetzgeber - und mit ihm das Bundesverfassungsgericht - nichts tun, sondern es darf weitergeträumt werden. Abgesehen von diesem einem Rechtsstaat unwürdigen Umständen ist es so, dass seit der Beschlussfassung des Bundesverfassungsgericht vom 29.01.2003 in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden ist, ob denn der Gesetzgeber hier überhaupt etwas beobachtet und prüft und wenn ja, was er eigentlich beobachtet und prüft. Sollte dieser Eindruck zutreffend sein, so wäre der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes das Papier nicht wert, auf dem es steht und man könnte zu der Überlegung kommen, ob man nicht wenigstens den Ersten Senat am Bundesverfassungsgericht einsparen könnte, wenn dessen Beschlüsse lediglich dazu dienen, gesellschaftliche Entwicklungen wie z.B. die Beteiligung von Vätern an der Übernahme von Verantwortung für ihre Kinder aufzuhalten.
Wenn man aber in Deutschland schon einmal im staatlichen Auftrag forscht, dann wollen die Auftraggeber auch hinterher Sicherheit haben, dass alles genau so erforscht wurde, wie man es sich vorher gewünscht hat. Geschieht dies nicht so, kann der Ärger angesichts unerwünschter Forschungsergebnisse schon recht groß sein. Deswegen gibt man am besten erst gar keine Forschungen in Auftrag, dessen Ergebnisse man nicht schon vorher mit Sicherheit weiß. In der DDR wusste man sich in solchen Angelegenheiten gut zu helfen. Dort verschwanden unerwünschte Forschungsergebnisse "regelmäßig" in den Panzerschränken der beauftragten Institute, so etwa beim Zentralinstitut für Jugendforschung in Leipzig.
Am besten ist es natürlich wenn man Forschungsergebnisse erhält die generell zutreffen. So etwa bei den Fallgesetzen der klassischen Mechanik. Egal ob man eine Stahlkugel vom Schiefen Turm in Pisa oder vom Grunewaldturm in Berlin hinunterfallen lässt - Achtung Verletzungsgefahr für zufällig vorbeikommende Passanten - man erhält an jedem Ort und zu jeder Zeit die mehr oder weniger gleichen Ergebnisse. So viel Sicherheit beruhigt.
Heikel wird es jedoch, wenn man die Sicherheiten und Reproduzierbarkeiten, die in der klassischen Mechanik, die ja schon zu Zeiten Galileo Galileis und Isaac Newton recht weit entwickelt war, als Maßstab auf menschliche Entwicklung, Beziehungen und Familienformen übertragen will und nach Aussagen sucht, die generell zutreffend sind. Generell gibt es hier - man mag es gut oder schlecht finden - nicht.
Somit kann es auch generell keine generellen Aussagen über die Entwicklung von Kindern nach einer Trennung geben, denn die Zukunft ist immer unbestimmt und offen. Daher erinnert der Vortrag von Peter Eschweiler, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
"Dass es bisher keine greifbaren Forschungsergebnisse dazu gibt, wie sich ein dauerhaft praktiziertes Wechselmodell generell auf Kinder auswirkt, ..."
Peter Eschweiler: "Akzeptanz des Wechselmodells durch die Familiengerichte"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, S. 307
an eines der bekannten Escherbilder, bei dem wir z.B. einen Wasserfall sehen, der nach unten fällt (oder eine Treppe, die nach unten führt), um schließlich auf wundersame Weise wieder oben anzukommen, ein Phänomen, das zwar auf einem Bild graphisch dargestellt werden kann, aber in der Wirklichkeit bloße Fiktion bleiben muss.
Rückblickend kann man zwar feststellen, wie sich ein Kind nach eine Trennung und nach "dauerhaft praktiziertem Wechselmodell" entwickelt hat, dabei wird man aber Fälle finden, wo die Entwicklung erfreulich war und Fälle wo sie unerfreulich war. Nur die akademische Psychologie in ihrer lebensfeindlichen Praxisferne bei gleichzeitigen angemaßten Anspruch auf Wahrheitsverkündung und überzogener Bezahlung wird jedoch auf den Gedanken kommen, daraus gültige Lehrsätze - oder besser gesagt Leersätze - abzuleiten.
Generell kann man keine generellen vorausschauenden Aussagen treffen, denen Wahrheitswert zukäme. Der sogenannte gesunde Menschenverstand hält sich zwar gerne an solchen Generalisierungen wie "Raucher sterben früh" oder "wer nicht die Schule besucht, bleibt dumm", fest, doch die Wirklichkeit belehrt uns immer wieder eines besseren. So zum Beispiel auch im Fall der im Alter von 10 Jahren von einem Mann entführten und von diesem über 8 Jahre eingesperrten Natascha Kampusch. Wenn man nach dem angeblich "gesunden Menschenverstand" geht, müsste das Mädchen völlig traumatisiert und unfähig sein, sich in einem Interview kompetenter auszudrücken, als es viele andere 18-jährige Mädchen, die "ganz normal" aufgewachsen sind, tun würden.
07. September 2006 KAMPUSCH-TV
"Das ganze Land hat sich in Natascha verliebt"
Von Gerlinde Pölsler, Graz
Österreich im Kampusch-Rausch: Das erste Fernsehinterview mit der Ex-Entführten Natascha brachte dem ORF einen neuen Quotenrekord. Die Österreicher sind verblüfft, beeindruckt, neidisch - und schämen sich.
Graz - "Ich - mag - Natafa - Kampuf - faun." Marlena, fünf, zwei Zahnlücken, macht mit Nachdruck klar, dass sie nicht gedenkt, sich gegen acht Uhr abends vom Fernsehgerät zu entfernen: Würde sie doch damit das für 20.15 Uhr angesetzte Interview mit Natascha Kampusch versäumen. Das erste Fernsehinterview mit der für mehr als acht Jahre vermissten jungen Frau war ein Straßenfeger.
Kampusch im Interview: Knapp zehn Millionen vor den Bildschirmen
Mehr als 2,5 Millionen Zuseher und einen Marktanteil von 80 Prozent bescherte die Sendung dem öffentlich-rechtlichen ORF. Damit ist sie dessen meistgesehene Sendung, seit es in Österreich auch Privatsender und die Quotenmessung per Teletest gibt. Auch Menschen, die eigentlich nicht "dem Voyeurismus Vorschub leisten" wollen, schauten dann doch - und waren "berührt", wie jemand von sich selbst beichtete. Die meisten verfolgten das Ereignis zu Hause, manche in kleinen, privaten Runden mit Freunden oder der Familie.
In Lokalen sahen nur wenige zu. Gerade dort nämlich fanden sich die Kampusch-Resistenten: Im Grazer Café Uhu, bekannt für gemeinsames Fernsehen, hieß es: "Nein, Kampusch schauen geht nicht - es ist ja heute Fußball-Länderspiel mit Österreich."
Schon am Nachmittag gingen die Natascha-Festspiele los, weil auch die Printmedien nicht hintanstehen wollten: Das Magazin "News" sowie Österreichs größte Tageszeitung, das Boulevardblatt "Kronen Zeitung", veröffentlichten in ihren Donnerstagausgaben die ersten Print-Interviews und Fotos des "begehrtesten Gesichts der Welt", als das Frau Kampusch derzeit gehandelt wird. Dazu erhöhten sie ihre Auflagen, erschienen früher als üblich und schickten Straßenverkäufer aus.
"Es ist ein Wunder"
Als Kampusch dann am Bildschirm erschien, machte sich Verblüffung und Bewunderung darüber breit, wie stark und selbstbewusst sie wirkte. "Es ist ein Wunder, dass sie nach so langer Zeit so beinand' ist", brachte es eine ältere Wienerin in der Nachrichtensendung "Zeit im Bild 2" auf den Punkt. Und rasch hatte die so lang Vermisste die Sympathie der Zuseher auf ihrer Seite, wie von vielen Zusehern zu hören und in Online-Foren zu lesen ist.
"Das ganze Land hat sich in Natascha verliebt", schreibt Wolfgang Fellner, Herausgeber der eben neu auf den Markt gekommenen Tageszeitung "Österreich". Respekt nötigt vielen ihre "soziale Kompetenz" ab - dass sie viel Geld in einen Opferfonds stecken und Rücksicht auf die Mutter von Wolfgang P. nehmen wolle. Schon kurz nach Ende des Interviews verkündete die Moderatorin beim "Runden Tisch" zum Thema: "Die Spendenhotline läuft heiß."
Vor allem eines können die Österreicher kaum fassen - und es hinterlässt viele beschämt und ratlos: wie gebildet Kampusch ist und wie gewählt ihre Sprache. Auf die meisten wirkte sie sehr selbstbewusst, ihr Aussagen waren reflektiert. Schon beim "Runden Tisch" war das ein großes Thema: Ihr Anwalt meinte, er würde allen seinen Mandanten wünschen, dass sie so eigenständig agierten wie Kampusch.
"Freiheit für Natascha Kampusch!"
Die große Frage, die der "Österreich"-Herausgeber auf den Punkt brachte: "Warum weiß ein Mädchen, das nie eine Schule besucht hat, mehr über die Welt und das Leben als diejenigen, die jeden Tag acht Stunden pauken müssen? Was läuft falsch an unserem Bildungssystem?" Hämisch schreibt jemand in einem Online-Forum: "Wie ist es möglich, dass ungefähr acht Millionen Österreicher in eine Lage geraten konnten, dass sie vor dieser 18-jährigen erbleichen, während ihnen aufgeht, dass sie selbst nur hilflos stammeln können? Kampusch ist eine Aufforderung, ihren Trainingsrückstand aufzuholen."
Was allerdings manche auch beschäftigt, sind Zweifel an Kampuschs Authentizität. Inwieweit ist Natascha wirklich so stark, wie sie erscheint? Manche Antworten hätten "eintrainiert" gewirkt, meint eine Zuseherin; man habe doch den Eindruck, es sehr stark mit einem "Medienprodukt" zu tun zu haben, eine andere.
Aber auch weniger wohlwollende Meinungen werden laut. Nicht nur die Medien, Kampuschs Beraterteam und die "dummen" Leute, die sich das alles anschauen, werden etwa auf Online-Foren heftig kritisiert. Auch der junge Medienstar selbst ist Ziel von Angriffen. Dies hat offenbar gerade mit Kampuschs starkem Auftreten und der Intelligenz, die sie vermittelt, zu tun. Einige behaupten: "Die spielt ja das alles nur", und überhaupt sei die ganze Geschichte unglaubwürdig. Häufiges Thema ist auch, dass sie "für ihr Leben ausgesorgt" hat. Der Neid darauf ist oft offensichtlich: "Spendenkonto für eine Millionärin?", meint einer provokant in einem Posting. Und manche unterstellen Kampusch, ausgekocht und berechnend zu sein.
Die wesentliche Stimmung ist heute aber: Wohlwollen, Respekt, und: Jetzt haben wir sie gesehen, und jetzt soll man sie in Ruhe lassen. Oder wie es die "Presse" formuliert: "Freiheit für Natascha Kampusch!" Dass sie die bekommt, ist freilich unwahrscheinlich - denn das Interesse an ihr ist noch lange nicht erloschen.
http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,435765,00.html
Wenn sich die Eltern darüber einigen, nach einer Trennung die Betreuung der Kinder paritätisch zu übernehmen, so besteht erst einmal logischerweise kein Bedarf an familiengerichtlichen Interventionen. Blockiert ein Elternteil dagegen eine solche Regelung oder will ein bisher praktiziertes Paritätmodell beenden, so wird ein Elternteil über kurz oder lang in dieser Sache das Familiengericht anrufen. Doch auch hier enden die Probleme nicht sofort. Einige Familienrichter haben es sich zu ihrer Ideologie gemacht, dass das Paritätmodell (Wechselmodell) nur dann praktiziert werden kann, wenn dies auch beide Eltern wollen. Entsprechende Anträge werden dann regelmäßig mit der lapidaren Begründung zurückgewiesen, ein familiengerichtlich erzwungenes Wechselmodell entspräche nicht dem Kindeswohl. Mit solchen Argumentationen, so wird kolportiert, agiert man z.B. beim Kammergericht in Berlin - dem, wie auch dem Bundesgerichtshof in der Residenzstadt Karlsruhe, auch in anderen familienrechtlichen Fragen eine recht konservative ideologische Haltung nachgesagt wird. Man denke hier nur an die im Vergleich zur bundesweiten Praxis sehr hohe Rate der Sorgerechtsentzüge nach §1671 BGB im Rahmen laufender Scheidungsverfahren. In Berlin wurden im Jahr 2004 in 18,5 Prozent aller anhängigen Fälle einem der beiden Elternteilen, meist dem Vater, das Sorgerecht entzogen, währenddessen es im Bundesdurchschnitt nur 11,4 Prozent waren, in Rheinland-Pfalz nur 7,6 Prozent und im Amtsgerichtsbezirk Cochem - man mag es gar nicht glauben - soll gar keinem Elternteil das Sorgerecht nach §1671 BGB entzogen worden sein, seit dem dort das sogenannte Cochemer Modell etabliert wurde.
Vergleiche hierzu:
Kleine Anfrage der Abgeordneten Cerstin Richter-Kotowski (CDU) vom 06. Juli 2006
Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 15/13623, vom 24.07.2006
"Erfahrungen mit der Kindschaftsrechtsreform im Land Berlin"
Die Zahl der tatsächlich angeordneten Sorgerechtsentzüge nach §1671 BGB sind in Berlin aber noch weit höher als die in der Beantwortung der Kleinen Anfrage angegebenen 18,5 Prozent, denn die Sorgerechtsentzüge außerhalb regulärer Scheidungsverfahren wurden hier gar nicht mitbenannt. Man kann daher mit Sicherheit davon ausgehen, dass in Berlin trotz der Intention des 1998 reformierten Kindschaftsrechtes noch immer jedem dritten bis vierten Elternteil das Sorgerecht nach §1671 BGB entzogen wird. Ein Schelm, der da an Winston Churchill denkt, der da gemeint haben soll: Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
Historie
Die erste größere Sammlung fachlicher Überlegungen zum Paritätmodell (Wechselmodell) mit Anspruch auf Seriosität findet man in der Zeitschrift "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, in deren Redaktionsbeirat auch die Richterin am Berliner Kammergericht Dr. Uta Ehinger ist.
In dem Heft findet man die folgenden Aufsätzen:
Lothar Unzner: "Bindungstheorie und Wechselmodell"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, S. 274-277
Jörg Fichtner; Joseph Salzgeber: "Gibt es den goldenen Mittelweg? Das Wechselmodell aus Sachverständigensicht."; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, S. 278-284
Rainer Balloff: "Wechselmodell und Erziehungsfähigkeit"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, S. 284-287
Wolfram Viethues: "Kindesunterhalt und Wechselmodell"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, S. 287-292
Roger Schilling: "Betreuungsunterhalt und Wechselmodell"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, S. 291-295
Heike Hennemann: "§1629 II 2 und III BGB - Probleme der gesetzlichen Vertretung und der Prozessstandschaft beim Wechselmodell"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, S. 295-298
Michael Klatt: "Sozialleistungen und Wechselmodell"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, S. 298-301
Kerima Kostka: "Das Wechselmodell - Forschungserkenntnisse aus den USA"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, S. 271-274
Jens Gutjahr: "Gerichtliche Entscheidungen über die elterliche Sorge und das Umgangsrecht im Zusammenhang mit dem Wechselmodell; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, S. 301-305
Peter Eschweiler: "Akzeptanz des Wechselmodells durch die Familiengerichte"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, S. 305-307
Unbeschadet der im einzelnen zu diskutierenden Qualität der Aufsätze und der jeweiligen Einschätzung des Paritätmodells durch die Autoren in diesem Themenheft, zeigt eine so umfassende Darstellung, dass das Thema in der Familiengerichtsbarkeit und den angrenzenden Fachbereichen, "angekommen" ist und inzwischen kein Randthema mehr ist. Wenn man bedenkt, dass die Gerichtsbarkeit der Lebensrealität in der Regel immer um einige Jahre nachhinkt, wobei der Rückstand um so höher auszufallen scheint, um so höher das Gericht angesiedelt ist, ähnliches lässt sich auch über die Höhe der finanziellen Besoldung der Richterinnen und Richter sagen, die von der Ebene des Amtsgerichtes, über das Oberlandesgericht bis hin zum Bundesgericht immer höher wird - so kann man feststellen, dass das Paritätmodell kein exotisches Thema mehr ist, dessen Praktizierung nur Verrückten und AmokläuferInnen vorbehalten wäre. Der Trend in Richtung Normalität und Parität, wird sich in der Zukunft verstärken. Viele Trennungseltern, dies gilt auch für Familienrichter/innen, die sich trennen, werden es verstärkt nutzen, denn kein Elternteil der einigermaßen bei Verstand ist, wird sich mit mit der traditionell staatlich erwünschten Rolle eines Besuchselternteiles begnügen, sondern auch nach einer Trennung für seine/ihre Kinder im Alltag präsent sein. Damit dies gelingen kann, gilt es wie bei allen Paradigmenwechseln, noch eine Reihe von verbreiteten Vorurteilen und Ideologien gegen das Paritätmodell aufzulösen.
Empfehlens- und lesenswert wert in dem Themenheft der Aufsatz von Jens Gutjahr, Richter am Oberlandesgericht Brandenburg: "Gerichtliche Entscheidungen über die elterliche Sorge und das Umgangsrecht im Zusammenhang mit dem Wechselmodell". Gutjahr erspart sich billige Polemik gegen das Paritätmodell (Wechselmodell) und geht statt dessen auf die juristische Rahmung ein, innerhalb derer das Paritätmodell in der Praxis zu verorten ist.
Die Vermutung von Gutjahr:
"In der Praxis wohl eher selten anzutreffen ist der Fall, dass sich das gemeinsame Kind nach einer Trennung der Eltern zunächst ganz überwiegend bei einem Elternteil aufhält, dann aber ein Elternteil den Wunsch äußert, es solle das Wechselmodell praktiziert werden." (S. 303)
dürfte aktuell sicher noch zutreffen. Ob das aber auch zukünftig so sein wird, ist zu bezweifeln, denn der Bekanntheitsgrad des Paritätmodells wächst und es ist zu erwarten, dass immer mehr Trennungseltern sich fragen, warum sie ihr Kind nur als zurechtgestutzter Wochenendelternteil betreuen dürfen, statt so wie im Grundgesetz formuliert, auch nach einer Trennung die Betreuung des Kindes mit dem anderen Elternteil paritätisch zu übernehmen.
Grundgesetz
Artikel 3 Satz 2 Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
Artikel 3 Satz 3 Niemand darf wegen seines Geschlechts, ... benachteiligt oder bevorzugt werden.
Artikel 6 Satz 1 ...
Artikel 6 Satz 2 Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
Viele Vorurteile gegen das Paritätmodell werden in der Regel nicht oder nicht überzeugend begründet. Empirische Forschung, so etwa Langzeitstudien, zu den Vor- und Nachteilen des Paritätmodell gibt es nicht, dafür um so mehr an wilden Spekulationen, die überwiegend von Psychologen in die Welt gesetzt werden, die ihre eigene private Meinung ganz dreist mit dem Label "aus psychologischer Sicht" markieren und damit wie der Papst in Rom, für sich die eigene Unfehlbarkeit in Anspruch nehmen.
Nun kann man allerdings - aus psycho-logischer Sicht - fragen, wie der durchschnittlich begabte Psychologe zu seiner unbegründeten Meinung kommt. Dies kann man sowohl aus logischer, als auch aus gestaltpsychologischer Sicht erklären.
Logisch gesehen, kann ein Ding (oder Mensch) nicht gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten sein. Der Schizophrene oder ein Mensch mit der psychiatrischen Diagnose einer Multiplen Persönlichkeit (Dr. Jekyll und Mr. Hyde), versucht das zwar, tatsächlich ist dieser Mensch natürlich immer der gleiche Mensch, der jedoch zwischen seinen verschiedenen Persönlichkeitsanteilen ständig hin und her schaltet.
Logisch gesehen, kann ein Kind zu einer Zeit nur an einem Ort sein. Es kann also zur selben Zeit nicht zwei verschiedene Lebensmittelpunkte haben. In der euklidischen Geometrie, die wir alle in der Schule gelernt haben, zeichnet sich ein Mittelpunkt dadurch aus, dass er zu einer definierten Anzahl anderer Punkte den jeweils gleichen Abstand hat. Bei einem Kreis gibt es definitionsgemäß nur einen Mittelpunkt - sonst wäre es kein Kreis. Der Mittelpunkt eines Kreises zeichnet sich trivialerweise dadurch aus, dass er zu den unendlichen vielen Punkten auf der Kreisperipherie genau den selben Abstand hat. Bei einer Ellipse sieht das freilich schon anders aus. Die Ellipse hat zwei Mittelpunkte, die man Brennpunkte nennt.
Je nach dem, ob man sich eine Trennungsfamilie nun als Kreis oder als Ellipse vorstellt, heißt das dann, dass ein Kind einen oder auch zwei Lebensmittelpunkte haben kann.
Die Gestaltpsychologie (Berliner Schule: M. Wertheimer, W. Köhler, K. Koffka, K. Lewin) lehrt uns, dass wir zu jeweils einer Zeit nur ein Bild sehen können.
Als Anschauung dafür dient ein bekanntes schwarz-weiß gehaltenes Bild. Entweder sehen wir eine Vase oder wir sehen zwei Gesichter, beides gleichzeitig zu sehen geht nicht. Ähnlich ist es mit einem Mann und einer Frau. Entweder können wir einen Mann sehen oder wir sehen eine Frau. Mann und Frau zugleich wäre ein Zwitter, auch Intersexueller genannt. Die Einführung des großen Binnen I, ist der sprachliche Versuch der Herstellung eines Zwitters. Da heißt es dann - politisch-grün korrekt die RichterInnen, die VerfahrenspflegerInnen oder sogar - sprachlich völlig daneben - die RechtsanwältInnen. Gerade so also ob wir uns beispielsweise den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes Hans-Jürgen Papier als Zwitter vorstellen könnten.
Andererseits gestattet es der deutsche Rechtsstaat aufgrund seiner gestaltpsychologisch begründbaren Konditionierung, nicht einmal, dass Menschen mit tatsächlich vorhandenen intersexuellen Merkmalen (Hermaphroditen), sich das Personenstandsmerkmal "Zwitter" in den Ausweis eintragen lassen können. Er/sie/es muss also "Mann" oder "Frau" werden. Was er/sie/es wird, entscheidet der deutsche Beamte in der zuständigen Pass- und Meldestelle.
Ähnlich gestaltpsychologisch begründbar geht es beim Paritätsmodell (Wechselmodell) zu. Der "normale" Menschenverstand kann sich zum einen nicht vorstellen, dass ein Kind "zwei Zuhause" hat. Weil sich der "normale" Mensch oder der "normale" Gutachter dies aber nicht vorstellen kann, darf es so etwas auch nicht geben und wird per se und ohne eine überzeugende Begründung zu gebrauchen mit dem Kindeswohl als nicht vereinbar erklärt.
Mit der gleichen Logik müsste man jedoch auch die Männer oder die Frauen abschaffen, denn beides zugleich kann man sich nicht vorstellen. Totalitäre Denker/innen, sei es in der Inquisition oder unter kognitiv einfach gestrickten FrauenrechtlerInnen (wir legen hier Wert auf das große Binnen-I) haben sich an der Abschaffung von Frauen oder Männern schon einmal gedanklich und auch praktisch versucht, wenngleich ihnen ein Erfolg - anders als bei den von den Nationalsozialisten betriebenen Einteilungen der Menschen in lebenswerte und unlebenswerte Menschen - mit darauffolgendem Massenmord euphemistisch "Endlösung" genannt, bisher zum Glück weitgehend versagt geblieben ist.
Während ein Großteil der getrenntlebenden Eltern, die das Paritätmodell (Wechselmodell) praktizieren, dies so lange handhaben, bis das Kind von sich aus ein anderes Modell leben will oder sich altersbedingt von den beiden Elternhäusern löst, gibt es andere getrenntlebende Eltern, die das Paritätmodell (Wechselmodell) praktizieren und bei einem der beiden Elternteile aus den verschiedensten Gründen der Wunsch entsteht, das Paritätmodell (Wechselmodell) zu beenden und statt dessen das Residenzmodell einzuführen, wobei der veränderungswillige Elternteil bezeichnenderweise meist sich selbst als denjenigen Elternteil ansieht, der zukünftig die Hauptbetreuung des Kindes übernehmen soll. Der andere Elternteil soll im Kontakt mit seinen Kindern dann auf ein vierzehntägigen Wochenendumgang beschnitten werden.
Seriöse Argumentationen und Untersuchungen zum Thema Paritätmodell waren in der Vergangenheit lange Zeit überhaupt nicht zu finden. Um so mehr schoss man dafür bis heute mit wilden Spekulationen um sich herum. So wie man sich in den fünfziger Jahren amtlicherseits mit Händen und Füßen gegen ein 14-tägiges Wochenendmodell gewehrt hat, weil man der Meinung war, dass das den neuen Familienfrieden des Kindes im betreuenden Haushalt gefährden würde, so findet man heute allerhand ideologisch motivierte Vorbehalte gegen das Paritätmodell. Ein Kind braucht ein zu Hause, ist dabei eines der beliebten Standardargumente gegen das Paritätmodell. Dabei gibt es, vor allem in den Großstädten, nicht wenige Trennungsfamilien, die seit Jahren im Einvernehmen das Paritätmodell praktizieren, ohne dass man je davon gehört hätte, dass diese Form der Betreuung zu Schäden bei den Kindern geführt hätte. Die Eltern haben oft einen höheren Bildungsabschluss oder sogar eine Ausbildung als Sozialpädagoge oder Psychologe.
Das alles ficht die eine oder andere Fachkraft offenbar nicht so sehr an. So berufen sich z.B. Fichtner und Salzgeber mit ihrer offenbar eher skeptischen Haltung gegenüber dem Wechselmodell auf den schon lange emeritierten Kinder- und Jugendpsychiater Reinhart Lempp, einen der Urgroßväter der Gutachterzunft:
"So wird etwa aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht bei der Bewertung der verschiedenen Sorgerechtsmodelle nur das Residenzmodell als realistisch eingestuft."
Jörg Fichtner; Joseph Salzgeber: "Gibt es den goldenen Mittelweg? Das Wechselmodell aus Sachverständigensicht."; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; Heft 07/2006, S. 279
Fichtner und Salzgeber beziehen sich hier auf einen wenigstens 15 Jahre alten Aufsatz von Lempp: "Die psychischen Grundlagen der Sorgerechtsentscheidung", in: Hommers, "Perspektiven der Rechtspsychologie", 1991, S. 147. Dabei übersehen sie aber offenbar, dass einem Kinder- und Jugendpsychiater wie es Herr Lempp war in der Regel Kinder- und Jugendliche vorgestellt werden, die recht stark gestört sind, was wiederum in der Regel nichts damit zu tun hat, dass diese im Paritätmodell leben, sondern, dass sie erheblichen Beziehungsstörungen in ihrer Familie ausgesetzt sind. Zudem ist das Paritätmodell kein Sorgerechtsmodell, sondern ein Beziehungs- und Lebensmodell.
Nun ist aber Salzgeber auch nur ein Sohn seiner Zeit und was er früher verkündet hat, muss für ihn heut nicht mehr gelten. Und so kann es denn auch nicht verwundern, wenn aus seinem Stall mit Namen "Gesellschaft für wissenschaftliche Gerichts- und Rechtspsychologie" - GWG auch Gutachter kommen, die sich für das Paritätmodell aussprechen.
Beispiel
Die Diplom-Psychologin Dr. Anne Huber empfiehlt in ihrem (GWG) Gutachten vom 30.10.2009 für das Amtsgericht Tempelhof/Kreuzberg die Etablierung eines Paritätmodells bei einem sieben und dreijährigen Geschwisterpaar.
"A sollte aus sachverständiger Sicht ab sofort eine Woche beim Vater und eine Woche bei der Mutter wohnen.
...
B beginnt nach den Schulsommerferien 2010 mit dem Wechselmodell."
Diplom-Psychologin Dr. Anne Huber, Gutachten vom 30.10.2009 für das Amtsgericht Tempelhof/Kreuzberg. S. 77
Man könnte denken, auf der Achse Berlin-München ist die Revolution ausgebrochen. Womöglich hat Frau Huber aber auch nur ihre Supervisionstermine bei der GWG in München versäumt, bei der ihr vor der Endredaktion ihres Gutachtens sicher klargemacht worden wäre, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.
Vorstellungskraft
Während der Diplom-Psychologe Dr. Klaus Schneider sichtlich Mühe hat, seinen eingeschränkten Horizont über das ihm als denkbar erscheinende Möglichkeitsfeld zu erweitern
"Aber was soll denn nun dein zu Hause sein? Und wen willst du besuchen?"
Diplom-Psychologe Dr. Klaus Schneider, Gutachten vom 10.03.2003 für Amtsgericht Potsdam - 45 F 831/02 - Richter Heinrichs, S. 20
sind andere - vermutlich jüngere Fachkräfte für die Praktikabilität einer paritätischen Betreuung des Kindes durch seine Eltern offener. So z.B. die Diplom-Psychologin Katharina Kautzsch, die einige Jahre später ebenfalls für das Amtsgericht Potsdam tätig ist:
"Bezüglich des Umgangs- und Betreuungsmodells wird empfohlen, ein Solches zu finden, welches das Wechseln der Kinder so gering wie möglich hält. So könnte ein vierzehntägiger Wechsel zum jeweils anderen Elternteil stattfinden und dazwischen 2 Tage pro Woche festgelegt werden, an denen der andere Elternteil stundenweise Kontakt mit den Kindern hat, sie zu außerschulischen Terminen begleitet o.ä. Die Kinder hätten die Möglichkeit, sich einerseits jeweils für zwei Wochen in einem Haushalt einzuleben und andererseits in stundenweisem Kontakt mit dem jeweils anderen Elternteil zusammen sein zu können."
Diplom-Psychologin Katharina Kautzsch, Gutachten vom 25.09.2012 für das Amtsgericht Potsdam - 42 F 383/11 - Richterin Neumann, S. 46
Einschränkend muss allerdings kritisch angemerkt werden, dass auch Frau Kautzsch den Horizont elterlicher Ent-sorgung nach 1671 BGB nicht endgültig verlässt, da sie dem Gericht vorschlägt, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen. Im übrigen ist Frau Kautzsch wohl auch auf dem Holzweg, wenn sie meint ein 14tägiges Paritätmodell zwischendurch durch stundenweise Kontakte der Kinder mit dem jeweils anderen Elternteil auflockern zu wollen. Wen die Eltern dies beide wollen, braucht es dazu ohnehin keinen gerichtlichen Beschlusses. Wenn die Eltern dies nicht wollen oder auf Grund ihrer hochemotionalen Zerstrittenheit auch nicht können, stellt es sogar eine unnötige Belastung der Kinder dar, denn solche von den Eltern nicht wirklich gewollten "Zwischenbesuche" führen regelmäßig zu Komplikationen, da beim Zusammentreffen bzw. der dafür notwendigen Absprache der Eltern die Emotionen hochfahren und somit ein unbelasteter Kontakt der Kinder mit dem jeweils anderen Elternteil nicht möglich ist.
Das Jugendamt hat festgestellt, dass Marmelade Fett enthält
Mitunter versteigen sich einige Mitarbeiter von Jugendämtern zu der unbewiesenen Behauptung, so z.B Herr Hendrik Wendland vom Jugendamt Pankow in einem Schreiben an das Berliner Kammergericht - 16 UF 108/17 - vom 08.02.2017:
Der väterliche Wunsch nach einem Wechselmodell wird aufgrund fehlender Voraussetzungen, hier ein Mindestmaß an elterlicher Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit, sowie ein zweistelliges Alter des Kindes um die nötige Anpassungsleistung aufzubringen, durch das Jugendamt nicht geteilt.
"Das Jugendamt", das ist offenbar Herr Wendland, ganz so wie früher als wir noch Könige hatten und der König immer für das ganze Volk sprach, ohne es vorher um seine Meinung gefragt zu haben.
"Das Jugendamt Herr Wendland" gibt, grad wie sich das für einen König gehört, natürlich keine Begründung für seine zwei Behauptungen, sondern setzt sie wie Axiome in der Mathematik als nicht zu beweisende Feststellungen in die Welt. Genau so gut hätte er auch feststellen können, die Sonne dreht sich um die Erde, wie das jahrhunderte lang von der christlichen Kirche behauptet wurde. Jeder, der behauptete, die Erde drehe sich um die Sonne, wurde als Ketzer verdammt und landete in der Regel auf dem Scheiterhaufen. Dies ist nun heute nicht mehr der Fall, jeder darf in Deutschland eine Meinung haben und diese als unumstößliche Wahrheit ansehen, so lange er nicht gegen das Strafrecht oder sonstige Einschränkungen der Meinungsfreiheit, wie etwa die sogenannten Persönlichkeitsrechte verstößt.
So darf man also auch behaupten, die Sonne drehe sich um die Erde oder:
Der väterliche Wunsch nach einem Wechselmodell wird aufgrund fehlender Voraussetzungen, hier ein Mindestmaß an elterlicher Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit, sowie ein zweistelliges Alter des Kindes um die nötige Anpassungsleistung aufzubringen, durch das Jugendamt nicht geteilt.
Man darf man in der Öffentlichkeit allerdings z.B. nicht behaupten, Herr Wendland wäre homosexuell, heterosexuell oder asexuell, da die sexuellen Neigungen eines Menschen zu dessen Privatsphäre gehören und man darüber ohne Zustimmung der Person nicht ungehindert in der Öffentlichkeit berichten darf, darüber wachen die eigens eingerichteten Zensurkammern an den Landgerichten und Oberlandesgerichten. Da wir über die sexuellen Neigungen von Herrn Wendland aber ohnehin nichts wissen, kann es uns zum Glück auch nicht passieren, dass wir darüber berichten könnten.
Neben seinen beiden unbewiesenen Behauptungen gerät Herr Wendland zu allem Überflusss noch in eine argumentative Schieflage, denn es gibt kein Gesetz, nach dem es dem Gericht nicht möglich wäre, ein Wechselmodell anzuordnen, auch wenn:
... ein Mindestmaß an elterlicher Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit, sowie ein zweistelliges Alter des Kindes um die nötige Anpassungsleistung aufzubringen,
nicht gegeben sein sollte. Einziges Kriterium für das Gericht ist das sogenannte "Kindeswohl". Was das Kindeswohl aber konkret ist, hängt immer von denen ab, die darüber zu bestimmen haben.
Zudem schweigt sich Herr Wendland auch noch darüber aus, von welchem "Mindestmaß an elterlicher Kooperations- und Kommunikationsfährigkeit " er redet und wie man ein solches "Mindestmaß", wenn es dies den gegen sollte, misst. Mit dem Zollstock wird es wohl nicht gehen. Früher, beim König, gab es das sogenannte Gardemaß, wer das nicht erreichte, konnte nicht in der königlichen Garde dienen. Es scheint naheliegend, dass Herr Wendland bei einer solch wackligen Argumentation keine Aufnahme in die königliche Garde erfahren hätte.
Ein Kind braucht ein Zuhause - die fixe Idee vom Lebensmittelpunkt des Kindes
Kind radelt auf Autobahn
Aitrach (AZ) - Aus Sehnsucht nach seinem von der Mutter getrennt lebenden Vater hat ein neunjähriger Junge aus Aitrach (Baden-Württemberg) eine gefährliche Reise unternommen. Mit seinem Fahrrad war er auf der Autobahn 96 in Richtung Lindau unterwegs, wie die Polizei am Mittwoch mitteilte.
Ziel war eine mehr als 100 Kilometer entfernte Gemeinde im Landkreis Konstanz. Mehrere besorgte Autofahrer hatten die Polizei alarmiert. Zufällig war bereits eine Streifenbesatzung auf den kleinen Radler aufmerksam geworden.
In welche Gefahr er sich begeben hatte, war dem Neunjährigen nicht bewusst. Den Heimweg durfte er im Polizeiauto zurücklegen.
15.10.2008
"Den Heimweg durfte er im Polizeiauto zurücklegen." heißt es in dem Zeitungsbericht. Doch wo ist das Heim des Kindes? Nach Zeitungsdefinition offenbar bei der Mutter, nach der Definition des Kindes offenbar gerade nicht bei der Mutter, sondern beim Vater. Das erinnert ein wenig an die Geschichte bei Pippi Langstrumpf, als zwei Polizisten zur Villa Kunterbunt kommen und Pippi abholen wollen, um sie auf Veranlassung des Jugendamtes in ein Kinderheim zu bringen. Pippi sagt den Polizisten, sie würde doch schon in einem Kinderheim wohnen, woraufhin die verduzten Polizisten fragen, wo denn dieses Kinderheim wäre. Pippi antwortet: Ich bin ein Kind und das (die Villa Kunterbunt) ist mein Heim, also wohne ich im Kinderheim. Solcherart aufgeklärt zogen die Polizisten, ohne Pippi mitzunehmen, wieder ab.
Doch im realen Leben ist das nicht ganz so einfach, denn hier regiert nicht die vertrottelte schwedische Dorfpolizei, sondern der mit einem Nürnberger Trichter gefütterte Diplom-Psychologe, nach dessen Sorgerechtskriterien Pippi Langstrumpf auf Grund ihrer Renitenz in ein geschlossenes Kinderheim gehören würde.
So gab es - es ist nicht all zu lange her - einmal einen Psychologen, wir wollen ihn hier Herrn Nadelöhr nennen, der sich die alte Anschauung, nach der die Erde im Mittelpunkt der Welt stünde und von der Sonne und den anderen Sternen umkreist würde, zu eigen gemacht hatte. Da dieser Psychologe außer auswendig lernen psychologischer Glaubenssätze noch nichts von Bedeutung vollbracht hatte, meint er, er müsse nun endlich einmal etwas wichtiges sagen und so erfand er die Theorie vom Lebensmittelpunkt des Kindes, einer fixen Idee, der sich in der Folge - wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleider - unzählige andere Psychologen und Juristen begeistert anschlossen, denn nun war endlich eine einfache Erklärung der Welt des Kindes gefunden, mit der man fortan Entscheidungen des Familiengerichtes in schneller Abfolge treffen konnte, ohne sich Gedanken machen zu müssen ob diese auch die richtigen gewesen seien, denn man hatte ja nun die Wahrheit gepachtet, nach der ein Kind "ein zu Hause" haben müsse, nicht aber zwei oder gar drei und vier.
Nach dieser, die Welt der Familiengerichtsbarkeit bis in den letzten Winkel von Oberbayern nachhaltig beeinflussenden Theorie, braucht das Kind für sein Wohlbefinden, auch Kindeswohl genannt, einen Punkt, geometrisch also ein Objekt ohne Ausdehnung, der genau in der Mitte seines Lebens liegt. Wo aber findet man nun diesen vermeintlich vorhandenen Lebensmittelpunkt des Kindes oder wie bestimmt man ihn?
In der Geometrie bei einem Kreis ist dies recht einfach:
Ein Kreis ist definiert als Menge (geometrischer Ort) aller Punkte der euklidischen Ebene, deren Abstand von einem vorgegebenen Punkt M gleich einer festen positiven reellen Zahl r ist. Der Kreis ist also die Ortslinie aller Punkte mit dieser Eigenschaft.
Der konstante Abstand r wird als Radius des Kreises bezeichnet, der Punkt M als Mittelpunkt. Der doppelte Radius heißt Durchmesser und wird zumeist durch die Variable d ausgedrückt.
Der Mittelpunkt des Kreises hat also zu jedem einzelnen der unendlich vielen Punkte die den Kreis bilden den selben Abstand r. Der Kreis ist ein zweidimensional gedachtes Objekt, die Kugel, die ebenfalls einen Mittelpunkt besitzt, dagegen ein dreidimensionales Objekt.
Während ein Kreis und eine Kugel definitionsgemäß einen Mittelpunkt haben, ist dies bei einer Ellipse, einem Rechteck, einem Fünfeck, einem Würfel oder einem kartoffelähnlichem Objekt nicht der Fall. Wenn aber schon diese starren geometrischen Objekte keinen Mittelpunkt haben, um wie viel weniger dann der sich dynamisch entwickelnde Lebensraum eines Kindes?
Man könnte nun meinen, durch die Auswechslung des Begriffes vom Lebensmittelpunkt mit dem des Lebensschwerpunktes wäre das Problem vielleicht behoben.
Im Sinne der klassischen Mechanik ist der Schwerpunkt der Punkt, an dem die Masse des Körpers die gleiche Wirkung auf andere Körper hätte, wenn sie in diesem Punkt vereint wäre. Umgekehrt kann man die Gravitation, die auf alle Massenpunkte des Körpers wirkt, durch eine einzige Kraft darstellen, die im Schwerpunkt angreift.
...
Ist ein Körper homogen, besteht er also aus einem Material, das überall die gleiche Dichte hat, so entspricht sein Massenmittelpunkt und damit näherungsweise auch sein Schwerpunkt dem geometrischen Volumenschwerpunkt, der weiter unten erklärt wird. Besteht der Körper aus Teilen verschiedener Dichte, kann der Massenmittelpunkt vom Volumenschwerpunkt abweichen. Wenn die Verteilung der Dichte innerhalb des Körpers bekannt ist, kann der Massenmittelpunkt durch Integration berechnet werden. Dies war der Anlass, aus dem Isaac Newton die Infinitesimalrechnung entwickelte (gleichzeitig mit Leibniz).
http://de.wikipedia.org/wiki/Schwerpunkt
Nun ist es allerdings schon hinreichend kompliziert den Schwerpunkt eines unregelmäßig geformten statischen Körpers mittels Infinitesimalrechnung zu ermitteln. Um wie viel schwerer, wenn überhaupt ermittelbar, ist es dann idealen Lebensschwerpunkt eines Kindes zu ermitteln, den es prinzipiell zwar gibt, der sich aber auf Grund des n-dimensionalen dynamischen Raumes, in dem das Kind lebt, praktisch nicht bestimmen lässt.
Dass unzählige Sozialarbeiter, Verfahrensbeistände, Gutachter und Familienrichter dennoch meinen für diese prinzipiell unlösbare Aufgabe eine richtige Lösung parat zu haben, verblüfft dann doch. Nächstens wird noch behauptet, man habe den Stein der Weisen gefunden oder die Quadratur des Kreises gelöst.
Betreuungswechsel im Paritätmodell
Kinder lernen im Laufe ihrer Entwicklung in der Regel verschiedene Betreuungssituationen kennen. Vom Baby, zum Kleinkind, vom Kleinkind zum Vorschulkind, vom Vorschulkind zum Grundschulkind, etc. pp. Das Betreuungsmodell ändert sich ständig und auch die Betreuungspersonen Mutter, Vater, Oma, Opa, Kindergärtnerin, Lehrerin, etc.) wechseln.
Auch im sogenannten Residenzmodell findet ein Wechsel der betreuenden Personen (Mutter und Vater) und zumeist auch ein Wechsel des Kindes vom Haushalt A zum Haushalt B statt. Niemand außer christliche Fundamentalisten, käme auf die Idee, darin etwas verwerfliches zu sehen.
Letztendlich geht es bei der Entwicklung des Kindes nicht darum, Betreuungswechsel , sondern Überforderungen des Kindes zu vermeiden, um dem Kind die Möglichkeit zu geben, ein Gefühl von Sicherheit und Einbettung zu erfahren.
Dies kann durchaus auch bei einem wöchentlichen Wechsel des Kindes vom Haushalt der Mutter in den Haushalt des Vaters sichergestellt werden.
Pro Paritätmodell
Die Zahl der Fachkräfte, die das Paritätmodell für praktikabel ansehen, ist offenbar steigend.
Beispiel 1
Die Diplom-Psychologin Sabine Thal meint, dass die Etablierung des Partitätmodells bei einem zum Zeitpunkt der Begutachtung beim Vater lebenden knapp zweijährigen Kind denkbar wäre, sobald der Vater u.a. eigene Anteile an der Gesamtsituation bezogen auf das Kind entdeckt hätte.
Bis dahin empfiehlt die Diplom-Psychologin Sabine Thal jedoch erst einmal den Wechsel des Kindes aus dem väterlichen Haushalt in den Haushalt der Mutter.
Diplom-Psychologin Sabine Thal, Gutachten vom 03.07.2009 für Amtsgericht Potsdam - 42 F 208/08
Beispiel 2
Die Diplom-Psychologin Dr. Anne Huber empfiehlt in ihrem (GWG) Gutachten vom 30.10.2009 für das Amtsgericht Tempelhof/Kreuzberg die Etablierung eines Paritätmodells bei einem sieben und dreijährigen Geschwisterpaar.
"A sollte aus sachverständiger Sicht ab sofort eine Woche beim Vater und eine Woche bei der Mutter wohnen.
...
B beginnt nach den Schulsommerferien 2010 mit dem Wechselmodell."
Diplom-Psychologin Dr. Anne Huber, Gutachten vom 30.10.2009 für das Amtsgericht Tempelhof/Kreuzberg. S. 77
Allerdings hatte das Gericht die Gutachterin gar nicht danach gefragt, ob ein Paritätmodell eingerichtet werden sollte, sondern "welche Umgangsregelung im Interesse der Kinder angezeigt erscheint". Das Paritätmodell ist aber kein Umgangsmodell, sondern ein Betreuungsmodell.
Übermut tut selten gut
Während auf der einen Seite ewiggestrige Verfechter/innen der Lehre "Das Kind braucht einen Lebensmittelpunkt" das Paritätmodell als teuflisches Werk verdammen, scheint man auf der anderen Seite den Bogen pro Paritätmodell doch etwas zu überspannen.
Beispiel 3
Die Diplom-Psychologin Dr. phil. Dorit Schulze vom sogenannten „Institut für Rechtspsychologie Halle“ schlägt dem Amtsgericht Dresden in einem 100-seitigen Gutachten vom 27.06.2003 die Etablierung eines Wechselmodells für ein 3-jähriges Mädchen im 14-Tagesrythmus zwischen den Hunderte Kilometer entfernten Wohnorten der Eltern vor.
Amtsgericht Dresden - Richter Hartel - Geschäftsnummer: 304 F 01476/02, als Gutachterin beauftragt: Diplom-Psychologin Dr. phil. Dorit Schulze vom sogenannten „Institut für Rechtspsychologie Halle“, Gutachten vom 27.06.2003
Beispiel 4
Die Diplom-Psychologin Dr. Anne K. Liedtke vom sogenannten „Institut für Rechtspsychologie Halle“ schlägt dem Gericht die Einrichtung eines Wechselmodells vor, bei der der knapp dreijährige Sohn zweiwöchig „vom Haushalt der Kindesmutter zum Haushalt des Kindesvaters“ wechseln soll, wobei der Junge „in die jeweiligen Kindereinrichtungen“ integriert werden soll. Das Kind soll nach den Vorstellungen der Diplom-Psychologin Dr. Anne K. Liedtke also nicht nur zwischen den 475 Autokilometer entfernten Wohnorten der Eltern, ... und ... pendeln, sondern sich auch noch in zwei 475 Autokilometer entfernten Kindergärten mit den jeweils verschiedenen Kontexten integrieren. Ebenso hätte die Diplom-Psychologin Dr. Anne K. Liedtke sicher auch vorschlagen können, das Kind solle den ganzen Tag Purzelbaum schlagen, um so den Konflikt seiner Eltern zu vergessen oder aus dem Wege zu gehen.
86-seitigen Schriftstück der Diplom-Psychologin Dr. Anne K. Liedtke vom 22.06.2009 mit dem Titel "Familienpsychologisches wissenschaftlich-fundiertes Gutachten“
Amtsgericht Weißenfels - Richterin Frau Zahn - Geschäftsnummer: 5 F 43/08 SO
Verfahrenpfleger/in: Rechtsanwältin Bulach
Kontra Paritätmodell
Der eine Hü, der andere Hott, so auch beim Paritätmodell, während die Diplom-Psychologinnen Dr. phil. Dorit Schulze und Dr. Anne K. Liedtke empfehlen, das Paritätmodell über mehrere Hundert Kilometer praktizieren wollen, warnen die anderen - trotz eingestandener fehlender Forschungsergebnisse - vor den angeblich negativen Folgen des Paritätmodells.
Beispiel
Zwei getrennt lebende Eltern praktizieren seit Oktober 2007 das Paritätmodell. Mit Beschluss vom 22.09.2009 setzt die zuständige Richterin am Amtsgericht Pankow/Weißensee die Diplom-Psychologin Monika Hosemann als Gutacherin ein.
In ihrem Gutachten vom 06.08.2009 schreibt Frau Hosemann:
"Das Wechselmodell erscheint dauerhaft nicht geeignet, das Kindeswohl zu realisieren. Obwohl die Forschung hierfür noch keine gesicherten Ergebnisse geliefert hat, so zeigen das rechtspsychologische Fachwissen und die Erfahrung, dass Kinder einen festen Lebensmittelpunkt benötigen, wo sie sich zu Hause und geborgen fühlen können.
Diplom-Psychologin Monika Hosemann, Gutachten vom 06.08.2009 für Amtsgericht Pankow/Weißensee - 19 F 6511/08, S. 28
Das erinnert ein wenig an den sarkastischen Spruch, der während des 2. Weltkriegs in Deutschland kursiert sein soll:
Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Marmelade Fett enthält.
Wir wissen inzwischen, dass dieser Spruch auf den Reichspropagandaminister Dr. Goebbels und seine Propagandakolonnen bezogen war, der die Deutschen davon ablenken wollte, dass trotz der Ausplünderung der besetzte europäischen Gebiete die Versorgungslage in Deutschland immer prekärer wurde. Und wenn man nicht mehr weiter weiß, schickt man "die Wissenschaft" ins Rennen, freilich ohne genauere Angabe wer, was, wann und wo herausgefunden haben will.
Im übrigen erscheint in vielen Fällen auch das Residenzmodell "dauerhaft nicht geeignet, das Kindeswohl zu realisieren", wie man an vielen Kindern sehen kann, die zwar im Residenzmodell aufwachsen aber dennoch unglücklich und verhaltensgestört sind.
Damit die verfahrensführende Richterin aber nicht auf falsche Gedanken kommt, schiebt Frau Hosemann noch etwas kryptisch nach:
"Es liegt im Interesse des Kindes, dass es in Zukunft bei der Mutter lebt..
...
Der enge Bezug zur väterlichen Familie sollte dabei nicht vernachlässigt werden. Gleichwohl erscheint es notwendig, dass A zunächst Gelegenheit erhält, die Umstellung für sich zu bewältigen, ohne durch ausgedehnte Kontakte verunsichert zu werden." (S. 29)
Das erinnert an den damals beliebten Entsorgungsspruch aus den 80-er Jahren des vorigen Jahrhundert: Das Kind soll endlich zur Ruhe kommen. Nur dass hier kein Umgangsausschluss empfohlen wird, sondern nur die Vermeidung "ausgedehnter Kontakte", was immer man darunter auch verstehen mag.
Paritätmodell trotz gestörter Kommunikation der Eltern?
Zu den von Fachkräften gern gepflegten Vorstellungen gehört auch der Glaubensatz, das Paritätmodell könne nicht funktionieren wenn die Eltern Schwierigkeiten in der gemeinsamen Kommunikation hätten. Näher erläutert wird das in der Regel nicht, Glaubenssätze funktionieren bekanntlich auch so.
Beispiel
"Ein Wechselmodell kann jedoch mit Blick auf eine gesunde Entwicklung der Kinder nur dann funktionieren, wenn die Eltern gewillt und in der Lage sind engmaschig, zuverlässig und wertschätzend miteinander zu kommunizieren. In allen anderen Fällen fallen die Kinder noch einmal aus dem Nest, welches sie durch die Trennung der Eltern ohnehin schon verloren haben."
Diplom-Psychologin Auguste Dormann, Gutachten vom 05.03.2011 für Amtsgericht Hanau - 60 F 855/09, S. 44
Hier wimmelt es in zwei Sätzen nur so von Behauptungen, Spekulationen und Mystifikationen der heilen Familie. Die heile Familie ist die Familie vor der Trennung, so wohl Frau Dormann. Grad so als ob es nicht genügend Kinder gäbe, die aus nicht getrennt lebenden Familien stammen und dennoch erhebliche Störungssymptomatiken entwickelt haben.
Wissenschaftliche Untersuchungen, die die Richtigkeit ihrer Behauptungen belegen, gibt Frau Dormann - so weit zu sehen - nicht an. Im Gutachten findet man nicht einmal eine Literaturliste, die zumindest die Tendenz erkennen lassen könnte, dass es sich bei den Thesen von Frau Dormann nicht nur um ihre private Meinung handelt.
Wenn es denn so wäre, wie Frau Dormann behauptet, dann hätte der Gesetzgeber den apodiktisch formulierten Satz wohl schon längst zum Gesetz erhoben. Dann wäre auch klar, dass Eltern beim Familiengericht gar keine Anträge mehr stellen dürften, wenn sie die Dormansche Vorgabe nicht erfüllen. Frau Dormann kreiert hier auch ein Vetomodell, denn nach ihrer Auffassung reicht es aus, wenn ein Elternteil nicht "gewillt" ist, "engmaschig, zuverlässig und wertschätzend miteinander zu kommunizieren" und schon wäre das Paritätmodell obsolet.
Wieso Eltern "engmaschig" miteinander kommunizieren sollen, bleibt schleierhaft, schließlich zeichnen sich getrennt lebende Eltern in aller Regel ja gerade dadurch aus, dass sie eben nicht am Abend gemeinsam darüber sprechen wie der Tag war und was in Bezug auf die Kinder gerade relevant sei.
Frau Dormann behauptet dann noch, die Kinder wäre durch die Trennung ihrer Eltern aus dem Nest gefallen, nun da postuliert Anita Heiliger aus Hinterbayern ganz andere Ideologien, "Alleinerziehen als Befreiung" heißt ihr quantenspringendes Werk aus dem Jahr 1997
Anita Heiliger: Alleinerziehen als Befreiung"; Centaurus, Pfaffenw.; Auflage: 2. A. (Juli 1997)
Wem soll man hier nun glauben. Anita, der Übermutter aller "Alleinerziehenden" aus München oder der guten Auguste aus Darmstadt, die sich um das Nestgefühl unserer Kleinsten so rührend sorgt.
Paritätmodell gegen den Willen eines Elternteils?
Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch zu der Frage, ob ein Paritätmodell gegen den Willen eines Elternteils praktiziert werden sollte (siehe hierzu auch die Diskussion im Arbeitskreis 3 "Kosten und Nutzen des Wechselmodells - psychologische und juristische Aspekte" beim 16. Deutschen Familiengerichtstag in Brühl am 15.09.2005).
Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Eltern sich trennen und die Eltern unterschiedliche Ansichten über die zukünftige Form der Betreuung haben. Können sich die Eltern in der Frage des Betreuungsmodells nicht einigen, können sie sich zur eventuellen Klärung dieser strittigen Frage an das Familiengericht wenden.
Das Gericht hat sich nach § 1697a BGB am Kindeswohl als allgemeinen Prinzip zu orientieren. Es soll, "soweit nichts anderes bestimmt ist", diejenige Entscheidung treffen, "die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht."
Dies heißt also, dass es kein allgemein gültiges Prinzip gibt, dass es verhindern würde, ein Paritätmodell auch dann gerichtlich anzuordnen, wenn ein Elternteil dies nicht möchte. Voraussetzung für eine solche Anordnung ist lediglich, dass mit dieser eine dem Kindeswohl förderliche Regelung gefunden ist. Dies ist im Einzelfall immer zu prüfen, ein einseitiges Vetorecht eines Elternteils gegen das Paritätmodell gibt es also nicht. Auch die pauschale Behauptung von der Ungeeignetheit des Paritätmodells bei geäußerter Ablehnung durch einen Elternteil wirkt sich nicht automatisch dahingehend aus, dass das Paritätmodell zwingend auszuschließen wäre.
Wenn Vater und Mutter in der Beziehung zu ihren Kindern als gleichwertig eingeschätzt werden können, also keine Regelung an Hand etwaiger Kriterien wie fehlende Bindungstoleranz oder Einschränkung der Förderungskompetenz getroffen werden kann, muss das Gericht letztlich die Frage untersuchen, ob in dem konkreten Fall das Paritätmodell oder das Residenzmodell dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Nun kommt häufig die vorschnelle Antwort vermeintlicher Experten, dass das Paritätmodell nicht dem Kindeswohl entsprechen würde.
vergleiche hierzu z.B.:
Ingeborg Rakete-Dombek: "Das `Wechselmodell´" und die Folgen für wen auch immer", In: "Forum Familien- und Erbrecht", 1/2002, S. 16-18
Dass die Vorstellungen der "Experten" nicht immer die bestmögliche Lösung eines Problems oder Konfliktes darstellen, ist kein Geheimnis. So wird einem z.B. alle Jahre wieder ein anderer wissenschaftlich untersuchter Hinweis gegeben, wie man seinen Rücken schonen sollte. Nach 10 Jahren erfahren wir dann, dass es doch nicht so günstig sein, wie man ursprünglich empfohlen hat.
Auch auf einem anderen Feld, dem der Paarbeziehung, sehen wir die Gefahr normativer Vorgaben. Die Orientierung und das Festhalten am gesellschaftlichen Idealen, wie eine Beziehung und Partnerschaft aussehen sollte, so. z.B. lebenslange Treue (vgl. Mary Michael: "5 Wege die liebe zu leben", Hoffman und Campe, 2002) ist oft ein wesentlicher Grund, warum sich Mann und Frau in Partnerschaften überfordern und in der Folge diese Partnerschaften zerbrechen. Sind Kinder dabei, verlagert sich dann häufig der ungelöste Konflikt und die unerlöste Sehnsucht der Partner auf das "Kampffeld" Kind.
Bei der Beurteilung der Alternativen Residenzmodell versus Paritätmodell ist ähnliches bezüglich Idealen und Normvorstellungen zu sehen.
Das Paritätmodell dürfte in bestimmten Fällen ein sinnvolles Betreuungsmodell für die getrennt lebenden Eltern und ihre Kinder sein. So behält jeder Elternteil wesentliche Aufgaben und wird nicht, wie bei Residenzmodell zum Besuchsvater oder zur Besuchsmutter. Jeder Elternteil hat eine Woche lang "volles Programm" mit den Kindern und in der anderen Woche "frei".
Für das Kind sind so trotz des Wechsels wichtige Lebensbereiche, Wohnviertel, Kindergarten und Schule konstant. Für viele Trennungseltern ist aber gerade die Zeit, wo die Kinder nicht bei ihnen sind, die schwierige Zeit, da sie dann auf sich selbst zurückgeworfen sind und sich ihren Lebenssinn nicht mit der ausschließlichen Betreuung der Kinder ausfüllen können. Dies macht häufig Angst, Müttern häufiger als Vätern, da Väter oft im Beruf eine Form der Identitäts- und Sinnsicherung haben, während es für Frauen auf dem Arbeitsmarkt tendenziell schwerer sein dürfte und sie sich wohl auch häufiger weniger über den Beruf, sondern mehr über Mutterschaft definieren.
Auch finanzielle Fragen dürfte für eine Ablehnung des Paritätmodell herangezogen werden, denn nun sind beide Elternteile prinzipiell in gleichem Maße für den Barunterhalt des Kindes verantwortlich. Bei engen finanziellen Verhältnissen der Eltern ist zu klären, inwieweit Wohngeldstelle und Sozialamt bereit ist, die aus dem Paritätmodell möglicherweise höheren Kosten zu übernehmen.
Dies ist neben dem ungelösten Partnerschaftskonflikt auch ein wesentlicher Grund für den Kampf ums Kind und die Ablehnung eines Paritätmodell.
Gebetsmühlen an deutschen Oberlandesgerichten
Dass die Rechtsprechung an den Oberlandesgerichten, am Bundesgerichtshof und am Bundesverfassungsgericht der Lebenswirklichkeit in aller Regel 20 Jahre hinterherhinkt, ist ein offenes Geheimnis und auch kein Wunder, denn an diesen Gerichten ist man in aller Regel erst ab dem 50 Lebensjahr tätig, mitunter schon Großmutter oder Großvater und hat also wesentliche Sozialiaations- und Erfahrungsinstanzen 20 Jahre vorher durchgemacht und ist dort oft geistig steckengeblieben.
So können Beschlüsse wie der des Oberlandesgerichtes Nürnberg kaum wundern, vielmehr sprechen sie für die geistige Trägheit der richterlichen Profession und auch am Bundesjustizminsterium scheint man sich dem Spruch "Unter den Talaren, Muff von tausend Jahren" in einer Art Nibelungentreue verpflichtet zu sehen.
Man kann meinen, den Richtern am 11. Zivilsenat - Familiensenat: Vorsitzender Richter am OLG Redel, Richter am OLG Kirchmeier, Richterin am OLG Dr. Zorn, Richter am OLG Beck fehlt es an einfachsten Kentnissen der Logik, denn es gibt überhaupt keinen logischen Zusammenhang zwischen Aussage A und Aussage B, die hier rein als Axiome, also in der Mathematik unbewiesene Behauptungen, aufgestellt und dann mit einander in einer Wenn-So-Verknüpfung präsentiert werden. Genau so unlogisch könnte der 11. Zivilsenat - Familiensenat auch behaupten:
Etwas vorsichtiger und weniger apodiktisch argumentiert völlig zu Recht das Oberlandesgericht München - 16 UF 10197/16 - Beschluss vom 31.08.2016 - veröffentlicht in FamRZ 24/2016 und nimmt sich damit aus der Schusslinie der Kritik, in die sich der 11. Zivilsenat - Familiensenat am Oberlandesgericht in seiner offensichtlichen Unbedarftheit gestellt hat.
Ähnlich unbedarft wie am Oberlandesgericht Nürnberg bewegt sich auch der 2. Familiensenat am Oberlandesgericht Thüringen - 2 UF 651/15 - Beschluss vom 07.04.2016 - veröffentlicht in FamRZ 24/2016 seiltänzerisch über dem familienrechtlichen Abgrund.
Selbst dem Kommentator in der FamRZ Stephan Hammer - Richter am Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (abgeordnet), ist der Gebetsmühlenvortrag vom OLG Nürnberg und OLG Thüringen dann wohl doch zu viel Suppenkaspervortrag: Meine Suppe ess ich nicht. So dass Herr Hammer nicht umhinkommt, festzustellen:
Recht hat er, der Herr Hammer und es ist ein Skandal, dass überhaupt an deutschen Gerichten ein Betreuungsmodell ausgeschlossen werden kann, nur weil es nicht mit den Schwarz-Weiß-Brillen der dort befassten Richter übereinstimmt. Letztlich läuft dies dann sogar auf eine Rechtsbeugung hinaus, denn §1607 a BGB stellt fest:
Soweit nichts anderes bestimmt ist, trifft das
Gericht in Verfahren über die in diesem Titel geregelten Angelegenheiten
diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen
Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der
Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Wenn nun aber das Wechselmodell - auch bei konflikthaften Verhalten der Eltern - dem Wohl des Kindes am besten entspricht, muss es selbsverständlich auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden können.
Nun wird wegen des Verdachts der Rechtsbeugung in Deutschland kaum ein Richter angezeigt, geschweige denn, dass die Staatsanwaltschaft - wie ausnahmeweise im Fall Görgülü - die Traute hat, Anklage zu erheben.
So werden wir wohl noch auf Jahrzehnte mit inkompetenten Richter leben, der gelernte DDR-Bürger wird es mit leichter Schulter nehmen, weil er Erfahrungen mit der Inkompetenz staatlicher "Würdenträger" hat, nur dass im Gegensatz zum großen Aufräumem bei der Abwicklung der DDR, kein bundesdeutscher Richter wegen erwiesemner Inkompetenz in den vorzeitigen Ruhestand abgeschoben werden wird, hier hat die BRD ein echtes Demokratiedefizit.
Gebetsmühlen am Berliner Kammergericht
Gebetsmühlenartig tragen konservative Richter/innen vor, man könne eine paritätische Betreuung nicht gegen den Willen eines Elternteils anordnen. Das ist natürlich genauso unsinnig, wie die Behauptung, man können keine Umgangsregelung gegen den Willen eines Elternteils anordnen oder diesem gegen seinen Willen das Sorgerecht nach dem - im übrigen verfassungswidrigen §1672 BGB - nicht entziehen.
"Im Rahme des derzeit geltenden Kindschaftsrecht kann nach der Rechtsprechung des Senats, ..., ein Wechselmodell vom Gericht jedenfalls nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden, und zwar weder durch eine Sorge- noch durch eine Umgangsregelung. Ein Wechselmodell setzt außerdem jedenfalls eine Konsensfähigkeit der Eltern und deren hohe Bereitschaft und Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation voraus. ..."
Vorläufiger Beschluss -
Kammergericht - 19 UF 177/14 - vom 28.01.2015 - Vorsitzende Richterin am
Kammergericht Tucholski, Richter am Kammergericht Hartung, Richter am
Landgericht Hartung
Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Marmelade Fett enthält, so witzelte man in der NS-Zeit, angesichts der im Krieg zunehmend prekären Versorungslage.
Angesichts der "Argumentation" des 19. Zivilsenat - Senat für Familiensachen beim Kammergericht möchte man aber nun gar nicht mehr witzeln, sondern lieber schreien.
Würde man das Kopfschütteln eines Elternteils als ausreichende Begründung zur Beendigung oder Ausschließung des Paritätmodells nehmen, so hätte der Gesetzgeber dies auch gleich mit einem entsprechenden Paragraphen im BGB verankern können, der dann so lauten könnte:
§1626 BGB (Phantasiefassung)
(4) Das Wechselmodell dient nur dann dem Wohl des Kindes, wenn auch beide Eltern dieses Modell wünschen. Ist ein Elternteil gegen das Wechselmodell, so hat das Familiengericht die Beibehaltung oder Herstellung des Wechselmodel in jedem Fall abzulehnen.
Wer sich bei solcher Rechtsakrobatik an den interessanten Aufsatz von Christine Knappert zum Thema "Kopfschütteln eines Elternteils" erinnert fühlt, liegt sicher nicht ganz falsch.
Christine Knappert: "Wenn ein Elternteil
nicht will, kann man nichts machen!? Welche Chancen bietet das neue
Kindschaftsrechtsreformgesetz für Jugendämter und Familiengerichte, der bisher
so erfolgreichen `Kopfschüttelstrategie` eines Elternteils ein Ende zu
setzen?"; In: "Kind-Prax", 2/1998, S. 46-49
Nun ist man allerdings auch beim 19. Zivilsenat am Kammergericht lernfähig und stellt im selben Verfahren im Beschluss vom 09.03.2016 fest:
Wenn der Gutachter ein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils empfiehlt
Wenn der Gutachter ein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils empfiehlt, dann hätte das Oberlandesgericht Nürnberg - 11 UF 1257/15 - Beschluss vom 08.12.2015 und das Oberlandesgericht Thüringen - 2 UF 651/15 - Beschluss vom 07.04.2016 ein echtes Problem, denn es müsste sozusagen klüger als der Gutachter sein, den es ja gerade deswegen beauftragt hat, weil es meinte, die erforderliche Sachkompetenz nicht zu haben.
Wenn nun also der vom Kammergericht als Gutachter beauftragte Diplom-Psychologe Uwe Schilling meint:
Hier würde nun den Richtern an den stockkonservativen Oberlandesgerichten Nürnberg und Thüringen die Haare zu Berge stehen, dass sich hier ein Gutachter erdreistet, schlauer sein zu wollen, als die von göttlichen Richtlinien durchflutenen Richtern am Oberlandesgerichten, fehlt nur noch die Stimme des Kindes, die feststellt, dass die Richter/innen am Oberlandesgericht Nürnberg und Thüringen nackt sind und keine neuen Kleider anhaben, sondern bestenfalls Kleider aus dem vorigen Jahrhundert, die bereits von Motten zerfressen sind.
Paritätmodell bei sogenannten "hochkonflikthaften" / "hochstrittigen" Trennungsfamilien
Es gibt einen einfachen Trick, wie man das Paritätmodell Fälle verhindern kann, der 16. Zivilsenat - Familiensenat beim Berliner Kammergericht hat hierfür eine "Handlungsanleitung" vorgegeben.
Bei hoher elterlicher Konfliktbelastung entspricht das paritätische Wechselmodell in der Regel nicht dem Kindeswohl (Leitsatzformulierung Peter Thiel).
Kammergericht - 16. Zivilsenat - Familiensenat - 16 UF 8/17
veröffentlicht in "Zeitschrift für das Gesamte Familienrecht", Heft 17/2017, S. 1409-1410.
Um als am Paritätmodell interessierter Elternteil nicht in die vom 16. Zivilsenat - Familiensenat beim Kammergericht aufgestellte Universalfalle zu tappen, empfiehlt es sich für diesen Elternteil, sich um Konfliktreduzierung zu bemühen, damit das Konfliktniveau niedrig bleibt und so die apodiktische Vorgabe des 16. Zivilsenates erfüllt ist. Das ist naturgemäß nicht leicht, denken wir nur an die Geschichte vom Suppenkasper bei Wilhelm Busch: "Nein, meine Suppe ess ich nicht". So ein Suppenkasper kann die gutmütigste Person in der Familie zum Wahnsinn, sprich in die Hochkonflikthaftigkeit treiben, da lauert dann auch schon der 16. Zivilsenat - Familiensenat beim Kammergericht mit seinem Totschlagargument und aus ist es mit der paritätischen Betreuung, die zwar schon im Grundgesetz Artikel 6 aufgezeigt ist, nicht aber bei Richtern, denen die Idee einer paritätischen Betreuung nach Trennung der Eltern dem Grunde nach suspekt ist.
In ähnlicher Weise wie hier vom 16. Zivilsenat bezüglich des Paritätmodell argumentiert, lief es früher auch bei der gemeinsamen Sorge ab. Da reichte die Verweigerung eines Elternteils und schon gab der Bundesgerichtshof grünes Licht für die Elternentsorgung mittels des verfassungswidrigen §1671 BGB. Das hat sich gottlob etwas gewandelt, die konservative auf Elternentsorgung bedachte Richterschaft kam nicht umhin, den geänderten gesellschaftlichen Rechnungen zu tragen und sich in moderateren Tönen zu üben. Nun bietet sich mit dem Partitätmodell noch einmal die Möglichkeit Elternselektion zu betreiben, wenn auch nicht mit der elterlichen Sorge, so doch wenigstens bei der "Zuteilung" von Betreuungszeiten.
Warum das Paritätmodell auch bei hochkonflikthaften Trennungsfamilien sinnvoll sein kann.
Nicht wenige sogenannter Fachkräfte oder Experten haben das Problem, dass sie nicht in der Lage sind über den Tellerrand der ihnen gewohnten Denkstrukturen hinaus zu denken.
Beispielhaft sei das am so genannten Neun-Punkte-Problem demonstriert.
Das Neun-Punkte-Problem
Das Neun-Punkte-Problem stellt ein typisch gestaltpsychologisches Untersuchungsparadigma dar. Die geforderte Leistung besteht darin, neun Punkte, die in der Form eines Quadrates angeordnet sind, mit vier geraden Strichen - ohne abzusetzen - zu verbinden.
o o o
o o o
o o o
Die Schwierigkeit bei der Lösung der Aufgabe besteht darin, sich von einer bestimmten vorgefassten und gewohnheitsmäßig gewordenen Wahrnehmung zu lösen, im Falle des Neun-Punkte-Problems von der Quadratwahrnehmung, einer Wahrnehmung, zu der nach Auffassung der Gestalttheorie das menschliche Individuum bei der Wahrnehmung der Punktekonfiguration tendiert. Erst wenn diese Wahrnehmung verändert ist, das Wahrnehmungsfeld also umstrukturiert wird, ist eine Möglichkeit zur Problemlösung geschaffen.
Gebetsmühlenartig tragen nun scheuklappenbesohlte "Fachkräfte", einschließlich Teile der Richterschaft vor, ein Paritätmodell könne vom Gericht nicht angeordnet werden, da dieses den Konsens der Eltern voraussetzen würde. Das ist natürlich der größte Blödsinn ist, denn das familiengerichtlich Verfahren zeichnet sich ja überhaupt dadurch aus, dass die Eltern keinen Konsens finden und das Gericht gerade deswegen aufgerufen ist, eine Regelung ihres strittigen Konfliktes zu finden.
Zum anderen wird behauptet, eine paritätische Betreuung könne nicht angeordnet werden, da ja das Kind ein "grundlegendes Bedürfnis nach gleichbleibenden und stabilen Lebensverhältnissen Lebensverhältnissen, betreffend des Erhalts der erzieherischen Kontinuität, des sozialen Umfeldes und der räumlichen Kontinuität" hätte, was selbstredend nur durch das Residenzmodell mit einem Lebensschwerpunkt bei einem Elternteil zu realisieren wäre. So trägt die am Amtsgericht Aachen als Gutachterin beauftragte Diplom-Psychologin Monika Milloth-Gaß vor:
"
... . Ein Kind hat ein grundlegendes Bedürfnis nach gleichbleibenden und stabilen Lebensverhältnissen, betreffend des Erhalts der erzieherischen Kontinuität, des sozialen Umfeldes und der räumlichen Kontinuität (Dettenborn & Walter, 2002). Eine Geschwistertrennung ist nicht mit dem Kindeswohl vereinbar, wenn eine enge Geschwisterbindung besteht (Salzgeber, 2005); die Geschwisterbeziehung kann als Ressource bei der Bewältigung des familialen Konflikts fungieren (Dettenborn & Walter, 2002). A`s negative Haltung gegenüber seiner Mutter und die Distanzierung von seinem Bruder nach dem Wechsel in den Haushalt des Vaters entspricht somit nicht seiner kindlichen Bedürfnislage, die Bindung zu seiner Mutter und die Geschwisterbeziehung in ihrer bisherigen Kontinuität fortführen zu können, sondern ist Ausdruck seines übermäßigen Loyalitätskonflikts und seiner erhöhten Parteinahme für seinen Vater ...Vor diesem Hintergrund wird eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter empfohlen.
...
Auf Grund der Befunde unter ... , wird empfohlen, das Sorgerecht auf die Mutter zu übertragen."
Diplom-Psychologin Monika Milloth-Gaß, Gutachten vom 07.06.2010 für das Amtsgericht Aachen - 228 F 341/09 - Richter Unger, S. 52/53
und empfiehlt dem Gericht bei dieser Gelegenheit auch gleich noch die Ent-sorgung des Vaters. Wie solch ein Aufruf zur Eltern-ent-sorgung mit den "Ethischen Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e.V. und des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V." zusammenpassen soll, in denen es heißt:
"Die Aufgabe von Psychologen ist es, das Wissen über den Menschen zu vermehren und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zum Wohle des einzelnen und der Gesellschaft einzusetzen. Sie achten die Würde und Integrität des Individuums und setzen sich für die Erhaltung und den Schutz fundamentaler menschlicher Rechte ein. Der Beruf des Psychologen ist seiner Natur nach frei.
http://www.bdp-verband.org/bdp/verband/ethik.shtml
das wissen - nebenbei bemerkt - wohl nur die Götter. Doch zurück zum Thema Paritätmodell. Die Diplom-Psychologin Monika Milloth-Gaß trägt vor:
"... . Ein Kind hat ein grundlegendes Bedürfnis nach gleichbleibenden und stabilen Lebensverhältnissen, betreffend des Erhalts der erzieherischen Kontinuität, des sozialen Umfeldes und der räumlichen Kontinuität (Dettenborn & Walter, 2002).
was in dieser Absolutheit schon einmal Unsinn ist und auch nicht davon besser wird, wenn Dettenborn und Walter dies so geschrieben haben sollten, denn selbstredend hat das Kind auch ein grundlegendes Bedürfnis nach Veränderung. Ein 6-Jähriger will nicht mehr an die Brust seiner Mutter angelegt werden - wenn doch, dann würde dies auf eine problematische, wenn nicht sogar missbräuchliche Mutter-Sohn-Beziehung hindeuten. Eine 14-Jährige will sich von ihrer Mutter oder ihrem Vater nicht wie eine 6-Jährige behandeln oder "erziehen" lassen. Zum anderen besteht Entwicklung eben auch darin, nicht immer in der selben Soße zu schwimmen, denn die Welt in der wir leben ist kein mittelalterliches Dorf, aus dem man Zeit seines Lebens nicht herauskommt. Kinder müssen auch erfahren dürfen, dass Leben auch sich verändern heißt.
Nun hat das Kind natürlich - wie auch der Mensch überhaupt - auch ein Bedürfnis nach Kontinuität. Das für Ideologiefragen zuständige SED-Politbüromitglied Kurt Hager brachte dieses Bedürfnis nach Kontinuität in einem mittlerweile legendären Satz zum Ausdruck:
Am 9. April 1987 gab Hager in einem Interview mit der bundesdeutschen Illustrierten Stern zu den Reformen Gorbatschows in der Sowjetunion die Antwort:
„Würden Sie, nebenbei gesagt, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?“
http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Hager
Das auch vorhandene Bedürfnis des Kindes nach Kontinuität steht nun aber oftmals im Widerspruch zu dem Bedürfnis der beiden Eltern, nach einer Trennung weiterhin für ihr Kind eine präsente Mutter, ein präsenter Vater zu sein.
Vergleiche hierzu:
Matthias Leder: "Elterliche Fürsorge - ein vergessenes soziales Grundmotiv"; In: "Zeitschrift für Psychologie"; 212 (1), 10-24, 2004
Dies ist selbstredend mit einer marginalisierten "Umgangsregelung" aller 14 Tage von Freitag bis Sonntag nicht zu haben. Daher passiert es oft, dass gerade engagierte Eltern vor Gericht erbittert um Betreuungszeiten streiten nicht weil sie den anderen so hassen - wie man vordergründig meinen könnte - sondern in ihrem starken Wunsch nach elterlicher Präsenz. Legt das Gericht nun in einem solchen Fall ein Residenzmodell fest, was den einen Elternteil bevorzugt und den anderen Elternteil benachteiligt, so ist der Elternkonflikt natürlich nicht gelöst, sondern im Gegenteil zum Status erhoben. Der Kampf der Eltern geht mehr oder weniger offen subtil weiter und endet dann auch nicht selten mit der vollständigen Ausgrenzung eines Elternteils. Das Kind kann in diesem Konflikt nur verlieren, entweder ist es einem ständig verdeckt oder offen aggressiven elterlichen Konfliktfeld ausgesetzt oder es verliert früher oder später einen Elternteil.
Anders dagegen beim Paritätmodell. Hier hat das Kind zwar im Einzelfall eine möglicherweise unbequemere Lebenssituation, die durch das Leben in zwei Haushalten bedingt ist, aber der Konflikt der Eltern ist womöglich beigelegt, denn nun kann jeder Elternteil - wenn auch in halbierter Zeit - die elterliche Fürsorge ausüben und muss sich nicht als Elternteil zweiter Klasse begreifen. Das Kind hat also zwei Eltern, statt einem "alleinerziehenden" Elternteil auf der einen und einem Elternteil, der als Pausenclown aller vierzehn Tage das Kind bespielt auf der anderen Seite.
Gebetsmühlen am Berliner Kammergericht
Gebetsmühlenartig tragen konservative Richter/innen vor, man könne eine paritätische Betreuung nicht gegen den Willen eines Elternteils anordnen. Das ist natürlich genauso unsinnig, wie die Behauptung, man können keine Umgangsregelung gegen den Willen eines Elternteils anordnen oder diesem gar das Sorgerecht nach dem - im übrigen verfassungswidrigen §1672 BGB - entziehen.
"Im Rahme des derzeit geltenden Kindschaftsrecht kann nach der Rechtsprechung des Senats, ..., ein Wechselmodell vom Gericht jedenfalls nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden, und zwar weder durch eine Sorge- noch durch eine Umgangsregelung. Ein Wechselmodell setzt außerdem jedenfalls eine Konsensfähigkeit der Eltern und deren hohe Bereitschaft und Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation voraus. ..."
Vorläufiger Beschluss -
Kammergericht - 19 UF 177/14 - vom 28.01.2015 - Vorsitzende Richterin am
Kammergericht Tucholski, Richter am Kammergericht Hartung, Richter am
Landgericht Hartung
Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Marmelade Fett enthält, so witzelte man in der NS-Zeit, angesichts der im Krieg zunehmend prekären Versorungslage.
Angesichts der "Argumentation" des 19. Zivilsenat - Senat für Familiensachen beim Kammergericht möchte man aber nun gar nicht mehr witzeln, sondern lieber schreien.
Würde man das Kopfschütteln eines Elternteils als ausreichende Begründung zur Beendigung oder Ausschließung des Paritätmodells nehmen, so hätte der Gesetzgeber dies auch gleich mit einem entsprechenden Paragraphen im BGB verankern können, der dann so lauten könnte:
§1626 BGB (Phantasiefassung)
(4) Das Wechselmodell dient nur dann dem Wohl des Kindes, wenn auch beide Eltern dieses Modell wünschen. Ist ein Elternteil gegen das Wechselmodell, so hat das Familiengericht die Beibehaltung oder Herstellung des Wechselmodel in jedem Fall abzulehnen.
Wer sich bei solcher Rechtsakrobatik an den interessanten Aufsatz von Christine Knappert zum Thema "Kopfschütteln eines Elternteils" erinnert fühlt, liegt sicher nicht ganz falsch.
Christine Knappert: "Wenn ein Elternteil
nicht will, kann man nichts machen!? Welche Chancen bietet das neue
Kindschaftsrechtsreformgesetz für Jugendämter und Familiengerichte, der bisher
so erfolgreichen `Kopfschüttelstrategie` eines Elternteils ein Ende zu
setzen?"; In: "Kind-Prax", 2/1998, S. 46-49
Nun ist man allerdings auch beim 19. Zivilsenat am Kammergericht lernfähig und stellt im selben Verfahren im Beschluss vom 09.03.2016 fest:
Anordnung eines paritätischen Betreuungsmodells durch das Familiengericht
Gelegentlich wird behauptet, das Familiengericht könne das Paritätmodell nicht anordnen.
So offenbar der 16. Zivilsenat - Familiensenat des Oberlandesgerichts Stuttgart - 16 UF 13/07 - Beschluss vom 14.3.2007.
Das ist natürlich Unfug oder auch Denkfaulheit, denn das Familiengericht soll bei Anhängigkeit eines Umgangs- oder Sorgerechtsverfahrens von Amts wegen die Entscheidung treffen, die dem Wohl des Kindes am besten dient. Wenn aber im konkreten Fall das Paritätmodell dem Wohl des Kindes am besten dient, dann muss auch eine gerichtliche Entscheidung möglich sein, dies herbeizuführen, bzw. abzusichern.
Dies stößt auch nicht auf rechtliche Probleme, wie manche Richter suggerieren, denn wenn das Gericht eine Umgangsregelung trifft, nach der das Kind in ähnlichem Zeitumfang, sowohl von dem einen als auch von dem anderen Elternteil betreut wird, dann ist der jeweilige Betreuungsumfang durch die beiden Elternteile auch geregelt. Worin da manche Juristen ein Problem sehen, erscheint schleierhaft. Vielleicht haben sie eine Rechenschwäche und können 4 Wochen nicht durch 4 dividieren.
Kommt es nach einer solchen hälftigen Regelung der Betreuungszeit zu nennenswerten Komplikationen oder sind diese schon vor Beginn zu befürchten, kann das Familiengericht bei Notwendigkeit auch beiden Elternteilen das Aufenthaltsbestimmungsrecht entziehen und insoweit Pflegschaft anordnen. Die Ausgestaltung und Zielstellung der Pflegschaft kann das Familiengericht in seinem Beschluss genauer darlegen.
Ein Sorgerechtsentzug mit Hilfe des antiquierten §1671 BGB ist hierfür nicht notwendig. Im Gegenteil, jeder unnötige Sorgerechtsentzug führt zu einer Abqualifizierung eines Elternteils, die die Eltern in Gewinner und Verlierer spaltet.
"Gegen den Willen eines Elternteils kommt die Durchsetzung eines Wechselmodells jedoch nicht in Betracht"
An manchen Orten wird behauptet, das Familiengericht könne das Paritätmodell nicht gegen den Willen eines Elternteils anordnen. Das ist genau so unsinnig, als wenn man meinen würde, der Deutsche Bundestag könne nicht gegen den Willen der Hälfte der Bevölkerung ein Gesetz verabschieden. Wer so denkt ist naiv oder unbedarft, denn die Beschlussfassung im Bundestag unterliegt nicht dem Vetorecht des deutschen Volkes.
Was in der Politik bestenfalls als naiv zu bezeichnen wäre und im Fall des Falles zu einer Verpflichtung führen würde, zwei Wochen politischen Unterricht bei der Bundeszentrale für politische Bildung in Anspruch zu nehmen, scheint in der Justiz Normalität zu sein. Hier macht man sich seine eigenen Gesetze, die von Oberlandesgericht zu Oberlandesgericht differieren. Mitunter streiten man sich an ein und dem selben Oberlandesgericht darum, wessen Wirklichkeit die wirklichste ist.
So trägt der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgericht vor:
Eine Beibehaltung des Wechselmodells, was jedenfalls dem ursprünglich geäußerten Wunsch des Kindesvaters entsprechen würde, kommt dagegen nicht in Betracht. Die Kindesmutter hatte dies ausdrücklich abgelehnt. Gegen den Willen eines Elternteils kommt die Durchsetzung eines Wechselmodells jedoch nicht in Betracht (Brandenburgisches Oberlandesgericht, FamRZ 2009, 1759), weil sich dies äußerst nachteilig auf das Kindeswohl auswirken würde.
Brandenburgisches Oberlandesgericht 1. Senat für Familiensachen
Entscheidungsdatum: 01.07.2010
Aktenzeichen: 9 UF 7/09
Die in der veröffentlichten Entscheidung ungenannten Herren und Damen und Richter des 1. Senat für Familiensachen am Oberlandesgericht Brandenburg beziehen sich in ihrer Entscheidung auf eine vorherige Entscheidung des am gleichen Gericht tätigen 2. Senat für Familiensachen - 10 UF 204/08 - vom 09.03.2009.
Brandenburgisches Oberlandesgericht 2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsdatum: 09.03.2009
Aktenzeichen: 10 UF 204/08
Ganz so, wie zu Zeiten Galileo Galileis, als der Hofastronom beim Vatikan Clavius, sich bei seiner Feststellung, die Sonne würde sich um die Erde drehen, auf Aristoteles bezog, um damit die Universalität seines apodiktischen Urteils zu untermauern
http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Leben_des_Galilei
ist es gottlob beim 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgericht nicht.
"Gegen den Willen eines Elternteils kommt die Durchsetzung eines Wechselmodells jedoch nicht in Betracht ... weil sich dies äußerst nachteilig auf das Kindeswohl auswirken würde" - so der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgericht.
Ob dem aber tatsächlich so ist oder nicht, kann nicht im Wege einer allgemeinen Volksbeglückung - nach dem Motto "Volksempfänger für alle" - festgestellt werden, auch dann nicht, wenn man das als Richter am Oberlandesgericht Brandenburg für seine staatsbürgerliche Pflicht hält.
Ob das Partitätmodell - auch gegen den Willen eines Elternteils - die für das Kindeswohl bessere Alternative ist oder nicht, kann immer nur im Einzelfall entschieden werden.
Beispiel
Während man am Oberlandesgericht Brandenburg offenbar meint, die Wirklichkeit an Hand der Heiligen Schriften interpretieren zu können, ist man andernorts in der Gegenwart angekommen.
So fragt Richter Linden am Amtsgericht Lünen in der Familiensache 13 F 265/11 in seinem Beweisbeschluss vom 18.11.2011 ergebnisoffen:
"... soll ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten eingeholt werden zu folgender Frage:
Dient es dem Kindeswohl am besten wenn A ihren dauerhaften Aufenthalt bei einem Elternteil hat, anstatt zwischen den Wohnungen der Eltern zu wechseln.
Falls ja, bei welchem Elternteil sollte A ihren dauernden Wohnsitz haben?
Zum Sachverständigen wird bestimmt:
Dipl.-Psych. Peter Czech, ...
Unsere drei wackeren Richter/innen vom 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgericht hätten sich die erste Frage gleich gespart, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, denn, so das Mantra:
Gegen den Willen eines Elternteils kommt die Durchsetzung eines Wechselmodells jedoch nicht in Betracht (Brandenburgisches Oberlandesgericht, FamRZ 2009, 1759), weil sich dies äußerst nachteilig auf das Kindeswohl auswirken würde.
Das Mantra des 1. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgericht hat natürlich auch die Anwaltschaft im fernen Lünen vernommen und so fragt eine Anwältin bei Richter Linden verwundert an:
Anwaltskanzlei ...
29. November 2011
In der Familiensache ...
13 F 265/11
erstaunt die Frage aus dem Beweisbeschluss vom 17.11.2011:
Dient es dem Kindeswohl am besten wenn A ihren dauerhaften Aufenthalt bei einem Elternteil hat, anstatt zwischen den Wohnungen der Eltern zu wechseln.
Zwischen den Eltern ist nach bisherigen Vortrag und den wechselseitigen Anträge unstreitig, dass das Wechselmodell aufgegeben werden soll.
Vielmehr stellt sich die Frage, ob aus Gründen des Kindeswohls der Erziehungseignung und -fähigkeit der Elternteile der Lebensmittelpunkt von A zukünftig beim Kindesvater oder bei der Kindesmutter sein soll.
Um eine entsprechende Abänderung des Beweisbeschlusses wird gebeten.
Den Namen der Anwältin wolle wir hier mal netterweise nicht nennen, man soll ja keine Schleichwerbung machen, wenn man von selbiger - aus Gründen des Urheberrechtes - nicht ausdrücklich darum gebeten wird. Auf Nachfrage der Anwältin holen wir die Namensnennung aber gerne nach.
Richter Linden gibt die richtige Antwort:
06.12.2011
...
In der Familiensache
hält das Gericht eine Abänderung des Beweisbeschlusses nicht für sachdienlich, da die Entscheidung des Gerichts in erster Linie dem Kindeswohl verpflichtet ist und erst in zweiter Linie den Wünschen und Vorstellungen der Eltern.
Recht hat er, Richter Linden, steht ja schon so im Bürgerlichen Gesetzbuch, das auch ein Anwalt kennen sollte.
§ 1697a Kindeswohlprinzip
Soweit nichts anderes bestimmt ist, trifft das Gericht in Verfahren über die in diesem Titel geregelten Angelegenheiten diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__1697a.html
Nun holt die Rechtsanwältin die Keule mit Namen Oberlandesgericht Brandenburg heraus:
"Es ist zu begrüßen, dass eine Entscheidung des Gerichtes in erster Linie dem Kindeswohl verpflichtet ist. Dies wurde auch diesseitig nicht bezweifelt.
Auf einschlägige Rechtsprechung zum Wechselmodell wird hingewiesen.
So hat das OLG Brandenburg (FamRZ 2011, S. 120), festgestellt, dass gegen den Willen eines Elternteils die Durchsetzung des Wechselmodells nicht in Frage kommt. ...
Das Brandenburger Mantra, "dass gegen den Willen eines Elternteils die Durchsetzung des Wechselmodells nicht in Frage kommt", kommt einem irgendwie bekannt vor. Ach richtig: Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Marmelade Fett enthält. Womit wir wieder bei der Frage wären, wie ernähre ich mich richtig, so dass es auch am Oberlandesgericht Brandenburg auf Zustimmung stößt.
Freilich ist eine Entscheidung für das Paritätmodell bei entgegenstehendem Interesses eines Elternteils - so wie alle Entscheidungen im Familienrecht - immer eine subjektive Entscheidung, da es im Familienrecht keine objektiven Entscheidungen gibt.
Aber einmal zu Grunde gelegt, alle Fachkräfte hätten ihr bestes getan, um die für das Kind mutmaßlich beste Betreuungsregelung zu finden und sie wären zu dem Schluss gekommen, dies wäre trotz entgegenstehenden Willens eines Elternteils das Paritätmodell , wie könnten dann Juristen so tun, als wären sie klüger als die pädagogisch und psychologisch geschulten Fachkräfte? Um einen solchen Konflikt möglichst zu vermeiden, zieht man sich als Richter in aller Regel nur die Fachkräfte heran, die die eigene Ideologie bestätigen. Und zum Glück für unsere häufig konservative Richterschaft sind nicht wenige psychosoziale Fachkräfte noch auf dem Stand der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts oder betätigen sich buckelnd in der Erahnung und Bedienung der Wünsche der sie beauftragenden Richter.
Beispiel:
Der als Gutachter beauftragte Diplom-Psychologe Kai Buchholz verwirft das Paritätmodell mit der Behauptung:
„... dass eine enge Kooperation und Bereitschaft der Eltern, keinen Lebensmittelpunkt für ein Kind festzulegen als Voraussetzung für eine dauerhaft kindeswohlorientierte Umsetzung zu sehen ist.“
Diplom-Psychologe Kai Buchholz, Gutachten vom 29.06.2009
Amtsgericht Bünde - 7 F 413/08, verfahrensführender Richter Stöckmann
Diese Behauptung ist natürlich unsinnig und erinnert an die früher beliebte Behauptung, Voraussetzung für die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge wäre, dass beide Eltern dies auch wollen.
So z.B. Ludwig Salgo:
Ludwig Salgo: "Zur gemeinsamen elterlichen Sorge nach Scheidung als Regelfall - ein Zwischenruf", In "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", Heft 8, 1996
Von einer vermeintlichen „Freiwilligkeit“
Artikel 6 Grundgesetz Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht
auch nach einer Trennung der Eltern Geltung zu verschaffen oder auch nicht, ist der Gesetzgeber mit der Kindschaftsrechtsreform von 1998 abgerückt. Seitdem soll die gemeinsame elterliche Sorge immer dann beibehalten werden, wenn dies dem Wohl des Kindes am besten dient. Ein Vetorecht des einen oder anderen Elternteils, so wie es vor 1998 gängige (Un)Rechtspraxis war, ist seitdem nicht mehr vorgesehen. Das Gericht kann also auch gegen den Willen eines Elternteils die gemeinsame Sorge als die für das Wohl des Kindes bestmögliche Sorgerechtsregelung belassen.
Wenn allein die fehlende Bereitschaft eines Elternteils für ein bestimmtes Betreuungsmodell dazu führen würde, dieses nicht zu praktizieren, könnten die Gerichtes sich ihre Beschlüsse sparen, mit denen sie die Alleinsorge eines Elternteils anordnen, denn selbstverständlich stimmt der ent-sorgte Elternteil in aller Regel seiner Entsorgung nicht zu. Nach der Logik des Diplom-Psychologen Kai Buchholz müsste dies dann regelmäßig dazu führen, dass die gemeinsame Sorge allein deshalb belassen wird, weil ein Elternteil nicht damit einverstanden ist, dass die gemeinsame Sorge aufgehoben und Alleinsorge eines Elternteils angeordnet wird.
Vergleiche hierzu:
Conen, Marie-Luise: "`Unfreiwilligkeit` - ein Lösungsverhalten. Zwangskontexte und systemische Therapie und Beratung"; In: "Familiendynamik", 1999, Heft 3, S. 296
Das Familiengericht soll in einem anhängigen Verfahren bezüglich der Aufteilung der Betreuungszeiten / Umgang durch die beiden getrennt lebenden Eltern, die Entscheidung treffen, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
§ 1697a BGB Kindeswohlprinzip
Soweit nicht anderes bestimmt ist, trifft das Gericht in Verfahren über die in diesem Titel (Anm.: §1626 bis 1698b) geregelten Angelegenheiten diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Hier wird klar, dass es keine Automatismus pro oder kontra einer paritätischen Betreuungs- oder Umgangsregelung geben kann. Dies gilt selbstverständlich auch für die Fälle, wo ein Elternteil eine paritätische Betreuung ablehnt. Aus einer solchen Ablehnung folgt kein Automatismus, dass das Gericht ein Paritätmodell abzulehnen hätte, denn auch eine vom Gericht gegen den Willen eines Elternteils angeordnete paritätische Betreuung kann im Einzelfall dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Ähnlich ist dies auch bei einer Umgangsregelung, wo der Wunsch eines Elternteils nach Umgangsauschluss für den anderen Elternteil das Gericht in keiner Weise bindet, diesem Wunsch des Elternteils zu folgen.
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat irrigerweise in einem Beschluss vom 14.03.2007 - 16 UF 13/07, veröffentlicht in "Das Jugendamt", 10/2007 erklärt, ein Wechselmodell könne familiengerichtlich nicht angeordnet werden. Die Begründung läuft im wesentlichen darauf hinaus, dass das Gericht bezüglich des strittigen Aufenthaltes das Bestimmungsrecht nur einem Elternteil zuordnen könne. Eine sorgerechtliche Regelung ist aber gar nicht von Nöten, um eine gerichtliche Festlegung des Paritätmodells herbeizuführen, denn das Gericht kann eine paritätische Umgangsregelung erlassen, bei der die gemeinsame elterliche Sorge in Gänze erhalten bleibt, wenn dies unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Für die Frage, welche Entscheidung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht, ist neben anderen Faktoren logischerweise auch das Bedürfnis des Kindes wichtig. Hat das Kind beispielsweise das stabiles Bedürfnis nach mehr Kontakt zu dem weniger betreuenden Elternteil so sollte dem entgegengekommen werden, wenn dem nicht andere wichtige Belange im Wege stehen.
Andererseits gibt es auch Fälle, in denen das Kind ein solches Bedürfnis nach mehr Kontakt zu dem anderen Elternteil nicht äußert und wo es dennoch sinnvoll sein kann, die paritätische Betreuung anzustreben oder wenigstens die bisherigen Umgangszeiten auszuweiten, so etwa bei einem überforderten oder leiblosen betreuuenden Elternteil.
Kinder äußern oft auch kein Bedürfnis in die Schule zu gehen und dennoch werden verantwortungsvolle Eltern dafür sorgen, dass das Kind die Schule besucht und gegebenenfalls mit den Lehrern der Schule sprechen, damit möglicherweise bestehende Anlässe für die Schulunlust des Kindes aus dem Weg geräumt werden.
Mythen
In Deutschland spielen bei der Beurteilung der Situation von Trennungsfamilien Mythen - also unhinterfragte und tradierte Vorstellungen eine große Rolle.
So z.B.:
1. Mythos: Ein Kind braucht ein zu Hause
2. Mythos: Geschwister sollen immer nur bei einem Elternteil aufwachsen. Motto: Keine Geschwistertrennung
3. Mythos: Ein Kind gehört zur Mutter
Für jeden Mythos finden sich begeisterte und unkritische Anhänger. Einer der ältesten Mythen, die sich bis heute erhalten haben ist z.B. der Mythos von der unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria. Die Neuzeit hat ihre eigenen Mythen, so z.B. von der Unsinkbarkeit der Titanic oder im Nationalsozialismus der Mythos von der unbesiegbaren Wehrmacht, der seit der Schlacht um Stalingrad als Mythos entlarvt war, was die nationalsozialistischen Gläubigen nicht darin hindert bis zuletzt an den Erfolg der "Wunderwaffe" zu glauben. Aus der DDR kennen wir den Mythos von der Partei, die immer Recht hat.
Der Mythos erfüllt wichtige menschliche Bedürfnisse, daher halten Menschen oft sogar bis zum eigenen Untergang an einem Mythos fest. So wurde in der Zeit der Perestroika in der DDR-Staatszeitung "Neues Deutschland" ein Gorbatschow feindlicher Aufsatz einer Leningrader Parteigenossin unter dem Titel "Ich kann meine Prinzipien nicht aufgeben" veröffentlicht, der, in der Überschrift und im Text wohl unbeabsichtigt, das starre Festhalten an einmal gelernten Deutungsmustern über die Welt zeigte.
Den Glauben an Mythen finden wir nicht nur bei Laien, bei denen man eine gewisse Gläubigkeit sicher entschuldigen kann, sondern auch bei Psychologen und anderen Fachkräften, von denen man in irriger Weise oft meint, sie würden sich rational und nicht irrational, denkend und nicht glaubend verhalten.
Solche als Mythen "internalisierten" Überzeugungen sind, so wie auch der Glauben von Paranoikern, dass sie verfolgt würden, oft sehr schwer aufzulösen. Dies trifft nicht nur auf christliche Gläubige zu, sondern auch auf viele Gläubige unter den Psychologen, Sozialpädagogen und sogenannten Gutachtern. Diese sind oft sehr resistent gegen andere Auffassungen, schließlich haben sie mehrere Jahre studiert und dabei gelernt, wie die Welt "wirklich ist".
vergleiche hierzu:
Schweitzer, Jochen: "Unglücklich machende Familienideale. Ihre Dekonstruktion in der Psychotherapie"; In: "Psychotherapeut", 2004, Heft 1, S. 15-20
Bei der Betreuung des gemeinsamen Kindes getrennt lebender Eltern werden in Deutschland verschiedene Modelle praktiziert.
I. Getrennt erziehende Eltern
Beide Eltern betreuen vor oder auch nach einer Trennung ihr gemeinsames Kind. Häufig wird in der öffentlichen Debatte übersehen, dass es nicht wenige Eltern gibt, die in einer Partnerschaft leben, aber nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Diese Eltern kann man daher gar nicht den klassischen Trennungsfamilien zuzählen, da sie sich als Paar und Eltern gar nicht getrennt haben.
Getrennt erziehende Eltern können ihre Kinder sowohl im sogenannten Residenzmodell als auch im Paritätmodell (Wechselmodell) betreuen. Leben die Kinder abwechselnd in zeitlich ähnlich oder gleichem Umfang bei beiden Elternteilen, so spricht man vom Wechselmodell. Hier sind Woche-Woche Regelungen denkbar, aber auch Zweiwochen-Zweiwochen Regelungen (07.01.05) oder auch 3 Tage/4 Tage Regelungen. Bei binationalen Eltern, die in verschiedenen Ländern leben auch eine Jahres-Jahres Regelung denkbar. Auch eine Betreuungsregelung im zeitlichen Verhältnis von 60:40 oder sogar 70:30 kann man sicher als Paritätmodell (Wechselmodell) bezeichnen, da hier beide Elternteile wesentlich zeitliche und praktische Verantwortung für die Betreuung ihres Kindes tragen.
Die Grenze zwischen Residenz- und Paritätmodell ist fließend. Es wäre unsinnig, wenn man das von der Zeitmessung mittels Stoppuhr abhängig machen würde. Zum Paritätmodell (Wechselmodell) kann man daher Regelungen zählen, die von einer strengen 50/50 Zeitverteilung bis zu einer 60/40 Regelung reichen. Wann das ganze in das Residenzmodell "kippt", ist letztlich eine Frage der persönlichen Ansicht. Gesetzliche Bestimmungen und Definitionen finden sich dazu nicht.
Das Paritätmodell kann man nun auch noch einmal hinsichtlich der Wechselfrequenzen unterscheiden. In der Praxis wird vermutlich am häufigsten eine Woche/Woche Regelung zu finden sein. Wenn der Wechsel in kürzeren Intervallen stattfindet, kann das z.B. so wie in dem einen mir bekannten Fall sein, wo die vier Kinder (10, 9, 7 und 5 Jahre ) Dienstag bis Mittwoch beim Vater sind, Donnerstag bis Freitag bei der Mutter und im 14-tägigen Wechsel sich die Kinder Samstag bis Montag bei jeweils einen Elternteil aufhalten.
Das Modell getrennt erziehender Eltern dürfte das in Deutschland überwiegend anzutreffende Betreuungsmodell sein, das vermutlich von ca. 80 Prozent aller nicht mit dem anderen Elternteil zusammenlebenden Eltern praktiziert wird. Die Betreuung des Kindes kann dabei in annähernd gleichem zeitlichem Umfang geschehen (Paritätmodell) oder auch so, dass ein Elternteil wesentlich mehr Betreuungsaufgaben als der andere übernimmt (Residenzmodell).
Die Begriffe Paritätmodell, Wechselmodell oder auch Doppelresidenzmodell kann man synonym verwenden. Dem Begriff des Wechselmodells haftet jedoch ein stigmatisierender Geruch an, das arme Kind muss dauernd wechseln. Man kann sich gleich emotional negativ an ein "Zigeunerlager" erinnert fühlen. Bei der deutschen nationalsozialistischen Vergangenheit und den nationalsozialistischen Verbrechen an den Zigeunern (Sinti und Roma), kann es nicht verwundern, dass es bei den Deutschen offenbar eine tiefeingewurzelte Abwehr gegen einen Wechsel gibt. So muss man sich dann auch nicht wundern, dass die DDR so lange Bestand hatte, ein Wechsel (Wandel) war schon lange überfällig, aber die emotionalen Beharrungskräfte und Ängste vor dem Neuen wirkten dem entgegen. Es musste erst zur Implosion des Staates DDR kommen, in deren Folge dann die weitgehend unkritische Übernahme des Staatsmodells der alten BRD stattfand.
Verwenden wir statt des Begriffes des Wechselmodells den des Doppelresidenzmodells, so bezeichnet dies das selbe Betreuungsmodell und bezieht jedoch sprachlich den Begriff beruhigender Kontinuität ein. Friedrich der Große lebte bekanntermaßen ein Doppelresidenzmodell, im Sommer lebte er im Schloss Sanssouci (ohne Sorgen) und in der kalten Jahreszeit in seinem Stadtschloss. Seine Ehefrau Elisabeth Christine von Braunschweig -Bevern hatte er allerdings in das Schloss Niederschönhausen ausquartiert, das ersparte den beiden wahrscheinlich den sonst üblichen Ehekrach, großes Interesse aneinander schienen die beiden auch nicht gerade zu haben, Friedrich II. kümmerte sich bekanntlich lieber um seine langen Kerls.
Beim Doppelresidenzmodell Paritätmodell / (Wechselmodell und beim Residenzmodell betreuen die Eltern in unterschiedlichen Zeitumfängen ihr gemeinsames Kind.
Das in Deutschland im Gegensatz zum Paritätmodell (Wechselmodell) traditionell favorisierte Residenzmodell ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kinder einen Lebensschwerpunkt bei einem der beiden getrennt lebenden Elternteil haben, juristisch gesprochen befinden sich die Kinder in dessen Obhut. Dies dürfte in der Praxis in ca. 85 Prozent der Fälle bei der Mutter sein. Die Kinder "besuchen" den anderen sogenannten "nichtbetreuenden Elternteil, also hier den Vater, meist im 14-tägigen Rhythmus. Mal von Freitag bis Montag, mal von Freitag bis Sonntag, mal von Sonnabend zu Sonntag oder auch nur an einen Tag ohne Übernachtung. In nicht wenigen Fällen ist der Kontakt des Kindes zum Vater allerdings auch mehr oder weniger vollständig abgebrochen.
Mütter können sich oft nicht vorstellen, mit dem Vater eine paritätische Betreuung der Kinder zu vereinbaren, obwohl Väter öffentlich oft dafür gescholten werden, dass sie angeblich keine Verantwortung für ihre Kinder übernehmen wollten. Die Praxis zeigt aber, dass es oft nicht nur an den Vätern, sondern auch an den die Betreuung der Kinder für sich beanspruchenden Müttern liegt, dass es zumeist zu einer traditionellen Form der elterlichen Betreuung im Residenzmodell kommt, bei der nach einer Trennung die Mutter die Hauptbetreuung des Kindes übernimmt.
II. Alleinerziehende Eltern
Alleinerziehende müssen oder wollen, so wie es der Name schon sagt, die Betreuung ihres Kind allein übernehmen. Der andere Elternteil steht also für die anteilige Betreuung des Kindes nicht zur Verfügung. Ein solcher Fall kann unfreiwillig eintreten, so z.B. wenn ein Elternteil gestorben ist oder sich ein Elternteil nicht mehr um sein Kind kümmert. Es kann aber auch möglich sein, dass der Kontakt des Kindes zum außerhalb lebenden Elternteil infolge stattgefundener Entfremdungsprozesse, so z.B. auch beim sogenannten PAS, zeitweilig oder dauerhaft durch den "alleinerziehenden" Elternteil unterbrochen ist. Bei nationalen und internationalen Kindesentführungen (Kindesentziehung) wird der entführende Elternteil auf rechtswidrige Weise zum alleinerziehenden Elternteil, solange bis die Entführung beendet ist und der vom Kindesentzug betroffene Elternteil sich wieder um die anteilige Betreuung des gemeinsamen Kindes kümmern kann oder die Eltern trotz der stattgefundenen rechtswidrigen Entführung ein Arrangement finden, wie sie zukünftig der Betreuungspflicht für ihr gemeinsames Kind nachkommen. Eine weitere Fallgruppe die das Alleinerziehen notwendig machen, tritt ein, wenn der andere Elternteil sich selbst seiner elterlichen Verantwortung entzieht.
Alleinerziehende Eltern, betreuen und erziehen das Kind allein oder fast ausschließlich allein. Gründe dafür sind z.B.
a) anderer Elternteil verstorben
b) anderer Elternteil uninteressiert an seinem Kind (emotionale Kindesvernachlässigung)
c) Ausgrenzung des außerhalb lebenden Elternteils durch den betreuenden Elternteil infolge von Umgangsvereitelung oder Elternentfremdung
d) anderer Elternteil will Kontakt zum betreuenden Elternteil vermeiden und bedient sich dazu des Kontaktabbruches zu seinem Kind
e) sonstige
Tatsächlich alleinerziehende Eltern machen nur schätzungsweise 20 Prozent aller Eltern aus, die nicht mit dem anderen Elternteil in einem Haushalt leben. Die meisten der sich als alleinerziehend bezeichnenden Eltern sind gar nicht allein erziehende, sondern getrennt erziehende Eltern. Dass sich bei Elternteilen dennoch so hartnäckig das Bedürfnis hält "alleinerziehend" sein zu wollen, hat zum einen mit dem (neurotischen) Bedürfnis nach Macht und alleinigem Zugriff auf das Kind (teils auch zur emotionalen Befriedigung des "alleinerziehenden" Elternteils) zu tun und zum anderen damit, dass der Staat "alleinerziehen" finanziell fördert. Und es ist eine bekannte Tatsache, dass dort wohin der Staat Subventionen fließen lässt, gleichzeitig auch Bedürfnisse dafür entstehen, die vorher so gar nicht da waren. So kann man sicher mit Recht sagen, dass der Staat durch seine Finanzpolitik tendenziell die Eltern auseinanderdividiert, anstatt Anreize dafür zu setzen, dass die Eltern auch nach einer Trennung ihrer gemeinsamen Verantwortung für ihr Kind nachkommen.
In der Bundesrepublik wird bisher nur das Residenzmodell und das Alleinerziehermodell staatlich gefördert. Über die Gründe kann spekuliert werden, möglicherweise gibt es auch ein staatliches Interesse, dass ein Elternteil sich vorrangig um die Finanzierung des Unterhaltes für die Kinder und der andere sich schwerpunktmäßig um die persönliche Betreuung der Kinder kümmern soll. Möglicherweise geht es aber auch nur um Konservierung traditioneller Geschlechterrollen, in der der Mann für das Geldverdienen zuständig ist und die Frau für die Kinderbetreuung.
So erhalten z.B. im Zusammenhang mit der Einführung des Arbeitslosengeld II ab 1. Januar 2005 sogenannte "echte Alleinerziehende" einen Mehrbedarfszuschlag für das Kind in Höhe von 41 Euro, zusätzlich noch 207 Euro Sozialgeld für das Kind. Dazu kommen anteilig für das Kind Erstattung der Unterkunftskosten plus Heizung. Will dieser Elternteil das Paritätmodell (Wechselmodell) praktizieren oder eine Betreuungsregelung bei der auch der andere Elternteil in größerem Umgang Betreuungsaufgaben übernimmt, so muss dies entweder heimlich praktiziert werden oder der Wegfall des finanziellen Zuschlages droht. Insgesamt keine sehr gute Grundlage für die vielerorts zu Recht beschworene Losung "Eltern bleiben Eltern - trotz Trennung und Scheidung"
Formen des Paritätmodell
Genau genommen ist auch ein traditionelles Umgangsmodell, bei dem das Kind aller 14 Tage am Wochenende ist, ein Wechselmodell, denn das Kind hat es auch hier mit zwei verschiedenen Elternhäusern zu tun, auf die es sich einstellen muss. Davon sprechen aber die jeweiligen hauptbetreuenden und damit faktischen Besitzer/innen des Kindes nicht gerne, denn dann müssten sie eine Gleichwertigkeit beider Elternteile einräumen, an der sie kein Interesse haben und wozu ihnen fatalerweise die Familiengerichtsbarkeit durch die Anwendung des verfassungswidrigen Sorgerechtsentzugsparagraphen §1671 BGB zuarbeitet.
Wenn jedes Betreuungsmodell, dass beide Eltern ausüben, ein Wechselmodell ist, dann ist es irreführend bei einer paritätischen Betreuung des Kindes durch beide Eltern in ungefähr gleichen Zeitanteilen lediglich von einem Wechselmodell zu sprechen, was es ja auch ist, sondern es handelt sich um ein paritätisches Betreuungsmodell. Der Begriff paritätisches Wechselmodell wäre eine Tautologie, da ein paritätisches Modell immer auch ein Wechselmodell ist, so wie ein Löwe immer ein Säugetier ist und man nicht extra sagen muss, das Säugetier Löwe.
Von daher ist es irreführend von einem Wechselmodell zu sprechen, wenn wir ein paritätisches Betreuungsmodell - kurz Paritätmodell - meinen. Das Paritätmodell kann in den unterschiedlichen Formen praktiziert werden. Meist wechseln die Kinder / das Kind im wöchigen Abstand von einem Elternhaus zum anderen. Die Eltern wohnen dabei im gleichen Einzugsbereich, so dass für das Kind ansonsten alles weitgehend konstant bleiben kann, Freundeskreis, Kindergarten, Schule oder bei großer räumlicher Nähe auch der Spielplatz, der Park und der Supermarkt.
Tür-an-Tür-Modell
Beim Tür an Tür Modell leben die Eltern im selben Haus oder in benachbarten Häusern. Mitunter haben die Eltern ihre Wohnung sogar auf der selben Etage eines Hauses (27.11.2007).
Paritätmodell bei großer räumlicher Entfernung
Paritätmodell mit zeitlich größeren Abständen des Wechsels.
Das Kind kann in 14-tägigen Abstand am Wochenende bei dem nicht hauptbetreuenden Elternteil sein. Nach zwei Monaten, halbjährlich oder jährlich wird getauscht. Der bisher hauptbetreuende Elternteil wird nun zum nebenbetreuenden Elternteil.
Wann kann das Paritätmodell sinnvoll sein?
Praktizieren die Eltern das Paritätmodell schon seit einiger Zeit, kann man davon ausgehen, dass sie über diese Form der Betreuung Einvernehmen hergestellt haben. Will nun einer der beiden Elternteile einseitig diese Regelung beenden und zukünftig das Residenzmodell praktizieren, so geht dies nur über eine entsprechende familiengerichtliche Regelung, da eine Veränderung der bisher praktizierten paritätischen Betreuung eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung ist und somit Teil der gemeinsamen elterlichen Sorge. Streiten Eltern in eine Angelegenheit der gemeinsamen elterlichen Sorge, kann nur das Familiengericht dazu eine verbindliche Entscheidung treffen (1628 BGB).
Die vorgetragenen Gründe gegen das Paritätmodell sind oft stereotyp:
"Das Kind braucht ein Zuhause."
Oder der zur Begründung ein Buch seiner Vereinskollegen heranziehende als Gutachter bestellte Dr. Klaus Schneider:
"Im neuesten Lehrbuch der Familienrechtspsychologie findet sich z.B. der Begriff „Wechselmodell" erst gar nicht....
Der Sachverständige weiß allerdings aus Erfahrung und aus der (deutschen) Literatur, dass das Wechselmodell eine sehr selten praktizierte Umgangslösung ist. ..."
"Nach Ansicht des Sachverständigen trägt das Wechselmodell nicht zur Lösung des Loyalitätskonflikts bei, sondern unterstützt ihn. Dem gegenüber könnte im Rahmen des Residenzmodells das Kind einen Lebensmittelpunkt bilden, ein „eigenes Ich" ausprägen und mit einem Elternteil mehr `eins werden`."
Diplom-Psychologe Dr. Klaus Schneider, 7.5.2003
Wenn man mit Eltern über dieses Thema spricht kann man z.B. folgende Überlegung hören:
Mutter:
Plötzlich ist man einsam. Man kann keine langen Bücher vorlesen. Ein richtiges Zuhause ist von Vorteil. So vieles muss doppelt da sein. Eine Betreuung im Wechselmodell ist eine verschleppte Trennung. Ich will dass die Verantwortung geklärt ist. Rechtslage wäre geklärt. Nervlich ist das für mich äußerst belastend.
Wenn die Kinder beim Vater wären, hätte ich die Mutterrolle nicht mehr. Ich hätte mehr Freizeit, wenn die Kinder beim Vater wären. Ich denke, der Vater ist überlastet, wenn die Kinder bei ihm wären. (11/2003)
Der Familientherapeut Jochen Schweizer (2004) meint zum Glaubenssatz "Familien brauchen ein Heim":
"Auf andere Weise kennen wir dies schon lange von polnischen Saisonarbeitern oder von türkischen Gastarbeiterfamilien: Die Familienmitglieder fluktuieren hin und her, leben in mehr oder minder häufigem Wechsel zwischen Wroclaw und Darmstadt, zwischen Izmir und München. Ihr Wohlergehen entscheidet sich wesentlich an der Bewertung dieses Lebens an zwei Orten: Fühlen sie sich zerrissen, nirgendwo richtig zu Hause - oder erleben sie dies als Bereicherung, über zwei Heimatsoptionen zugleich zu verfügen? Solche `Sowohl-als-auch-Identitäten` lassen sich, wenn nicht gleichzeitig so zumindest im zeitlichen Wechsel, denk- und lebbar machen.
Es ist eine Stärke systemischer Familientherapie tradierte Glaubenssätze zu hinterfragen und Alternativen dazu zu erkunden. In der traditionellen akademisch geprägten Psychologie geht es dagegen oft um die Verkündung unhinterfragbarer Wahrheiten und eherner Grundsätze.
Untersuchungen zur Häufigkeit des Paritätmodell in Deutschland sind nicht bekannt. In anderen Ländern wie z.B. Schweden soll dem Vernehmen nach jedoch das Paritätmodell gesellschaftliche Priorität genießen. In Belgien, Kanada und Australien sind, so die Aussage der Familientherapeutin und Mediatorin Ursula Kodjoe in einer Fernsehsendung des NDR vom 11.10.04 Gesetzesnovellierungen geplant, die das Paritätmodell zum gesetzlich favorisierten Regelmodell erklären.
Zum Paritätmodell liegen einige veröffentlichte familiengerichtliche Entscheidungen vor. So z.B. vom Amtsgericht Hannover und vom Oberlandesgericht Dresden: Zu den Vor- und Nachteilen der gemeinsamen elterlichen Sorge in Gestalt des auf einer (hier gerichtlich genehmigten) Elternvereinbarung beruhenden Wechselmodells.
Das Oberlandesgericht Dresden bestätigte dabei die von den beiden Eltern abgeschlossene Vereinbarung zum Paritätmodell und zählte dafür sprechend folgende Vorteile auf:
- Aufrechterhaltung enger Eltern-Kind-Beziehung zwischen den Kindern und beiden Elternteilen, das Kind erlebt den Alltag mit beiden Eltern.
Beide Eltern bleiben in der Verantwortung für ihre Kinder.
- Beide Eltern werden durch das Wechselmodell von der Mehrfachbelastung, die bei einem allein erziehenden Elternteil besteht, teilweise entlastet.
Oberlandesgericht Dresden 21. ZS - FamS - , Beschluss vom 3.6.2004 - 21 UF 144/04FamRZ 2005, Heft 2, S. 125/126.
Ganz im Gegensatz zum Oberlandesgericht Dresden will es offenbar der am Amtsgericht Göppingen zum Gutachter bestellte Diplom-Psychologe Thomas Busse wissen, der in einem Gutachten schreibt:
"In Ermangelung entsprechender Fachkenntnisse kann Herrn Thiel zwar nachgesehen werden, daß er um die zum Teil irreversiblen Schäden, welche aus dem von ihm präferierten `Wechselmodell` resultieren können, nicht weiß. Gleichwohl erscheinen seine Ausführungen hierzu grob fahrlässig und in keiner Weise mehr vereinbar mit sämtlichen psychologischen wissenschaftlichen Lehrmeinungen."
Diplom-Psychologe Thomas Busse, 19.11.2004, Gutachten für Amtsgericht Göppingen
Man kann aus den richtungsweisenden Ausführungen des Herrn Busse wohl nur den Schluss ziehen, die Richter des 21. Zivilsenates am Oberlandesgericht Dresden wegen des Verstoßes gegen "sämtliche(n) psychologischen wissenschaftlichen Lehrmeinungen", insbesondere natürlich den unverzeihlichen Verstoß gegen die Lehrmeinung von Herrn Diplom-Psychologen Busse selbst, sofort von ihrem Amt zu entbinden.
Kriterien, die für die Praktizierung des Paritätmodell sprechen können
1. Beide Eltern haben sich vor der Trennung und danach wesentlich an der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder beteiligt.
2. Beide Eltern verfügen über gleichwertige Erziehungs- und Betreuungskompetenzen. Damit ist nicht gemeint, dass sie gleiche Kompetenzen und Ansichten bezüglich ihrer Kinder haben müssen, wie das von einigen Fachkräften aus offenbar ideologischen Gründen gefordert wird. Uniformierte Erziehungsvorstellungen mögen in einer Diktatur das Nonplusultra sein. In einer Demokratie sind dagegen Vielfalt und Pluralismus, nicht zu verwechseln mit Beliebigkeit und Laisser-faire, höchste Rechtsgüter. Kinder entwickeln sich auch gut im Feld unterschiedlicher Ansichten, so lange diese von einer generellen Toleranz für die jeweilige Sicht des anderen getragen sind.
3. Beide Eltern verfügen über ausreichenden Wohnraum oder haben die Möglichkeit diesen zu schaffen, da ältere Kinder und Jugendliche beim Paritätmodel bei jedem Elternteil über angemessenen eigenen Wohnraum verfügen sollten. Finanzkräftige Eltern dürften damit kein generelles Problem haben, bei finanzschwachen Eltern sollte geprüft werden, ob das Sozialamt, die Agentur für Arbeit oder die Wohngeldstelle bereit ist, den zusätzlichen Wohnbedarf finanziell zu unterstützen.
Kriterien, die für die Praktizierung des Paritätmodell möglichst erfüllt sein sollten
1. Relative räumliche Nähe der Wohnungen der Eltern, damit den Kindern möglichst ein einheitliches Umfeld (Kindergarten, Schule, Freunde, etc.) zur Verfügung steht.
2. Generelles Interesse der Kinder dieses Modell auch zu leben. Bei geäußerter Ablehnung durch die Kinder ist jedoch aufmerksam zu schauen, ob dieses lediglich aus Loyalitätskonflikten der Kinder herrührt, von denen sie durch eine klare Entscheidung des Familiengerichtes zu Gunsten des Paritätmodells auch ein Stück weit entlastet werden können.
3. Eine konstruktive Kommunikation der Eltern sollte angestrebt werden. Zur Klärung von Konflikten können beide Eltern gemeinsam die Unterstützung durch einen Familienberater oder Familientherapeuten in Anspruch nehmen. Das von Professionellen gern benutzte Totschlagargument "Die Eltern können nicht kommunizieren" ist wenig überzeugend. Erstens kann man nicht nicht kommunizieren, wie Watzlawick schon 1967 formuliert hat, es handelt sich also tatsächlich um eine gestörte Kommunikation und nicht um eine Nichtkommunikation. Zweitens ist die Kommunikation auch beim Residenzmodell gestört und es besteht hier die Gefahr, dass die Kommunikationsstörungen so weit anwachsen, dass schließlich der Kontakt zwischen Kind und dem nichtbetreuenden Elternteil abbricht. Drittens kann eine gestörte Kommunikation entstört werden, allerdings in der Regel nicht durch Rechtsanwälte, die die Kommunikationsstörung eher vertiefen, sondern durch die Wahrnehmung gemeinsamer Beratung durch beide Eltern, am besten bei einem systemischen (Familien)Therapeuten oder Berater, da dieser, besser wohl als Professionelle anderer Schulen (wie z.B. der Psychoanalyse oder der Verhaltenstherapie), mit dem Thema Kommunikationsstörungen zwischen Menschen umzugehen weiß.
Fälle in denen das Paritätmodell unpraktikabel sein dürfte
Dass die Eltern für die Praktizierung des Paritätmodell im Regelfall in relativer örtlicher Nähe leben sollten, liegt auf der Hand. Leben die Eltern mehrere hundert Kilometer von einander entfernt und empfiehlt die als Gutachterin bestellte Diplom-Psychologin Dorit Schulze (27.06.2003), dass die Eltern über diese Entfernung das Paritätmodell praktizieren sollen, dürfte dies dann doch des Guten zuviel sein. Das zuständige Amtsgericht und das Oberlandesgericht Dresden folgte dem auf den skurril anmutenden Vorschlag der Gutachterin fußenden Antrag der Mutter nicht.
Aktenzeichen: 21 UF 0004/04 304
F 1476/02 AG Dresden
Oberlandesgericht Dresden
Beschluss
des 21 Zivilsenats - Familiensenat -
vom 9. März 2004
Dass die Gutachterin überhaupt einen solchen Vorschlag machte, lag wohl daran, dass es sich um die Mutter handelte, die eine Ausweitung der Umgangszeiten mit ihrer Tochter anstrebte. Wäre der Antragsteller ein Vater gewesen, hätte die Gutachterin wohl nur die Augenbrauen hochgezogen und ein solches Ansinnen strikt abgewiesen. Dass die Gutachterin mit ihrer Idee scheiterte mag auch daran gelegen haben, dass der Vater sich des Beistandes und der fachlichen Zuarbeit von Peter Thiel, des Autors der hier vorliegenden Internetseite bediente.
Aktenzeichen: 21 UF 0004/04 304 F 1476/02 AG Dresden
In der Familiensache
weiter beteiligt:
Stadt Leipzig Jugendamt,
Holzhäuser Straße 72, 04299 Leipzig
Oberlandesgericht Dresden
Beschluss
des 21 Zivilsenats - Familiensenat -
vom 9. März 2004
Herr X ...
Antragsteller und Antragsgegner im PKH-Verfahren
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin Ulrike Wendler, Philipp-Rosenthal-Straße 9, 04103 Leipzig
gegen
Frau Y ...
Antragsgegnerin und Antragstellerin im PKH-Verfahren
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin ...
wegen Regelung der elterlichen Sorge und Umgang hier: Prozesskostenhilfe für beabsichtigte Beschwerde
hat der 21. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden
beschlossen.
Der Antragsgegnerin wird Prozesskostenhilfe für ihre beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dresden - vom 28. November 2003 nicht bewilligt.
Gründe:
1.
Die Parteien sind die Eltern von A (Tochter - Anmerkung Peter Thiel), geboren am ... 2000. Sie lebten von September 1999 bis Juni 2002 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zunächst in L., später in D. zusammen. Vor dem Jugendamt der Stadt L. haben sie eine Erklärung zum gemeinsamen Sorgerecht abgegeben. Anfang Juni 2002 trennten sich der Antragsteller und die Antragsgegnerin, A verblieb zunächst im Haushalt der Antragsgegnerin.
Mit Beschluss vom 11 . Oktober 2002 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Dresden im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungrecht für A vorläufig dem Vater übertragen, in dessen Haushalt sie seither lebt. Zum 1. Juli 2003 verzog der Antragsteller aus beruflichen Gründen mit A von D. nach G. in Baden-Württemberg.
Mit Beschluss vom 28. November 2003 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Dresden nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Parteien sowie der für A bestellten Verfahrenspflegerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Vater übertragen sowie zugleich eine umfangreiche Umgangsregelung getroffen. Auf den Beschluss wird insoweit Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die beabsichtigte Beschwerde der Antragsgegnerin, für die sie Prozesskostenhilfe beantragt. Sie begehrt die Beibehaltung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts, hilfsweise die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf sich sowie einen zeitlich hälftig aufgeteilten Aufenthalt von A bei ihr und dem Antragsgegner.
Der Beschluss ging der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 17. Dezember 2003 zu. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde ging am 2. Januar 2004 bei Gericht ein.
II.
Der Antragsgegnerin war Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen, da die beabsichtigte Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
1.
Dabei kann es im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens offenbleiben, ob die Beschwerde bereits unzulässig, da verspätet, wäre. Die Beschwerdefrist ist am 17. Januar 2004 abgelaufen. Ob eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist möglich ist, ist, soweit ersichtlich, bislang nicht entschieden.
Für die Berufung ist allgemein anerkannt, dass eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist sowie in die versäumte Berufungsbegründungsfrist erfolgen kann, wenn die rechtzeitige Vornahme der Rechtsmitteleinlegung wegen des wirtschaftlichen Unvermögens der Partei unterblieben, aber innerhalb der Berufungsfrist ein Prozesskostenhilfegesuch gestellt worden ist und der Betroffene ausreichend darlegt, dass er die Kosten einer Prozessführung nach seinen personlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., Rz.77 zu § 233; MünchKomm/Feiber, ZPO, 2. Aufl., Rz.43 zu § 233). Da die Berufung dem Anwaltszwang gemäß § 78 Abs. 1 ZPO unterliegt, ist diese Darlegung wegen der zwingend anfallenden Anwaltskosten regelmäßig unproblematisch. Für die Beschwerde in Angelegenheiten der elterlichen Sorge hingegen besteht gemäß § 78 Abs. 2 ZPO kein Anwaltszwang; zwingende Kosten fallen hier nicht an. Für das Rechtsmittel besteht darüber hinaus keine Vorschusspflicht. Damit erscheint die Auffassung vertretbar, dass in diesen Fällen die Partei nicht aufgrund wirtschaftlichen Unvermögens gehindert ist, das Rechtsmittel fristwahrend einzulegen. Einer Entscheidung bedarf diese Frage vorliegend indes jedoch nicht, da die Beschwerde aus anderen Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat.
2.
Die beabsichtigte Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
a)
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst nur einen Teilbereich der elterlichen Sorge gemäß § 1671 BGB, die im Übrigen den Eltern weiterhin gemeinsam zusteht. Der Senat ist der Auffassung, dass ein Verbleiben des Aufenthaltsbestimmungsrechts gleichberechtigt bei beiden Parteien schon aufgrund der weiten Entfernung, aber auch aufgrund der zwischen den Parteien bestehenden Unstimmigkeiten nicht dem Kindeswohl entspricht.
b)
Auch im Hilfsantrag hat die beabsichtigte Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg. Die Übertragung des Aufenthaltsbestirnmungsrechts auf den Vater begegnet keinen Bedenken. Auf wen das Aufenthaltsbestimmungsrecht als ein
—5-
Teil der elterlichen Sorge zu übertragen ist, richtet sich nach dem Kindeswohl. Verschiedene Aspekte wie die Erziehungseignung des jeweiligen Elternteils, die Bindungen des Kindes an den jeweiligen Elternteil, der Kontinuitätsgrundsatz, das Förderprinzip u.a. sind dabei zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl., Rz. 20 ff. zu § 1671).
Nach den Feststellungen des Sachverständigengutachtens sind beide Eltern zunächst gleichermaßen erziehungsgeeignet.
Soweit die Sachverständige in ihrem Gutachten ausführt, an der Erziehungseignung des Elternteils, der das von ihr präferierte Wechselmodell ablehne, bestünden Zweifel, schließt sich der Senat der Auffassung des Amtsgerichts an. Da Erfahrungen mit dem Wechselmodell in der Praxis kaum vorliegen und auch in Fachkreisen verschiedene Modelle diskutiert werden, vermag die Ablehnung dieses Modells keine mangelnde Erziehungseignung zu begründen.
Da A auch zu beiden Elternteilen enge vertrauensvolle Bindungen besitzt, lässt sich aus der Erziehungseignung sowie aus ihren Bindungen an ihre Eltern eine Entscheidung, wem das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen ist, nicht begründen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragstellerin die Mutter ist. Ein Grundsatz, nachdem kleine Kinder bzw. Mädchen vorrangig zur Mutter gehören, besteht nicht (mehr)
Bedeutung erlangt daher hier das Kontinuitätsprinzip. A lebt seit längerer Zeit überwiegend bei ihrem Vater; dass sie sich dort nicht positiv entwickelt, nicht wohl fühlt oder nicht angemessen gefördert wird, ist nicht ersichtlich. Damit aber erscheint es dem Kindeswohl zu entsprechen, das Aufenthaltsbestimmungsrecht beim Vater zu belassen.
Der beabsichtigten Beschwerde wird nach vorläufiger Auffassung des Senates schließlich auch der Erfolg versagt sein, soweit die Antragsgegnerin ein hälftiges Umgangsrecht erstrebt.
Abweichend von der im Sachverständigengutachten geäußerten Auffassungen vertritt der Senat die Ansicht, dass das von der Antragsgegnerin im Ergebnis angestrebte Wechselmodell vorliegend dem Kindeswohl nicht dienlich ist. Ein solches Wechselmodell mag dem Kindeswohl dienlich sein, wenn alle Beteiligten räumlich enger zusammenleben. Über 400 km hinweg erscheint dies jedoch nicht der Fall. Hier wäre mit dem Wechselmodell ein 14-tägiger Wechsel des gesamten sozialen Umfeldes des Kindes (Kindergarten, Nachbarn, eventuelle sportlich/musische Aktivitäten usw.) verbunden. Auf Dauer würde es A dabei erschwert, Freundschaften zu Gleichaltrigen zu schließen und an Aktivitäten mit längerer Vorbereitungszeit teilzunehmen. Aufgrund des ständigen Wechsels befände sie sich in zwei Kindergärten in einer Ausnahmesituation, ohne jedoch richtig zu einer Gruppe dazuzugehören. Aus diesen Erwägungen folgt der Senat der ablehnenden Haltung des Amtsgerichts zum Wechselmodell im vorliegenden Fall.
Dabei schließt sich der Senat dem Gutachten allerdings insoweit an, dass der Erhalt beider Eltern für A von großer Bedeutung ist. Mit der getroffenen Umgangsregelung, die einen monatlichen Umgang von rund 10 Tagen hintereinander bei der Mutter vorsieht, ist jedoch sichergestellt, dass A beide Eltern erhalten bleiben. Aufgrund der weiten räumlichen Entfernung scheint dieses Umgangsrecht auch für das Kindeswohl geeigneter als ein Modell, nach dem A jedes zweite Wochenende bei der Mutter verbringt. Eine Ausweitung des vom Amtsgericht festgelegten Umganges erscheint nicht angezeigt.
Staatliche Förderung für das Paritätmodell?
Wie schon gesagt, fördert der Staat und die ihn tragenden Staatsparteien durch finanzielle und rechtliche Anreize das sogenannte Alleinerziehermodell. Klassisch traditionell soll die Frau das Kind betreuen und der Mann das Geld verdienen und es in Form von Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt der die Kinder betreuenden Frau zu kommen lassen. Wer denkt, das wäre eine politisch eher konservative Richtung und dies hätte sich unter der rot-grünen Bundesregierung verändert, dürfte sich täuschen. Es scheint sogar eher das Gegenteil zutreffend zu sein, wie man auf Grund des Kriminalisierungseifers der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) in Bezug auf die Einholung sogenannter "heimlicher" Vaterschaftstests vermuten kann.
Die Praktizierung des Paritätmodells stellt in der Regel schon mal ein finanzielles Problem dar. So z.B. in dem Fall, den uns Herr X. vorstellte (19.07.2005). Auf Grund einer anhaltenden außerehelichen Beziehung seiner Frau zog Herr X aus der gemeinschaftlichen Wohnung aus. Seitdem betreuen beide Eltern die Kinder im Paritätmodell, wobei sie hier keine Woche/Woche Regelung praktizieren, sondern sich die Betreuung über den Tag gleichwertig aufteilen. Beide Eltern verdienen jeweils ca. 1300 Euro. Durch die Trennung zeichnet sich aber ab, dass es demnächst weniger Geld sein wird, da der Steuervorteil für nichtgetrenntlebende Eheleute wegfällt. Herr X überweist der Mutter bisher ca. 250 Euro für die bisherige gemeinschaftliche Wohnung, "damit für die Kinder der vertraute Lebensort beibehalten werden kann". Nun stellt Herr X fest, dass das ihm verbleibende Geld knapp wird, denn auch er muss eine größere Wohnung unterhalten, damit die Kinder auch dort ausreichend Platz finden. Und er muss die Kinder versorgen, wenn sie die Hälfte der Zeit bei ihm sind, auch dies kostet nicht wenig Geld. Das staatliche Kindergeld von je 154 Euro bezieht die Mutter, die dem Vater von diesem Geld nichts weiterleitet. Der Vater überlegt also zu Recht, die Zahlungen für die Wohnung der Mutter zu reduzieren und schließlich ganz einzustellen. Nun kommt die deutsche Familienrechts(un)logik ins Spiel. Die Mutter wird in Kürze die Miete für die große Wohnung nicht mehr bezahlen können und wird schließlich feststellen, dass sie die Wohnung nur halten kann, wenn sie das Paritätmodell aufkündigt und sich einseitig zur "Alleinerziehenden" erklärt, sprich den Vater auf die Wahrnehmung von Umgangskontakten reduziert. Dann kann Sie nämlich vom Vater, mit freundlicher Unterstützung des Jugendamtes Abteilung Beistandschaften, Kindesunterhalt in der Höhe der Düsseldorfer Tabelle einfordern. Bei der derzeitigen ideologischen Verfasstheit eines Großteils sogenannter Helferprofessionen wie Jugendamtsmitarbeiter/innen, Familienrichter und Gutachter (Mythos: ein Kind gehört zur Mutter, ein Kind braucht ein zu Hause) scheint diesem Unternehmen ein Erfolg recht sicher zu sein. Zu guter letzt ist sogar der bis in die Spitzen der sogenannten Volksparteien und des Bundesfamilienministeriums sorgfältig gepflegte Mythos bestätigt, Väter würden sich nach einer Trennung nicht um ihre Kinder kümmern wollen (dies kann man eine selbsterfüllende Prophezeiung nennen).
Da der Vater von diesen kafkaesken deutschen Zuständen ahnt, hat er ein Tagebuch angelegt, mit dem er bei Bedarf dokumentieren will, dass er die ganze Zeit mit der Mutter das Paritätmodell praktiziert hat. Nur wird ihm dies wohl wenig nützen, wenn er das Pech hat, auf eine altbackene Fachkraft beim Jugendamt, dem Familiengericht oder gar den als unfehlbar geltenden Gutachtern zu stoßen, die ihren Glauben dem staunenden und ahnungslosen Publikum als wissenschaftliche Wahrheit verkaufen.
Paritätmodell und Melderecht
Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung des Paritätmodells in Deutschland dürften neben finanziell und ideologisch bedingten Ursachen auch die derzeitige Konstruktion des Bundesmeldegsetzes und die bedenkliche Praxis der Meldeämter machen.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es:
§ 11 (Wohnsitz des Kindes)
Ein minderjähriges Kind teilt den Wohnsitz der Eltern; es teilt nicht den Wohnsitz eines Elternteils, dem das Recht fehlt, für die Person des Kindes zu sorgen. Steht keinem Elternteil das Recht zu, für die Person des Kindes zu sorgen, so teilt das Kind den Wohnsitz desjenigen, dem dieses Recht zusteht. Das Kind behält den Wohnsitz, bis es ihn rechtsgültig aufhebt.
Im Bundesmeldegesetz heißt es:
Bundesmeldegesetz (BMG)
§ 17 Anmeldung, Abmeldung
(1) Wer eine Wohnung bezieht, hat sich innerhalb von zwei Wochen nach dem Einzug bei der Meldebehörde anzumelden.
(2) Wer aus einer Wohnung auszieht und keine neue Wohnung im Inland bezieht, hat sich innerhalb von zwei Wochen nach dem Auszug bei der Meldebehörde abzumelden. Eine Abmeldung ist frühestens eine Woche vor Auszug möglich; die Fortschreibung des Melderegisters erfolgt zum Datum des Auszugs.
(3) Die An- oder Abmeldung für Personen unter 16 Jahren obliegt denjenigen, in deren Wohnung die Personen unter 16 Jahren einziehen oder aus deren Wohnung sie ausziehen. Neugeborene, die im Inland geboren wurden, sind nur anzumelden, wenn sie in eine andere Wohnung als die der Eltern oder der Mutter aufgenommen werden. Ist für eine volljährige Person ein Pfleger oder ein Betreuer bestellt, der den Aufenthalt bestimmen kann, obliegt diesem die An- oder Abmeldung.
(4) Die Standesämter teilen den Meldebehörden
unverzüglich die Beurkundung der Geburt eines Kindes sowie jede Änderung des
Personenstandes einer Person mit.
https://www.gesetze-im-internet.de/bmg/__17.html
Damit ist klargestellt, dass alle Personen eine Person unter 16 Jahren in ihrer Wohnung anmelden können, in deren Wohnung die Person unter 16 Jahren "einzieht". Das können also neben den sorgeberechtigten Eltern auch anderen Personen sein, in deren Wohnung mit Zustimmung der Sorgeberechtigen (Eltern, Vormund, Ergänzungspfleger) die unter 16 Jahre alte Person einzieht.
Im bundesweit geltenden Melderechtsrahmengesetz (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002, Teil I, Nr. 26, 26.4.2002, S. 1343-1350) heißt es:
§ 12 Mehrere Wohnungen
... Hauptwohnung eines minderjährigen Einwohners
ist die Wohnung der Personensorgeberechtigten; leben diese getrennt, ist
Hauptwohnung die Wohnung des Personensorgeberechtigten, die von dem
Minderjährigen vorwiegend benutzt wird.
Nach der Logik des Gesetzestextes dürfte ein Kind, das im Paritätmodell von seinen getrennt lebenden Eltern betreut wird, entweder zwei Hauptwohnungen haben oder gar keine Hauptwohnung. In letzteren Fall würde es in zwei Nebenwohnungen leben, was logisch gesehen nicht möglich ist, da eine Nebenwohnung ja dadurch definiert ist, dass es eine Hauptwohnung gibt. Logisch gesehen bliebe daher nur eine Anmeldung des Kindes in zwei Hauptwohnungen übrig, was aber auch wieder ein logisches Problem verursacht, denn wenn es zwei Hauptwohnungen gibt, dann müsste es dem Worte nach ja auch mindestens eine Nebenwohnung geben.
Das Bundesverwaltungsgericht befasste sich auch mit der Frage zweier Hauptwohnsitze, es kreißte und kreißte und gebar - wie so oft - einen Zwerg.
Das Problem löst man schließlich einfach dadurch, dass man sich vom Begriff der Hauptwohnung trennt. Das Kind hat, wenn es paritätisch von beiden Eltern betreut wird, zwei Wohnungen in denen es lebt, diese könnte man dann als "Doppelresidenzwohnung" im Melderegister eintragen, so käme es auch nicht zu Problemen bei einer Volkszählung, wenn ein paar Tausend Kinder in Deutschalnd melderrechtlich gleichberechtigt zwei Wohnsitze haben.
Der durchschnittliche staatstreue deutsche Beamte auf der Meldestelle meint heute, die Anmeldung eines Kindes mit zwei "Haupt"wohnungen wäre rechtlich nicht möglich, grad so also ob der Beamte während seiner Arbeit nicht zugleich auch in seiner Nase bohren könnte. Wenn man nun der Meinung des Beamten folgen würde, dann könnte man dem Dilemma entgehen, in dem man das Kind unter einer Postfachanschrift beim Meldeamt anmeldet. Das Kind wohnt zwar nicht im Postfach, aber genau so wohnt es ja bei einer hälftigen Betreuung durch die beiden Eltern die Hälfte der Zeit auch in der melderechtlichen Hauptwohnung, ohne dass deswegen jemand auf die Idee käme, hieraus könnten melderechtliche Nachteile entstehen.
Beispiel 1
Das Verwaltungsgericht Schwerin - 6 A 523/08 - hat in einer Streitsache Stadt Boitzenburg gegen Herrn B. zu entscheiden. Der Vorsitzende Richter Nickels trägt in einem Schreiben vom 20.01.2010 dazu vorab vor:
Deshalb bestimmen die Vorschriften § 12 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 MRRG und § 17 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 MeldeG Berlin, dass in diesem Falle diejenige Wohnung die Hauptwohnung der Kinder ist, die von ihnen "vorwiegend benutzt wird". Vorwiegend benutzt ist die Wohnung, die in rein quantitativer Betrachtung der Aufenthaltszeiten tatsächlich am häufigsten benutzt wird (BVerfG, ...)
Na dann ist ja im Umkehrschluss alles klar. Lebt das Kind in keiner der beiden Wohnungen seiner Eltern "vorwiegend", so gibt es keine Hauptwohnung und auch keine Nebenwohnung, sondern das Kind lebt in zwei gleichrangigen Wohnungen. Da werden wohl zukünftig die Mitarbeiter des Meldeamtes der Stadt Boitzenburg mit der Stoppuhr vor den beiden Wohnungen des Kindes lauern und exakt die Zeit messen, zu denen sich das Kind in den beiden Wohnungen jeweils aufhält. Und wehe das Kind ist im Monat eine Sekunde länger in der einen Wohnung, dann wird diese sofort zur Hauptwohnung erklärt.
Beispiel 2
Eine Mutter, die witziger Weise im Landgerichtsbezirk Aurich als Familienrichterin arbeitet, meldet ohne Zustimmung des gemeinsam Sorgeberechtigten Vaters, das gemeinsame und bisher im Wechselmodell betreute Kind in Aurich an und am bisherigen Meldort Duisburg ab. Der Vater reicht daraufhin eine Anfrage beim Bürger- und Ordnungsamt (Meldeamt) der Stadt Duisburg) ein, um zu erfragen, ob dies mit geltendem Recht vereinbar ist. Der Leiter- des Bürger- und Ordnungsamtes Duisburg, Herr Mettlen, teilt in seiner Antwort vom 19.09.2016 mit, dass alles rechtens sei, das Melderecht auch bei einer paritätischen Betreung des Kindes durch beide Eltern keine zwei Hauptwohnungen zulasse und es dem Vater ansonsten freistünde, unter Vorlage der Bestätigung des Einzuges des Sohnes durch den Hauseigentümer, Vorlage des Reisepasses des Kindes und persönlicher Anwesenheit des Kindes das Kind erneut mit Hauptwohnung in Duisburg anzumelden. Herr Mettlen ergänzt: "Im Übrigen sollten Sie mir dann auch den Kindergarten Ihres Sohnes und den jeweiligen Reiseweg und die Reiseumstände von Ostfriesland nach Duisburg und zurück benennen können. Vor der Anmeldung Ihres Sohnes wäre gfs. auch die Kindesmutter zu befragen."
Man darf nun sicher sein, dass solche, an ein obrigkeitsstaatliches Asylbewerbeverfahren erinnernden Anforderungen, im umgekehrten Fall der Mutter nicht gestellt worden wären. Schon gar nicht in Aurich, wo die durch die Mutter einseitig vorgenommene Ummeldung, vermutlich durchgewunken wurde.
Familiengerichtliche Fragen zum Paritätmodell
Will der Familienrichter feststellen lassen, ob in einem konkret vorliegenden Fall das Paritätmodell oder das sogenannte Residenzmodell (Dominanzmodell) für den Aufenthalt des Kindes bei seinen getrennt lebenden Eltern dem Kindeswohl besser entspricht, so müsste der Familienrichter vor der Ernennung eines Gutachter eigentlich prüfen, ob die ins Auge gefasste Fachkraft sich in der Lage sieht, unvoreingenommen das Für und Wider der beiden Modelle in bezug auf den vorliegenden Fall zu untersuchen. Ist die Fachkraft dazu nicht in der Lage, weil sie dem Lager derjenigen angehört, die das Paritätmodell als in der Regel für praxisuntauglich ansehen, so kann diese Person auf Grund ihrer Befangenheit für eine unvorgenommenen Prüfung nicht als Gutachter ernannt werden.
Vergleiche hierzu:
Verfahren vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main, bestellte Gutachterin Frau Dr. Kurz-Kümmerle, 2.11.2004
Wenn das Gericht jedoch schon eine Ernennung vorgenommen hat, müsste auf Grund der Ungeeignetheit der ernannten Person eine Entbindung von dieser Aufgabe erfolgen. Geschieht dies nicht, so kann man dem Richter den Vorwurf der Befangenheit machen, weil er mit der vorgenommenen Bestellung für einen von vornherein absehbaren Ausgang der Begutachtung sorgt. Ist es dem Richter nicht möglich, einen Gutachter zu finden, der eine objektive Diskussion der beiden Modelle gewährleisten kann, so sollte er zwei verschiedene Gutachter beauftragen, von denen einer aus dem Lager der Befürworter und einer aus dem Lager der Gegner des Paritätmodells kommt. Im Meinungsstreit der beiden Gutachter vor Gericht müssen dann die besseren Argumente überzeugen.
Der Familienrichter soll bei entgegenlautenden Anträgen der Eltern versuchen, doch noch eine Einigung herbeizuführen. Gelingt dies nicht, so ist er gehalten, eine Entscheidung zu den vorliegenden Anträgen zu treffen. Er soll in diesem Fall die dem Kindeswohl am besten entsprechende Entscheidung treffen. Doch was ist die konkrete, dem Kindeswohl am besten entsprechende Entscheidung? Um eine solche Entscheidung treffen zu können, muss der Richter sich bemühen, eine Gesamtschau aller relevanter Punkte vorzunehmen und gegebenenfalls eine Abwägung der verschiedenen widerstreitenden Argumente vorzunehmen. Das für und wider der Argumente muss also in einer möglichst vollständigen Übersicht erarbeitet werden. Dies kann nicht dadurch geschehen, dass der Richter als erstes untersucht, welcher Elternteil der "erziehungsgeeignetere wäre", denn dann hätte der Richter sich schon darauf festgelegt, dass das Paritätmodell überhaupt nicht in Frage kommt. In diesem Fall wäre der Richter voreingenommen und damit ungeeignet für die Erfüllung der ihm übertragenen Aufgabe.
Da einige Familienrichter dem Paritätmodell skeptisch bis ablehnend gegenüber stehen, neigen sie oft dazu, dies auch durch entsprechende gerichtliche Beschlüsse auszudrücken. Da ihre eigene Argumentation aber auf sehr schwachen Füßen steht und sich meist in der Formel "Ein Kind braucht ein zu Hause" erschöpft, beauftragen sie oft einen Gutachter mit der Frage, ob das Paritätmodell oder das Residenzmodell die konkret bessere Alternative sei. Steht der Richter dem Paritätmodell generell ablehnend gegenüber, so wird er natürlich nach Möglichkeit einen Gutachter beauftragen, von dem er weiß, dass dieser ähnlich denkt. Das Verfahren ist in diesem Fall mit der Ernennung des Gutachters bereits faktisch entschieden. Alles was jetzt noch kommt sind Scheingefechte und die Auswahl des "besseren" Elternteil und Bestimmung als "Hauptbetreuungsperson" durch den Gutachter. Die betroffenen Eltern merken in der Regel nicht, dass der Beschluss des Richters schon feststeht und nur noch eine psychologisch verbrämte Rechtfertigung hergestellt werden soll.
Entweder-Oder Beweisfragen (Binäre Logik)
„In der Familiensache X ./. X
I. Es soll Beweis über folgende Fragen erhoben werden
1. Sind beide Elternteile uneingeschränkt erziehungsfähig.
2. Der Aufenthalt bei welchem Elternteil entspricht am besten dem Wohl von A?
II. Zum Sachverständigen wird bestimmt:
Peter Wessler, ... , ... Recklinghausen.“
Amtsgericht Mönchengladbach, Richter Scheepers, Beweisbeschluss vom 19.09.2007
Nach § 1697a BGB soll das Gericht diejenige Entscheidung treffen, "die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht."
§ 1697a BGB Kindeswohlprinzip
Soweit nicht anderes bestimmt ist, trifft das Gericht in Verfahren über die in diesem Titel (Anm.: §1626 bis 1698b) geregelten Angelegenheiten diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Um diese Entscheidung treffen zu können, muss das Gericht aber alle in Frage kommenden Möglichkeiten eruieren. Dazu gehört natürlich auch die Frage, ob die Betreuung des Kindes im sogenannten Residenzmodell oder aber in einem davon abweichenden Betreuungsmodell, so etwa 10 Tage / 4 Tage oder 9 Tage / 5 Tage bis hin zu einem paritätischen Betreuungsmodell (Wechselmodell), dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Durch die sprachliche Vorgabe des Richters wird der als Gutachter beauftragte Peter Wessler aber dazu aufgefordert, sich nur zum tradierten Residenzmodell zu äußern. Dass der Richter hier etwa schon vorherige Ermittlungen geführt hätte, die eine vom Residenzmodell abweichende Betreuungsregelung ausschließen, erscheint sehr unwahrscheinlich. So legen sich Richter Scheepers und der von ihm beauftragte Gutachter Wessler offenbar ohne Not Scheuklappen an. Die Dame Justitia trägt zwar eine Augenbinde, diese soll ihr aber ein gerechtes Urteil ermöglichen und nicht wie bei einer Scheuklappe die Sicht auf die Welt versperren.
Paritätmodell und Gutachter
"Die von A getroffenen Aussagen, am liebsten mit beiden Elternteilen und deren jeweiligen Partnern zusammen oder aber wechselseitig im mütterlichen und väterlichen Haushalt leben zu wollen, verdeutlichten ihre innere Zerrissenheit zwischen den Eltern. A versucht so, beiden Elternteilen gerecht zu werden und niemanden zu verletzen. Ihre eigenen Bedürfnisse treten dabei in den Hintergrund und können von ihr nicht artikuliert werden"
Diplom-Psychologin Mirca Musiolik, Gutachten vom 12.11.2004 für Amtsgericht Krefeld, (S. 51)
Die Diplom-Psychologin Mirca Musiolik deutet hier offenbar die Verbundenheit der Tochter zu beiden Eltern zu einer "innere(n) Zerrissenheit" um. Die Gutachterin will auch wissen, dass A`s "eigenen Bedürfnisse ... dabei in den Hintergrund" treten und "von ihr nicht artikuliert werden" können. Der Vortrag der Gutachterin klingt spekulativ und wird daher für das Gericht wohl nicht aufklärend sein. Es gibt die bekannte Geschichte vom halb gefüllten Wasserglas, der Pessimist sagt, das Wasserglas wäre halb leer und der Optimist sagt, das Wasserglas wäre halb voll. Die Gutachterin gehört offenbar zu den Pessimisten, die meinen, das Wasserglas wäre halb leer.
Was können betroffene Eltern dann eigentlich noch tun?
1. Den Gutachter um eine klare umfassende Stellungnahme (am besten vorab in schriftlicher Form) bitten, in der dieser seine prinzipielle Haltung zum Für und Wider des Paritätmodell erläutert. Kann der Gutachter dies nicht leisten oder will er es nicht leisten, sollte beim Gericht die Entbindung des Gutachters von seinem Auftrag erfolgen, da der Gutachter objektiv gar nicht in der Lage ist, eine neutral gestellte Frage des Gerichtes zu beantworten.
Lehnt eine Gutachterin das Paritätmodell ab, wie das anscheinend bei der als Gutachterin tätigen Dr. Sibylle Kurz-Kümmerle im Auftrag des Amtsgerichts Frankfurt/Main der Fall zu sein scheint (11/2004), so ist eine weitere Zusammenarbeit des hiervon betroffenen Elternteils mit der Gutachter wohl völlig unsinnig, da es nur noch darum gehen dürfte, den für das Residenzmodell "besseren" Elternteil zu selektieren.
2. Kann der Gutachter seine Kriterien darlegen, an Hand derer er klären will, ob das Paritätmodell oder das Residenzmodell im vorliegenden konkreten Einzelfall das für das Kindeswohl bessere Modell wäre, und kommt er zu dem Schluss, dass das Residenzmodell günstiger wäre, so kann er sich erst dann an die Beantwortung der Frage machen, welcher Elternteil beim Residenzmodell (Dominanzmodell) derjenige wäre, der dies besser leisten könnte als der andere Elternteil.
Ist bereits vor einer Beauftragung bekannt, dass ein Gutachter das Paritätmodell (Wechselmodell) generell abzulehnen scheint, so z.B. der Diplom-Psychologe Thomas Busse:
"In Ermangelung entsprechender Fachkenntnisse kann Herrn Thiel zwar nachgesehen werden, daß er um die zum Teil irreversiblen Schäden, welche aus dem von ihm präferierten `Wechselmodell` resultieren können, nicht weiß. Gleichwohl erscheinen seine Ausführungen hierzu grob fahrlässig und in keiner Weise mehr vereinbar mit sämtlichen psychologischen wissenschaftlichen Lehrmeinungen." (19.11.2004)
so wird es völlig unsinnig sein, ihn gerichtlicherseits zur Klärung der Frage zu beauftragen, ob in einem konkreten Fall das Paritätsmodell oder das Residenzmodell dem Kindeswohl besser entspricht.
Fragt ein Gericht:
"Es ist auch dazu Stellung zu nehmen, inwieweit es dem Kindeswohl entspricht, wenn die Betreuung wie zur Zeit, fast hälftig auf die Eltern aufgeteilt ist."
Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 28.10.2004, beauftragte Gutachterin Diplom-Psychologin Helene Ruppert
und stellt die Gutachterin in ihrem Gutachten abschließend fest:
"... Darüber hinaus entspricht es nicht dem Kindeswohl, wenn die Betreuung, wie zur Zeit, fast hälftig auf die Eltern aufgeteilt ist. Es erscheint vielmehr erforderlich, dass A. einen festen, eindeutigen, Lebensschwerpunkt hat. Dieser sollte im Haushalt ihrer Mutter liegen." (S. 29/30)
so kann es sinnvoll sein, die Gutachterin in der folgenden gerichtlichen Anhörung zu fragen, unter welchen Voraussetzungen sie sich überhaupt die Praktizierung des Paritätmodell vorstellen kann. Möglicherweise ist sie eine generelle Gegnerin des Paritätmodell in diesem Fall kann sie die Frage des Gerichtes wohl auch gar nicht vorurteilsfrei beantworten. Egal wie die familiäre Situation wäre, die Gutachterin würde dann immer antworten:
... Darüber hinaus entspricht es nicht dem Kindeswohl, wenn die Betreuung, wie zur Zeit, fast hälftig auf die Eltern aufgeteilt ist. Es erscheint vielmehr erforderlich, dass A. einen festen, eindeutigen, Lebensschwerpunkt hat.
In einem solchen Fall hätte sich das Gericht die Frage an die Gutachterin sparen oder aber einen anderen Gutachter beauftragen können, der das Paritätmodell als eines der möglichen Betreuungsmodelle versteht.
"Ein Kind braucht ein zu Hause"
Mehrheitsmeinung
In seinen Untersuchungen über den Einfluß von Gruppen auf Einzelindividuen verwendete Asch (3) eine Versuchsanordnung von eleganter Einfachheit. Er arbeitete mit Gruppen von acht Studenten, die im Halbkreis um den Versuchsleiter herumsaßen und von denen einer nach dem andern anzugeben hatte, welche von mehreren parallelen Linien (allen zugleich auf einer Reihe von Tafeln sichtbar gemacht) gleich lang waren. Sieben der Teilnehmer waren jedoch vorher instruiert worden, bei jeder Tafel einstimmig dieselbe falsche Antwort zu geben. Nur ein Student, die eigentliche Versuchsperson, war nicht eingeweiht und saß so, daß er als vorletzter an die Reihe kam, nachdem also sechs andere Studenten bereits mit großer Selbstverständlichkeit dieselbe falsche Antwort gegeben hatten. Asch fand, daß unter diesen Umständen nur 25 Prozent der Versuchspersonen ihren eigenen Wahrnehmungen trauten, während 75 Prozent sich in einem kleineren oder größeren Grad der Mehrheitsmeinung unterwarfen, einige blindlings, andere mit beträchtlichen Angstgefühlen.
Watzlawick, Paul; Beavin, Janet, H.; Jackson, Don D.: "Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien", Verlag Hans Huber, Bern; 1969/2000/2003; S. 20-21
Was Watzlawick an einer einfachen Versuchsanordnung erläutert, nämlich die Frage der Suggestibilität, lässt sich auch bei der fachlichen Diskussion zum Paritätmodell beobachten. Die tradierte Meinung, "ein Kind braucht ein Zuhause" (so z.B. Rakete-Dombek, Ingeborg: "Das `Wechselmodell´" und die Folgen für wen auch immer", In: "Forum Familien- und Erbrecht", 1/2002, S. 16-18) wird, ohne dass überhaupt empirische Forschung zu dem Thema vorliegen würde, geschweige denn einen auf den konkreten Einzelfall bezogenen Nachweis seiner Gültigkeit, zur "herrschenden Meinung", weil die in der Diskussion später dazukommenden Fachleute der Suggestion der herrschenden Meinung der bis dahin die Szene beherrschenden Fachleute unterliegen. Schließlich wirken auch die nunmehr von der Richtigkeit Überzeugten bestärkend auf die schon Überzeugten und auch auf die noch nicht Überzeugten. Schließlich kommt es zu einer allgemeinen Suggestion in der alle von dem Glaubenssatz "Ein Kind braucht ein zu Hause" überzeugt sind, was sich in der Realität gar nicht nachweisen lässt. Die Mehrheitsmeinung stabilisiert sich damit selbst, ohne dass je der Nachweis der Richtigkeit angetreten worden wäre. Dies kann man auch selbsterfüllende Prophezeiung (selffulfilling prophecy nennen. Ein klassisches Beispiel der Erzeugung und Wirkung solcher Massensuggestionen ist das Märchen von des Kaisers neuen Kleider, in der zwei ausgebuffte Betrüger nicht nur den Kaiser davon überzeugen, dass er schöne Kleider an hätte, sondern schließlich auch das ganze Volk daran glaubt. Nur ein kleines Mädchen erlaubt sich entgegen der herrschenden Meinung das auszusprechen, was es sieht, nämlich dass der Kaiser nackt ist.
Wir wollen hier nicht die entgegengesetzte Suggestion "ein Kind braucht zwei Zuhause" erzeugen, dessen Wahrheitsgehalt letztlich genau so wenig zu beweisen ist, wie die tradierte These "ein Kind braucht ein zu Hause". Die ehemalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann hat gar den Satz geprägt, "Familie ist da wo Kinder sind." Offenbar war sie eine heimliche Anhängerin des Paritätmodells (Wechselmodells), denn überall wo sich das Kind aufhält, ist nach dieser Definition Familie, beim Papa, bei der Mama, beim Arzt, im Kindergarten und auf dem Weihnachtsmarkt.
Ganz sicher über die angebliche Schädlichkeit des Paritätmodells sind sich allerdings auch abweisend zeigende Personen, die als Gutachter für das Familiengericht bestellt werden, nicht. So wie der schon oben zitierte Thomas Busse, der in seiner Erwiderung auf eine fachliche Stellungnahme zu einem seiner Gutachten durch Peter Thiel schreibt:
"In Ermangelung entsprechender Fachkenntnisse kann Herrn Thiel zwar nachgesehen werden, daß er um die zum Teil irreversiblen Schäden, welche aus dem von ihm präferierten `Wechselmodell` resultieren können, nicht weiß. Gleichwohl erscheinen seine Ausführungen hierzu grob fahrlässig und in keiner Weise mehr vereinbar mit sämtlichen psychologischen wissenschaftlichen Lehrmeinungen."
Diplom-Psychologe Thomas Busse, 19.11.2004, an Amtsgericht Göppingen
Im ersten Moment liest sich diese Ausführung wie eine komplette Absage an das Paritätmodell. Wenn wir jedoch genauer lesen, so sehen wir, dass der Gutachter sich doch nicht ganz so sicher zu sein scheint, wie es den Anschein hat.
"In Ermangelung entsprechender Fachkenntnisse kann Herrn Thiel zwar nachgesehen werden, daß er um die zum Teil irreversiblen Schäden, welche aus dem von ihm präferierten `Wechselmodell` resultieren können, ..."
Durch die Hintenanfügung des Wortes "können", relativiert der Gutachter seine vorher apodiktisch vorgetragene Suggestion, dass das Paritätmodell generell schädlich sei. Wäre sich der Diplom-Psychologe Thomas Busse tatsächlich sicher, dass das Paritätmodell aus Gründen des Kindeswohls generell abgelehnt werden muss, so hätte er geschrieben:
In Ermangelung entsprechender Fachkenntnisse kann Herrn Thiel zwar nachgesehen werden, daß er um die zum Teil irreversiblen Schäden, welche aus dem von ihm präferierten `Wechselmodell` resultieren, ...
Im übrigen schient der Fatalismus von Herrn Busse, mit der er von irreversiblen Schäden spricht genau das Gegenteil des Prinzips Hoffnung, die engagierten und den Menschen zugewandte Fachkräfte auszeichnet und von der Martin Luther gesagt hat.
Und wenn du wüsstest, morgen geht die Welt unter, dann pflanze heute einen Baum
Nach seiner ersten herablassenden Inkompetenzbescheinigung gegenüber seinem Widersacher Peter Thiel kommt der Diplom-Psychologe Busse im zweiten Satz dann noch zum Autoritätsbeweis. Diesen benutzt man immer dann, wenn man mit sachlichen Argumenten nicht mehr weiter weiß:
"Gleichwohl erscheinen seine Ausführungen hierzu grob fahrlässig und in keiner Weise mehr vereinbar mit sämtlichen psychologischen wissenschaftlichen Lehrmeinungen."
Autoritätsbeweise zur Diskreditierung des Paritätmodells
Bekannt geworden ist die Methode des Autoritätsbeweises in dem Brecht`schen Stück "Leben des Galilei":
"DER PHILOSOPH:
... Herr Galilei, bevor wir um das Vergnügen eines Disputs bitten. Thema: Können solche Planeten existieren?
GALILEI: Ich dachte mir, Sie schauen einfach durch das Fernrohr und überzeugen sich?
DER MATHEMATIKER: Gewiß, gewiß. - Es ist Ihnen natürlich bekannt, dass nach Ansicht der Alten Sterne nicht möglich sind, die um einen anderen Mittelpunkt als die Erde kreisen, noch solche Sterne, die im Himmel keine Stütze haben.
GALILEI: Wie, wenn Eure Hoheit die sowohl unmöglichen als auch unnötigen Sterne nun durch dieses Fernrohr wahrnehmen würden?
DER MATHEMATIKER: Man könnte versucht sein zu antworten, dass ihr Rohr, etwas zeigend, was nicht sein kann, ein nicht sehr verlässliches Rohr sein müsste, nicht?
...
GALILEI: Ich bin es gewohnt, die Herren aller Fakultäten sämtliche Fakten gegenüber die Augen schließen zu sehen und so zu tun, als sei nichts geschehen. Ich zeige meine Notierungen, und man lächelt, ich stelle mein Fernrohr zur Verfügung, dass man sich überzeugen kann, und man zitiert Aristoteles. Der Mann hatte kein Fernrohr.
...
GALILEI: Aber die Herren brauchten wirklich nur durch das Instrument zu schauen!
DER HOFMARSCHALL: Ihre Hoheit wird nicht
versäumen, über Ihre Behauptungen die Meinung unseres größten lebenden
Astronomen einzuholen, des Herren Pater Christopher Clavius, Hofastronom am
Päpstlichen Collegium in Rom."
aus: Bertolt Brecht: "Leben des Galilei",
Aufbau-Verlag, 1973, 1. Auflage, S. 600-606
Im Fall eines Autoritätsbeweises werden tatsächlich oder angeblich herrschende Meinungen bemüht, die ihrerseits nicht hinterfragbar sind oder hinterfragt werden sollen. Es sind damit unbeweisbare Axiome. Ein Axiom ist ein unmittelbar einleuchtender Grundsatz, der seinerseits nicht weiter zu begründen ist, allgemein ist es ein Satz, der weder beweisbar ist noch eines Beweises bedarf.
So ist zum Beispiel die Feststellung, die Sonne dreht sich um die Erde, ein Axiom. Jeder der den Lauf der Sonne unmittelbar beobachtet, sieht, dass die Sonne im Osten über dem Horizont aufgeht, sich um die Mittagszeit im Zenit befindet und dann langsam in Richtung Westen wandert und dort hinter dem Horizont verschwindet. Der Mathematiker, Astronom und Geograph Claudius Ptolemäus, der in der Zeit von 100 bis 160 nach Christi Geburt lebte, gründete auf dieser unmittelbar einleuchtenden Wahrnehmung sein geozentrisches System. Erst 1500 Jahre später erarbeitete Nikolaus Kopernikus (1473-1543) das heliozentrische System, in der er die Sonne als das ruhende Zentrum des Planetensystems bestimmt. 1616 wurde sein erst nach seinem Tod veröffentlichtes Hauptwerk "De revolutionibus orbium coelestium libri VI" auf den Index gesetzt.
Galileo Galilei griff die Gedanken von Kopernikus auf und geriet deshalb in Konflikt mit der römischen Kirche (1616). 1632 wurde Galilei vor die Inquisition zitiert und verurteilt. Am 22. Juni 1633 schwor er "seinem Irrtum" als treuer Katholik ab.
Heute lernt jedes Kind in der Schule, dass die Sonne im Mittelpunkt des Planetensystems steht und die Planeten um sie kreisen, nicht aber die Sonne um die Erde.
In der Geometrie bestanden Zweitausend Jahre keine Zweifel , dass die Axiome Euklids den Eigenschaften des Raumes voll entsprachen, bis sich schließlich die Einsicht durchsetzte, dass Euklids Geometrie nur eine von vielen möglichen Geometrien ist, die ihrerseits nicht nur voneinander verschieden, sondern sogar unvereinbar sein können.
In der euklidischen Geometrie, die auf dem von Euklid aufgestellten Axiomensystem beruht, gibt es z.B. das sogenannte Parallelenaxiom. Dieses besagt: Zu einer Geraden g gibt es durch einen nicht auf ihr gelegenen Punkt P in der durch g und P gelegenen Ebene höchstens eine Gerade h, die g nicht schneidet. Diese Gerade wird als Parallele bezeichnet. In der nichteuklidischen Geometrie wird jedoch auf das Parallelenpostulat von Euklid verzichtet (sogenannte hyperbolische Geometrie).
Ähnliche Phänomene der Aufhebung von Axiomen finden wir im Übergang von der klassischen zur modernen Physik. In der modernen Physik sind die Bereiche der klassischen Physik nur unter bestimmten Bedingungen als gültige Grenzfälle enthalten.
Den festen Glauben an die Richtigkeit und Wirklichkeit einmal formulierte Axiome trifft man oft bei Gutachtern, Familienrichter und anderen Fachkräften an. Dies sei Juristen und Sozialpädagogen noch verziehen, doch Gutachtern, die fast immer ein Studium der Psychologie absolviert haben und damit als vermeintliche Experten der menschlichen Psyche und des menschlichen Denkens zertifiziert sind, kann man dies nicht nachsehen.
Ganz im Gegenteil zu der gebetsmühlenartig vorgetragenen Ansicht sogenannter Experten über die generelle Schädlichkeit des Paritätmodell (Wechselmodells) gibt es eine Reihe von Kindern und getrennt lebenden Eltern, die das Paritätmodell (Wechselmodell) praktizieren und damit offenbar ganz gut leben. So z.B. ein uns näher bekannter Fall, bei dem der Sohn sich schon seit längerer Zeit im wöchentlichen Wechsel bei seinen getrennt lebenden Eltern aufhält. Der Vater ist auch noch Sozialpädagoge und dessen Lebensgefährtin Psychologin, das dürfte zumindest die Autoritätsgläubigen unter den "ein Kind braucht ein zu Hause" Anhängern beeindrucken. Hartgesottene traditionell agierende Gutachter und Familienrichter (das hat´s bei uns noch nie gegeben) wird dies wohl trotzdem nur wenig beeindrucken, weil sie glauben, sie wären die einzigen, die wissen würden, was richtig und was falsch sei.
Die unhinterfragt vorgetragene "ein Kind braucht ein zu Hause" Meinung ist mindestens genau so richtig wie die Meinung, "ein Kind braucht eine Muttersprache" und wenn dann die Eltern verschiedene Sprachen sprechen, dann ist das eben ein Ding der Unmöglichkeit und könnte ein Anlass sein, zum Verbot zweisprachiger Erziehung aufzurufen. Dass das nicht passiert ist wohl einzig dem politischen Mainstream zuzuschreiben, der es im Zeichen von Multikulti als gut definiert, wenn Kinder zweisprachig aufwachsen und nur noch üble Neonazis propagieren öffentlich die Reinheit allen Deutschseins.
"mir geht es gut: ich habe zwei muttis" so ist ein Flyer des Pflegekinderdienst im Jugendamt Berlin-Marzahn überschrieben. Dies dürfe sofort die orthodoxen Verfechter der "Ein Kind braucht ein zu Hause" Ideologie auf den Plan rufen. Wie kann es einem Kind gut gehen, das zwei Muttis (eine leibliche Mutter und eine Pflegemutter) hat. Vielleicht hat das Kind dann sogar zwei Vatis (einen leiblichen und einen Pflegevater).
Seit November 2004 darf nach dem vom Bundestag verabschiedeten neuen Adoptionsrecht für lesbische und schwule Ehepaare ein Kind sogar zwei lesbische Frauen oder zwei schwule Männer als rechtliche Eltern haben. Das Kindeswohl wurde damit politisch neu definiert, ohne dass sich die Realität geändert hätte. Von einem Tag auf den anderen ist etwas plötzlich Kindeswohl, was den Tag da vor Nichtkindeswohl war. Mir geht es gut, ich habe zwei lesbische Mütter oder mir geht es gut, ich habe zwei schwule Väter mag das solcherart beglückte Kind nun sagen.
Einmal davon abgesehen, inwieweit Adoptionen nach Artikel 6 Grundgesetz überhaupt verfassungsrechtlich zulässig sind, die "Ein Kind braucht ein zu Hause" Ideologen müssten hiergegen sofort Sturm laufen. Eigenartiger Weise kann man davon nichts bemerken, vielleicht weil sich im Gegensatz zu entsprechenden Gutachteraufträgen zum Paritätmodell hier kein Geld verdienen lässt. Dies stützt die traurige aber wohl nicht zu verändernde Vermutung, dass sich bestimmte Menschen für das Kindeswohl oft nur dann interessieren, wenn sich damit Geld verdienen lässt.
Die Vorstellungen der Experten folgen nicht nur bei der Bewertung des Paritätmodells oft tradierten und allgemein anerkannten gesellschaftlichen Meinungen oder Trends. Dies kann man z.B. in der Debatte zum Thema intersexueller Kinder (Zwitter) beobachten. bis in die 90-er Jahre hinein, wurden diese Kinder häufig zwangsweise einer operativen und hormonellen "Geschlechtsumwandlung" unterzogen, um sie der gesellschaftlichen Norm der Zweigeschlechtlichkeit "anzupassen". In der Regel dürften diese mit Traumatisierungen der Kinder verbunden gewesen sein, die nach normalen Maßstäben strafrechtliche Konsequenzen bei den sorgeberechtigten Eltern und den misshandelnden Ärzten nach sich ziehen müssten. Aber dies ist nicht geschehen, im Gegenteil. Der Staat unterstützte solche Kindesmisshandlungen logistisch und finanziell. In den 90-er Jahren begann, insbesondere durch inzwischen erwachsen gewordene Intersexuelle, die das Schweigen brachen und mit ihrem Leiden an die Öffentlichkeit traten, ein langsames gesellschaftliches Nachdenken. Von einer Ächtung und Strafverfolgung solcher Manipulationen an Kindern sind wir aber anscheinend noch immer weit entfernt.
Letztlich speist sich die Erkenntnis sogenannter Experten zum Paritätmodell häufig nur aus dem wenigen, was andere vorher dazu gesagt haben, ohne je die Richtigkeit ihrer Ansicht nachzuweisen. Ganz besonders pfiffig sein wollende Psychologen versuchen die Ungeeignetheit des Paritätmodells daran festzumachen, dass ihre Kollegen aus dem selben Gutachterinstitut darüber noch nichts geschrieben hätten:
"Im neuesten Lehrbuch der Familienrechtspsychologie findet sich z.B. der Begriff „Wechselmodell" erst gar nicht....
Diplom-Psychologe Dr. Klaus Schneider, 07.05.2003
Diese Argumentation ist wohl ähnlich wissenschaftlich wie die Argumentation eines mittelalterlichen Geografen zu der Nachricht der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus:
"Im neuesten Lehrbuch der Geografie findet sich z.B. der Begriff „Amerika" erst gar nicht...."
Nebenbei bemerkt kann die Nichtbehandlung des Themas Paritätmodell durch die von Schneider gemeinten Autoren schlicht daran liegen, dass die beiden das Thema für nicht beachtlich hielten oder für besonders problematisch oder wofür auch immer, so dass sie es schließlich nicht in ihr Buch aufnahmen. Zudem scheint Dr. Schneider auch noch uninformiert zu sein, er hätte nur mal seinen "Institutschef" Dr. Rainer Balloff vom sogenannten Institut für Gericht und Familie (IGF) in Berlin konsultieren müssen, der schon 1990 gemeinsam mit Dr. Eginhard Walter geschrieben hat:
Das Wechselmodell scheint somit
"weder eine gute noch eine schlechte Lösung (zu sein), sondern ein Engagement, das unter bestimmten Bedingungen funktionieren kann"
Balloff/Walter, FamRZ 1990, 445, 450; zitiert nach FamRZ 2005, Heft 2, S. 125/126
Offenbar scheinen die Informationsflüsse am sogenannten Institut für Gericht und Familie (IGF) trotz möglicher kollegialer Intervison und fachlicher Supervision nicht von der Qualität zu sein, die man sich wünschen dürfte, wenn einer der dort aktiven Kollegen noch nicht einmal zu wissen scheint, was denn sein großer Meister und Institutschef schon vor 13 Jahren verkündet hat.
Vielleicht floss die Information aber auch, nur Dr. Schneider hat sie nicht mitbekommen. Dann würde es sicher nicht wundern, wenn Herr Schneider in einer simplen Entweder-Oder Logik ein Kind, das sich in einer vorherigen Befragung durch ihn selbst für die Beibehaltung des von den Eltern praktizierten Wechselmodells ausgesprochen hatte, suggestiv befragt:
"Aber was soll denn nun dein zu Hause sein? Und wen willst du besuchen?"
Diplom-Psychologe Dr. Klaus Schneider, Gutachten vom 10.03.2003 für Amtsgericht Potsdam - 45 F 831/02 -, S. 20
Die Suggestion des Herrn Schneider besteht darin, dem Kind vorzugeben, es könnte nur ein zu Hause haben, nicht aber zwei. Mit solchen Fragen werden im Sinne Watzlawicks Doppelbindungen (double binds) kreiert. Watzlawick bringt dafür das schöne Beispiel eines imaginären Staatsanwaltes, der den Angeklagten fragt:
"Haben Sie endlich aufgehört, Ihre Frau zu misshandeln? Antworten Sie mit `ja´ oder ´nein´!"
Watzlawick, Paul; Beavin, Janet, H.; Jackson, Don D.: "Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien", Verlag Hans Huber, Bern; 1969/2000/2003, S. 215
und dem angeklagten Mann mit Bestrafung wegen Missachtung durch das Gericht droht, wenn er beide Alternativen zu verneinen versucht, weil er seine Frau nie misshandelt hat. Watzlawick bezeichnet dies in Anlehnung an Weakland und Jackson (1958) als "Illusion der Alternativen".
Uwe Jopt (2004) zeigt an der Thematik Umgang kritisch auf, wie wenig begründet viele sogenannter fachlicher Argumentationen bezüglich der Frage sind, in welchem Umgang ein Elternteil und seine Kinder nach einer Trennung miteinander Kontakt haben sollten:
"Die Folgen einer lediglich äußerlich befriedeten Elternschaft zeigen sich ganz besonders auf dem Feld des Umgangsrechts. Zwar sind die dort auftretenden Probleme aus wissenschaftlicher Sicht ohnehin nicht zu beantworten - von wenigen Ausnahmen, z. B. Erkenntnissen der Bindungsforschung zur Trennung von der Bezugsperson, abgesehen -, denn sie sind ethischer Natur. Die Entwicklungspsychologie macht keine Aussagen zur Ausgestaltung von Umgang, und es lässt sich auch nirgendwo nachlesen, wie oft ein Kind den Vater besuchen bzw. bei ihm übernachten soll. Deshalb ist jede Empfehlung – bis hin zur Aussetzung – letztlich willkürlich und erheblich von der Person des Gutachters abhängig. Meist beruht sie auf einer Mischung aus persönlichen Überzeugungen und Pragmatismus. Doch wenngleich im Familienrecht - wegen der manchmal totalen Unfähigkeit von Eltern, ihre eigenen Probleme von den Bedürfnissen und Rechten der Kinder zu trennen – auf Gutachtervorschläge zum Umgangsrecht auch nicht verzichtet werden kann, so müssen sie trotzdem nicht zum Schein „verwissenschaftlicht“ werden. Gelingt es im Rahmen der Begutachtung nicht, die Eltern wenigstens für einen Minimalkonsens zu gewinnen, sind weitere Kontaktstörungen zu Lasten des Kindes so gut wie vorprogrammiert, bis hin zu irreversiblen Beziehungsabbrüchen, die von ihm selbst ausgehen (PAS). Insofern beweisen zeigen gerade die zunehmenden Umgangsprobleme am Familiengericht, welch enge Grenzen der entscheidungsorientierten Begutachtung gesetzt sind."
Jopt, Uwe; Zütphen, Julia:
"Psychologische Begutachtung aus familiengerichtlicher Sicht: A.
Entscheidungsorientierter Ansatz"; In: "Zentralblatt für
Jugendrecht", 9/2004, S. 320
Gleiches dürfte auch für eine wissenschaftliche Begründung für und wider das Paritätmodell gelten. Kaffeesatzleserei wird oft als Wissenschaft verkauft. Genügend unkritische und zahlungskräftige Abnehmer findet man offenbar immer.
Verfahrensbeistand und Paritätmodell
Richter Flux vom Amtsgericht Pankow bestellte in dem Verfahren 201 F 5970/17, in dem die Mutter das Residenzmodell anstrebt, der Vater das Wechselmodell,am 09.11.2017 Frau Ann-Marie Steiger als Verfahrensbeistand. Vorausgegangen war dem der Vorschlag der Mutter, bzw. des von ihr im Rahmen von Verfahrenskostenhilfe zugezogenen Rechtsanwaltes Nicolas Greiner, von der einschlägig bekannten Rechtsanwaltskanzlei Ekkehard von der Aue, Frau Steiger als Verfahrensbeistand zu bestellen. Richter Flux folgte willig diesem Parteivorschlag, obwohl die Anwältin des Vaters dagegen Protest erhob. Es scheint aber doch wohl klar zu sein, dass eine Partei, hier die Mutter, nicht eine Person als Verfahrensbeistand vorschlägt, von der sie ungünstige Aussagen erwartet, sondern eher das Gegenteil, also Aussagen, die der Position der Mutter entsprechen.
Nun ist es aber erst einmal wie es ist. Frau Steiger
nimmt ihre Tätigkeit auf, gesetzlicher Auftrag ist die Interessenvertretung des
Kindes.
In einem Verfahren, in dem die Eltern über die Frage
streiten, ob das 15-monatige Kind im Wechselmodell betreut werden soll oder
nicht, darf man aber sicher erwarten, dass ein Verfahrensbeistand, hier also
Frau Steiger, auf die grundsätzliche Frage des Vaters
Sehr geehrte Frau Steiger,
bevor wir nun aber einen Termin vereinbaren, bitte ich Sie noch um Beantwortung meiner bereits gestellten Fragen:
Informieren Sie mich bitte über Ihre fachliche Position zum Wechselmodell, insbesondere bei Kindern unter 3 Jahren.
Bitte teilen Sie mir auch mit, inwieweit Sie mit den Forschungsergebnissen von Prof. Hildegund Sünderhauf vertraut sind und welche Position Sie dazu haben.
Hildegund Sünderhauf:
Wechselmodell: Psychologie - Recht - Praxis. Abwechselnde Kinderbetreuung durch
Eltern nach Trennung und Scheidung; 2013, XXIV, 893, Springer.
eine einigermaßen
qualifizierte Antwort gibt und nicht wie ein ertappter Einbrecher versucht vom
Thema abzulenken.
Frau Steiger antwortet dem Vater:
Sehr geehrter
Herr ...,
es fehlen mir die zeitlichen
Resourcen, um mich im Vorfeld mit den Beteiligten über alle Forschungsergebnisse
auszutauschen. Das Gericht hat meine Kompetenz durch die Berufung in den
Verfahrensbeistand bestätigt.
Bitte teilen Sie mir mit, ob Sie im Blick
an das Kindeswohl mit meinem Hausbesuch am 12.12. um 14.30 +/- 30 min. (je nach
Verkehrslage) einverstanden sind, ein Gespäch in meiner Paxis haben Sie
abgelehnt.
Bitte sorgen Sie dafür, dass Ihr Sohn anwesend ist.
Bei Bedarf kann ich Ihnen eine
Bestätigung über diesen Termin für die Kita/ den Arbeitgeber zukommen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Steiger
Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt, heißt
es in einem alten Bergmannslied. So ein rechter Glücksbringer scheint die vom
Amtsgericht Pankow/Weißensee - 201 F 5970/17 - Richter Flux
auf Vorschlag der
das Wechselmodell ablehnenden Mutter als Verfahrensbeistand bestellte
Ann-Marie
Steiger nicht zu sein.
Frau Steiger als M.A. BSc Psychology - wie auf der Internetseite der Praxisgemeinschaft Gerhard Hennig - Claudia Neidig - Sonja Weber - Ann-Marie Steiger zu lesen - hat womöglich im Studium keine Vorlesungen und Seminare zum Wechselmodell genießen können und auch nach Studienabschluss versäumt, sich mit dem Thema zu beschäftigen oder wie sollte man sonst erklären, dass sie sich gegenüber dem Vater zu ihrer grundsätzlichen Haltung in Bezug auf das streitgegenständliche Modell nicht äußern will?
Frau Steiger bauscht eine einfache Frage auf zu einer Aufforderung, sich "im Vorfeld mit den Beteiligten über alle Forschungsergebnisse auszutauschen".
Wenn sie zudem behauptet, keine zeitlichen Ressourcen zu haben, sich grundsätzlich zum Wechselmodell zu äußern, dann sollte sie sich vom Gericht von der sie anscheinend zeitlich überfordernden Aufgabe entbinden lassen.
Mit dieser
Verfahrensbeiständin - bestellt auf Vorschlag der das Wechselmodell ablehnenden
Mutter - die nicht erläutern mag, wie sie grundsätzlich zum Wechselmodell steht,
rumzuwursteln, da kann man auch mit verbundenen Augen die Brücke runterspringen
in der Hoffnung, dass just in dem Moment ein LKW mit einer Ladung Heu drunter
durchfährt. Meistens hat man hierbei Pech und landet auf einer Betonplatte und
bricht sich mindestens beide Beine.
In einem 9-seitigen Schreiben vom
11.12.2017 informiert die Verfahrensbeiständin Steiger das Gericht über ihr
Zusammentreffen mit dem Kind und der Mutter, von ihr despektierlich als
"Kindesmutter" bezeichnet, der Vater wird als "Kindesvater" tituliert. Über das
von ihr zu vertretene Kind verliert Frau Steiger aus eigener Anschauung zwei
nichtssagende Sätze, um dann erst einmal den Vater wegen dessen Forderung nach
Darlegung der fachlichen Position der Verfahrensbeiständin zum Wechselmodells zu
schelten. Dann regt Frau Steiger (M.A. BSc Psychology) "die Einholung eines
Sachverständigengutachtens" mit der Begründung an, ihr wäre es nicht möglich
eine "fundierte Einschätzung" zum Verfahrensgegenstand abzugeben. Wenn Frau Steiger als M.A. BSc Psychology
das nicht kann, dann ist sie vielleicht fehl am Platze, denn wie soll ein Verfahrensbeistand seinem gesetzlichen Auftrag
nachkommen, wenn er oder sie keine "fundierte Einschätzung" bezüglich der
Interessenslage des Kindes abgeben kann? Eine "fundierte Einschätzung"
abzugeben, heißt ja nicht, wie ein Wahrsager in die Zukunft zu schauen und das
richtige vorzusagen. Wie das Wort "Einschätzung" zum Ausdruck bringt, geht es um
eine Schätzung, nicht um das Verkünden der Wahrheit, die ohnehin niemand kennt.
Vergleiche hierzu:
Paul Watzlawick (Hrsg): "Gesund in kranker Umgebung", In: "Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? Beiträge zum Konstruktivismus."; Hrsg. Paul Watzlawick (mit Beiträgen von Ernst von Glasersfeld, Heinz von Foerster, Rupert Riedl, Paul Watzlawick, David L. Rosenhan, Rolf Breuer, Jon Elster, Gabriel Stolzenberg, Francisco Varela), Piper, 1981
Das Gesetz sieht gar nicht vor, dass der Verfahrensbeistand
eine "fundierte Einschätzung" zum Verfahrensgegenstand abzugeben habe, sondern
er soll die Interessen des Kindes vertreten. Irgendwelche Interessen hat
ein Kind immer und sei es nur, dass es etwas zu essen haben, ein Schlaflied
hören oder mit dem Papa Faxen machen will.
Zum Kind selbst verliert Frau Steiger - wie schon gesagt - aus eigener Anschauung zwei Sätze. Hier hätte Frau Steiger einfach sagen sollen, dass sie nichts relevantes zum Kind zu sagen weiß. Statt dessen referiert Frau Steiger auf den nachfolgenden sieben Seiten die Sichtweise der Mutter, grad so, als ob die Mutter keinen auf der Basis von Verfahrenskostenhilfe arbeitenden Rechtsanwalt namens Nicolas Greiner von der einschlägig bekannten Kanzlei des Rechtsanwaltes Ekkehard von der Aue hätte, dem es aufgegeben wäre, dem Gericht die Sichtweise der Mutter parteiisch vorzutragen.
Ob Richter Flux nun unreflektiert und doppelt zur Kentniss nimmt, wie die Mutter nun die Welt konstruiert (Watzlawick) oder ob er aus Erfahrung weiß, das die Hälfte dessen, was von den Verfahrensbeteiligten als Wahrheit vorgetragen wird, mehr der Phantasie der Betroffenen auf Grund erfahrener Kränkungen und verletzter Selbstwertgefühle entstammt, wir wissen es nicht. Wer gerne Märchen hört, wird sich die Berichte von mangelhaft qualifizierten Verfahrensbeiständen mit Begeisterung durchlesen, grad wie einfach gestrickte Menschen in Klatschzeitungen lesen, um ihre Weltsicht bestätigt zu bekommen.
Im übrigen schwört Richter Flux gerade zu auf
Fachkräfte wie Frau Steiger. In einem Schreiben vom 21.12.2017 schreibt er
beschwörend:
An uneingeschränkter Eignung der bestellten Verfahrensbeiständin zur Wahrnehmung der verfahrensbezogenen Kindesinteressen besteht unverändert kein Zweifel. Die pauschal gegen die Praxisgemeinschaft gerichteten Vorwürfe decken sich in keiner Weise mit den hiesigen Erfahrungen. Hinsichtlich des in Frage stehenden paritätischen Wechselmodells ist dem Gericht erinnerlich , dass sich die Verfahrensbeiständin einzelfallbezogen teilweise dafür und teilweise dagegen ausgesprochen hat.
Der Pfarrer auf der
Kanzel würde noch das Amen dazu setzen, der Indianerhäuptling: How, ich habe
gesprochen.
Leider teilt Richter Flux nicht mit, mit welchen Argumenten Frau Steiger sich mal für und mal gegen das Wechselmodell ausgesprochen habe. Wenn man diese Argumente kennen würde und diese eine gewisse logische Stringenz besäßen, könnte man sich als Betroffene/r vorab darauf einstellen, ob im eigenen Fall der Daumen von Frau Steiger nach unten oder oben geht.
Wie Richter Flux hier darauf kommt,es habe pauschale Vorwürfe "gegen die Praxisgemeinschaft" gegeben, ist erst mal nicht ersichtlich, es ging lediglich um den Vorwurf, dass die Verfahrensbeiständin auf namentlichen Vorschlag seitens der Mutter bestellt wurde und sich auf Anfrage weigerte, ein kurzes Statment hinsichtlich ihrer Position zum Wechselmodell bei Kleinkindern mitzuteilen, mit der fadenscheinigen Begründung:
es fehlen mir die zeitlichen
Resourcen, um mich im Vorfeld mit den Beteiligten über alle Forschungsergebnisse
auszutauschen. Das Gericht hat meine Kompetenz durch die Berufung in den
Verfahrensbeistand bestätigt.
05.12.2017
An der Zeit
kann es mit Sicherheit nicht liegen, sonst hätte sich Frau Steiger die
langatmige Wiedergabe der Sichtweise der Mutter gespart. Man darf sicher davon
ausgehen, dass es der - warum auch immer - fehlende Wille der Frau Steiger war.
Womöglich meint sie, ein Verfahrensbeistand wäre so etwas wie ein kleiner König
und Könige mögen es bekanntlich gar nicht, wenn die Untertanen eine eigene
Meinung oder gar Forderung vortragen. Oder sie schließt das Wechselmodell bei
Kindern unter drei Jahre generell aus, dann wäre auch klar, warum sie das nicht
gleich zu Anfang mitteilt, sondern erst dann, wenn sie genügend geeignetes
Futter gesammelt hat, um die im Voraus existiertende Meinung zu "bestätigen".
Wie fast immer bei missglückten Startversuchen, wird es hinterher meist nicht besser, sondern schlechter. So beantragt die Mutter, dem Vater das Sorgerecht zu entziehen, das kann sie ja mehr oder weniger ungefährdet tun, denn sie selbst erhält Verfahrenskostenhilfe und es ist klar, der Vater kriegt auf alle Fälle die Kosten des Verfahrens, des Verfahrensbeistandes und eines Gutachters aufgebrummt.
Die Mutter plant im Laufe des Jahres, nach dem Sommer, einen Umzug mit dem Kind in die pfälzisch-badische Gegend, also vielleicht nach Karlsruhe, ca. 700 Kilometer von Berlin entfernt. Folgt das Gericht dem Antrag der Mutter, dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen, so darf dieser als dann staatlich definierter Volltrottel, mal eben alle 14 Tage auf eigene Kosten hinfahren und sein Kind - möglichst unter Aufsicht der Mutter - sehen.
Nun hat der Gesetzgeber leider grundsätzlich erlaubt, dass Eltern beantragen können, dem anderen Elternteil das Sorgerecht oder Teile davon, wie das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen, das steht zwar im Widerspruch zum Grundgesetz Artikel 6, aber das Grundgesetz, wir wissen es, ist ein geduldiges Stück Papier, herausgeholt nur zu besonderen Anlässen, wie den Sonntagsreden von Politikern.
Richter Flux tut also, was er meint, tun zu müssen, er kündigt in der Anhörung am 01.03.2018 an, ein sogenanntes Sorgerechtsverfahren zu eröffnen, in dem darüber entschieden werden soll, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen oder ob es weiterhin beim gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrecht bleiben soll.
Richter Flux kündigt in der Anhörung an, Frau Steiger auch in diesem neuen Verfahren als Verfahrensbeiständin zu bestellen (wir hören wie erneut 550,00 € bei Frau Steiger in der Kasse klingeln, da kommt Freude auf). Zudem soll auch ein Gutachten in Auftrag gegeben werden (da darf man schon mal mit 3.000 bis 6.000 € Kosten rechnen, die natürlich der Vater zu zahlen hat, da die Mutter Verfahrenskostenhilfe erhält, warum ist er auch als Junge und nicht als Mädchen geboren worden, typischer Fall von selbst dran schuld.
Und so kommt es wie es kommen muss. Mit Beschluss vom
05.03.2018 trifft Richter Flux die Verfügung zur Einholung eines
"familienpsychologischen Sachverständigengutachtens" darüber:
1. ... welcher Elternteil unter Berücksichtigung der gefühlsmäßigen Bindungen
des Kindes, der eigenen Erziehungsfähigkeit und Bindungstoleranz sowie der
jeweils angestreben Perspektiven für das eigene Leben und das Leben des Kindes
besser in der Lage ist, das Kind zu betreuen und zu erziehen.
2. ... welche Umgangsregelung
zur bestmöglichen Wahrung des Kindeswohls angezeigt ist.
...
3. Zum Sachverständigen bestimmt ... Herr Dipl.-Psych. Dr. Jörg Paschke
...
7. Kostengrenze: 5.000,- €.
Falls diese Grenze
nicht einzuhalten ist, wird aufgegeben, das Gericht hiervon vorab zu
benachtrichtigen.
Also eine typische auf Elternselektion orientierte 5.000 € Frage, welches Bein
besser ist, das linke oder das rechte. Man mag nicht wissen, aus welchem
"rechtspsychologischen" Machwerk Richter Flux womöglich abgeschrieben hat oder
ob er sich die Frage nach dem "besseren" Elternteil selbst ausgedacht hat, was
auch nicht besser wäre. Über die verfahrensgegenständliche Frage, ob ein
Wechselmodell oder ein Residenzmodell dem Wohl des Kindes am besten entspricht,
keine Spur, im Gegenteil, es wird von einer Umgangsregelung gesprochen, so dass
man den Eindruck bekommen kann, Richter Flux würde mit seiner Fragestellung
präjudizierend auf den als Gutachter bestellten Jörg Paschke einwirken wollen,
was - so es denn zuträfe - naturgemäß die Besorgnis der Befangenheit von Richter
Flux hervorrufen könnte, samt dazu gehörigen Antrag auf Entbindung von Richter
Flux aus dem laufenden Verfahren.
Kindeswille
Trägt ein Kind in einem elterlich ausgetragenen Konflikt um das Betreuungsmodell vor, dass es nicht im Paritätmodell leben möchte, ist dies ein ernstzunehmendes Argument, das in der Regel nicht übergangen werden sollte.
Trägt ein Kind oder Jugendlicher jedoch vor, es würde gerne von beiden Eltern im Paritätmodell betreut werden und bei beiden Eltern seine Lebensschwerpunkte haben, wird dieses Interesse des Kindes von den Fachkräften nicht selten abgetan. Das Kind würde nicht wissen, was gut für es ist und es wolle im Loyalitätskonflikt es beiden Eltern recht machen. Zweifellos steht das Kind sehr oft im Loyalitätskonflikt. Und eine Lösung kann gerade darin bestehen, diesen Loyalitätskonflikt des Kindes ernst zu nehmen und als wichtigen Parameter in einer zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen. Wenn die Gerechtigkeitsvorstellungen des Kindes jedoch von Fachkräften einfach abgebügelt werden, muss werden damit diese Gerechtigkeitsvorstellungen des Kindes einfach abgetan. Dies kann zur Folge haben, dass das Kind eigene Wege findet, seine Gerechtigkeitsvorstellungen doch noch zu verwirklichen, so z.B. durch Solidarisierung mit dem unterlegenen Elternteil oder durch Sabotage der angeordneten Regelung.
Hildegund Sünderhauf
Abwechselnde Kinderbetreuung durch Eltern nach Trennung und Scheidung
Sünderhauf, Hildegund
2013, XXIV, 893
http://www.springer.com/springer+vs/psychologie/book/978-3-531-18340-4
Hildegund Sünderhauf
Wechselmodell: Psychologie - Recht - Praxis
Abwechselnde Kinderbetreuung durch Eltern nach Trennung und Scheidung
1. Aufl., 28. August 2013, Vs Verlag Für Sozialwissenschaften
EUR 79,99
Sünderhauf (2013):Vorurteile gegen das Wechselmodell: Was stimmt, was nicht?
Argumente in der Rechtsprechung und Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung.
Der Familienrechtsberater (FamRB) Teil 1 Heft 9, S. 290-297 und Teil II.
Heft 10, S. 327-335 auf Seite
http://www.famrb.de/wechselmodell.htm
Kostenlose Leseprobe
Lesen Sie zu dem Thema den Beitrag aus Heft 9 und 10/2013 des Familien-Rechts-Beraters von Frau Prof. Dr. Hildegund Sünderhauf "Vorurteile gegen das Wechselmodell: Was stimmt, was nicht? - Argumente in der Rechtsprechung und Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung (PDF)"
http://www.famrb.de/media/Suenderhauf_FamRB.PDF
Literatur
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http://www.oif.ac.at/service/zeitschrift_beziehungsweise/detail/?S=kontrast%3F&tx_ttnews[tt_news]=2401&cHash=8f63bb8795c8c4ade7e21f55b033fa06Gisela Wohlgemuth: "Spielarten des Wechselmodells - unterhaltsrechtliche Aspekte", In: FamRZ - Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, 2/2014, 84-88
Rechtsprechung zum Paritätmodell
Amtsgericht Heidelberg - 31 F 15/14
Amtsgericht
Tempelhof-Kreuzberg - 168 F 4183/08
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 17.12.2015 - 2 UF 106/14:
Eine hälftige Aufteilung der Betreuungszeiten
für das Kind im Sinne eines Wechselmodells ist im Rahmen eines Umgangsverfahrens
möglich, sofern dies im Einzelfall die dem Kindeswohl am besten entsprechende
Gestaltung der Betreuungszeiten darstellt.
Kammergericht - Beschluss vom 28.02.2012 - 18 UF 184/09 - Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils, FamRZ 11/2012 vom 1. Juni 2012, 886 - http://openjur.de/u/368523.html
Kammergericht - Beschluss vom 21.02.2006; NJW-RR 2006, 798
Oberlandesgericht Bamberg - 2 UF 133/17 - 18.09.2017. Kein Wechselmodell bei schwerwiegender Kommunikationsstörung. FamRZ 6/2018
Oberlandesgericht Brandenburg - 10 UF 2/17 - vom 09.05.2017 - Wechselmodell und Mediation, FamRZ 21/2017
Oberlandesgericht Brandenburg, NJOZ 2003, 3041 = FamRZ 2002, 1949
Bundesgerichthof - Urteil vom 21.12.2005 - XII ZR 126/03, In: "Das Jugendamt", 09/2006, S. 415-418
Bundessozialgericht, Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 - Hälftiger Mehrbedarf für Alleinerziehende bei Abwechslung in der Betreuung. Veröffentlicht in: FamRZ 14/2009
Oberlandesgericht Celle, Beschluss v. 4.1.2008 - 15 W F 241/ 07: Zu Vor- und Nachteilen des Wechselmodells (hier: betr. ein zweieinhalb Jahre altes Kind). FamRz 2008, 2053
Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 3.6.2004 - 21 UF 144/04, In: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 2005, Heft 2, S. 125-126
Oberlandesgericht Dresden, Beschluss des 21 Zivilsenats - Familiensenat - vom 9. März 2004, Aktenzeichen: 21 UF 0004/04
Oberlandesgericht Düsseldorf - Beschluss vom 20.06.2013 - II-7 UF 45/13 - in FamRZ 2014, Heft 7 - Besteht ein echtes Wechselmodell zwischen den Eltern, ist der das Kindergeld beziehende Elternteil verpflichtet, das hälftige Kindergeld an den anderen Elternteil auszugleichen. Eine Anrechnung auf den nach dem Einkommen beider Eltern ermittelten Bedarf des Kindes findet nicht statt. https://openjur.de/u/647530.html
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 05.12.2005 - 2 UF 10/05; In: "Das Jugendamt", 06-07/2006, S. 318-319: Zur Bemessung der Barunterhaltspflicht der leistungsfähigen Elternteile beim sogenannten Wechselmodell
Oberlandesgericht Köln, BeckRS 2005, 13 577
Oberlandesgericht München, FamRZ 2002, 1210
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 14.03.2007 - 16 UF 13/07, In: "Das Jugendamt", 10/2007
Oberlandesgericht Schleswig - 15 UF 155/13 - Beschluss vom 19.12.2013 - Amtsgericht Kiel 53 F 121/12 - Anordnung eines Wechselmodells nicht abhängig von der Zustimmung beider Elternteile
Melderecht
Verwaltungsgericht Schwerin: Zur melderechtlichen Hauptwohnung des Kindes bei gemeinsamer elterlicher Sorge, insbesondere in Form des Partitätmodells (Wechselmodell). Verwaltungsgericht Schwerin - Beschluss vom 30.08.2010 - 6 A 523/08; In "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 6/2011, S. 484-485
Europarat
Europarat unterzeichnet Resolution zur Doppelresidenz als Standardmodell hier aufrufen.
Deutsche Übersetzung:
Forschung zum Paritätmodell
Projekt: Multilokalität von Familie (Schumpeter-Forschungsgruppe)
Die Gestaltung von Familienleben bei räumlicher Trennung
Laufzeit: 01.01.2009 - 31.12.2013
http://www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=669
Wenn Eltern sich trennen: Familienleben an mehreren Orten
DJI-Projekt - Thema 2011/12 <br>Wenn Eltern sich trennen: Familienleben an mehreren Orten
Auf einen Blick
von Dr. Michaela Schier, Nina Bathmann, Sandra Hubert, Diane Nimmo und Anna Proske
http://www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=1120&Jump1=LINKS&Jump2=10
Medienbeiträge zum Paritätmodell
Jetzt mal ehrlich - Mama betreut, Papa zahlt - ist das noch zeitgemäß?
22.02.2016
Mama betreut, Papa zahlt und unternimmt jedes zweite
Wochenende etwas mit den Kindern - das war in Deutschland jahrzehntelang das
gängige Modell nach einer Scheidung. Doch immer mehr Väter protestieren dagegen.
Sie wollen ihre Kinder gleichberechtigt betreuen und am Alltag ihrer Kleinen
teilhaben - auch nach einer Trennung. Das neue Modell nennt sich
"Wechselmodell". Unterstützung bekommen die sogenannten "neuen Väter" nun auch
vom Europarat, der Deutschland für den Umgang mit Trennungseltern und - kindern
kritisiert.
Stream und auch zum Download
Forschungsergebnisse zum "Wechselmodell"
Prof. Dr. jur. Hildegund Sünderhauf
Prof. Dr. jur. Hildegund Sünderhauf,
ehemalige Scheidungsanwältin, Wissenschaftlerin und Autorin des 900-seitigen
wissenschaftlichen Fachbuchs "Wechselmodell: Psychologie - Recht -
Praxis" (2013), referierte am 21.11.2013 im Rahmen des 4. Bundeskongresses
"Interdisziplinäre Zusammenarbeit im Sorgerechts- und
Umgangsverfahren" der Dresdener Initiative Trennungskinder im
Oberlandesgericht Dresden
http://www.youtube.com/watch?v=HpV4AXJFqHQ
17.09.2013
Papa-Woche, Mama-Woche: Kinder leben nach der Trennung oft "im Wechselmodell"
Autor:
Sünderhauf, Hildegund
Sendezeit:
15:08 Uhr
Länge:
10:49 Minuten
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2013/09/17/drk_20130917_1508_928478a3.mp3
22.08.2013
Interview Prof. Sünderhauf: Eine Woche Mama, eine Woche Papa
Autor:
Schroeder, Carsten
Sendezeit:
20:19 Uhr
Länge:
07:22 Minuten
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2013/08/22/dlf_20130822_2019_5c09db4a.mp3
Familienleben nach der Trennung Forschungsgruppe "Doing Family" am Deutschen Jugendinstitut in München
02.02.2012 · 20:10 Uhr
Deutschlandradio
Sendung von Isabel Fannrich
Zum Thema Familienleben nach der Trennung Forschungsgruppe "Doing Family" am Deutschen Jugendinstitut in München und Paritätmodell, als Experte mit dabei Peter Thiel, Systemischer Familientherapeut.
Die Sendung kann hier angehört oder runtergeladen werden:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/1666254/
02.02.2012 · 20:10 Uhr
Familienleben nach der Trennung Forschungsgruppe "Doing Family" am Deutschen Jugendinstitut in München
Von Isabel Fannrich
Kinder können sich an zwei Orten und in zwei Familien zu Hause fühlen. Sie wollten, das zeige eine Studie des Deutschen Jugendinstituts, nicht auf den Kontakt zu beiden Elternteilen verzichten. Belastend sei aber, so die Studie, wenn der Streit der Eltern nach der Trennung weitergehe.
Immer mehr Kinder in Deutschland leben an mehreren Orten, weil ihre Eltern sich getrennt haben. Genaue Zahlen darüber gibt es aber nicht. Die Forschungsgruppe "Multilokalität von Familie", angesiedelt am Deutschen Jugendinstitut in München, hat nun versucht, sich in einer Studie dem Alltag von Nachtrennungsfamilien anzunähern. 12,5 Prozent der Minderjährigen in Deutschland, so berechnen die Forscherinnen, wohnen bei getrennt lebenden Eltern. Eine knappe Million Kinder pflegt regelmäßigen Kontakt zu beiden Elternteilen. Wie arrangieren die Väter, Mütter und Kinder nach der Trennung ihren Alltag an mehreren Orten und vor welchen Anforderungen stehen sie damit? Die Ergebnisse sollen im laufenden Jahr in englischsprachigen Fachzeitschriften veröffentlicht werden.
"2007, Ende, so im Herbst ungefähr, haben wir festgestellt, dass es also so mit uns nicht weitergeht. Das hat sich auseinandergelebt. Daraufhin haben wir uns an dem Abend noch, wo wir das festgestellt haben, zusammengesetzt, haben das ausdiskutiert und haben überlegt, wie wir weiter vorgehen. Und da habe ich damals als Erstes gleich gesagt, dass die Kinder das als Erstes erfahren, obwohl sie noch nicht in dem Alter waren."
"Aber mir war wichtig, dass die Kinder von Anfang an einbezogen werden in die Trennung. Dass das für die nicht irgendwie ein Schock ist, dass dann - da steht ein Möbelwagen vor der Tür und alles kabumm. Weil das ist meine Hintergrundgeschichte, so war das bei mir: Mein Vater war von einem auf den anderen Tag verschwunden, als ich zehn Jahre alt war."
Ingo Rademacher - seinen richtigen Namen will er nicht nennen - lebt in Berlin-Köpenick in einem Neubau, drei Zimmer. Die beiden Söhne, sechs und acht Jahre alt, sind diese Woche bei ihm zu Hause. Am Freitag gehen sie nach dem Kindergarten und der Schule zur Mutter, ein paar Straßen weiter, für die kommenden sieben Tage.
Dass die Kinder wöchentlich von einem Elternteil zum anderen wechseln, sei ihm wichtig und gebe ihm Halt, sagt der 44-jährige Elektroinstallateur. Nicht nur der Vater ist aus seinem Leben verschwunden. Seine Ehe, vor langer Zeit geschlossen, ging schnell in die Brüche, und er konnte den gemeinsamen Sohn viele Jahre nicht sehen.
"15 Jahre lang Kind nicht gesehen. Und da ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Und das wollte ich nie wieder in der Form haben."
Ingo Rademacher, seine Ex-Freundin und die beiden Söhne sind ein Beispiel jener Nachtrennungsfamilien, die Wissenschaftlerinnen vom Deutschen Jugendinstitut DJI unter die Lupe genommen haben. Sie wollten wissen, wie die Mütter, Väter und Kinder nach einer Trennung oder Scheidung ihren Alltag an und zwischen zwei Orten gestalten. Diese Fragestellung ziele in eine ganz andere Richtung als bislang üblich, sagt Michaela Schier, Leiterin der Forschungsgruppe "Multilokalität von Familie".
"Die bisherige Scheidungsforschung ist sehr haushaltszentriert. Wir haben die klassische Scheidungsforschung, die sehr psychologisch auch orientiert ist, die sehr stark drauf schaut, welche negativen Auswirkungen haben denn Trennung und Scheidung auf die Kinder vor allem. Welche finanziellen Schwierigkeiten gibt es eben entweder für die getrennt lebenden Mütter, oft dann eben die Alleinerziehenden-Forschung, oder für die getrennt lebenden Väter. Dann hat man auch noch die Patchwork-Familien-Forschung oder Stieffamilienforschung, wie es auch genannt wird."
Die Münchner Wissenschaftlerinnen wagen dagegen einen "unaufgeregten" Blick auf eine Familiensituation, die sich zwischen verschiedenen Haushalten abspielt und in Deutschland immer weiter verbreitet ist. 12,5 Prozent der Minderjährigen in Deutschland leben mit getrennten Eltern, sagt Michaela Schier. Knapp eine Million von ihnen pflege einen regelmäßigen Kontakt zum außerhalb lebenden Elternteil. Eine Situation...
"...die gekennzeichnet ist einfach durch Abwesenheiten von bestimmten Familienmitgliedern, durch die Notwendigkeit, mobil zu sein, um sich zu sehen, auch die Notwendigkeit, Kontakte zu vereinbaren gezielt, weil man sich ansonsten unter Umständen gar nicht mehr sieht. Das heißt, wir haben da eine andere raum-zeitliche Familiensituation: Und wir schauen erst mal, welche Vorteile, welche Nachteile bringt diese Situation? Welche Anforderungen stellt diese andere Lebenssituation? Wo liegen schon auch die Probleme, aber eben auch welche Chancen liegen da drin."
Dass eine Familie nach der Trennung zerstört oder zerrüttet ist, von dieser Betrachtungsweise rücken die Wissenschaftlerinnen am Deutschen Jugendinstitut ab. Allerdings sei Familie als Gemeinschaft nicht per se vorhanden, sondern müsse täglich neu gestaltet, organisiert und koordiniert werden: "Doing Family" nennen sie das Konzept, wonach das Leben der Kinder an zwei Orten mit dem der Väter und Mütter verzahnt werden muss. Konkret geht es darum, den Alltag zu organisieren, aber auch, Gefühle zu bewältigen und finanzielle Regelungen zu treffen.
"Haben von Anfang an uns gesagt, dass wir also nicht allzu weit, also wir bleiben in dem Kiez, dass also Kita und Kumpels et cetera für die Kinder alles erhalten bleibt. Und dass auch wir keine Probleme haben, uns die Kinder hin und her zu geben. Und haben uns auch relativ schnell darauf geeinigt, dass ein Wochenwechsel am perfektesten wäre. Und nach ner kurzen Probephase, so zwei drei Wochen, haben wir festgestellt, dass Freitag der ideale Übergangpunkt ist, damit das Wochenende für den anderen immer komplett ist."
"Also, der Papa ist dann traurig manchmal, ich find's auch ein bisschen schade, aber ich freu mich halt auch, den andern wieder zu sehn, das ist bei Papa halt nicht so, der findet das halt nicht so schön, dass wir dann weggehen. Also ich weiß dann nicht, soll ich jetzt traurig sein oder soll ich mich freuen. Und wenn ich dann eins von beiden zeige, dann ist der eine beleidigt. Deswegen, ich geh da immer mit gemischten Gefühlen rein."
Melanie aus Frankfurt, zehn Jahre. Lebt im Wechsel bei Vater und Mutter, die einen Kilometer auseinander wohnen.
Wie viel Zeit ein Kind bei den getrennten Eltern verbringen sollte, darüber streiten nicht nur diese, sondern auch die Gesellschaft. Zwar bekräftigt die Kindschaftsrechtsreform von 1998 das gemeinsame Sorgerecht und rückt das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt. Dass dennoch viele Eltern sich um die Kinder streiten, wundert den Berliner Familientherapeuten Peter Thiel nicht.
"Das Problem bei der getrennt lebenden Familie ist, dass der Trennungskonflikt und die Verletzung aus dem Partnerschaftskonflikt, weswegen dann die Trennung vollzogen wurde, die ist eben nicht aufgelöst. Und dadurch pendelt das Kind sozusagen zwischen zwei feindlichen Welten - häufig, nicht immer, es gibt auch viele gelungene Nachtrennungsfamilien."
Weil es keine amtlichen Statistiken über das Leben in zwei Haushalten nach Trennung gibt, haben Michaela Schier und ihre Kolleginnen eine DJI-Befragung von 25.000 Menschen ausgewertet. Diese bestätigt, dass in den meisten Fällen die Kinder bei der Mutter leben und den Vater nach einem festgelegten Rhythmus besuchen.
Sie zeigt aber auch, dass in rund 20 Prozent der Fälle die Kinder und einer der beiden Elternteile ihren Kontakt ganz oder vorübergehend abbrechen. Dagegen pflegt ein Drittel der Jungen und Mädchen eine sehr intensive Beziehung zum außerhalb lebenden Elternteil - durch Besuche, Telefonate oder per E-Mail. Die Soziologin Diane Nimmo:
"Unser Hauptergebnis ist aus alltagspraktischer Sicht, dass dieses mehrörtige Familienleben nach Trennung und Scheidung gut funktionieren kann. Dass man eben auch nicht nur die Probleme sieht, sondern es spielt sich eine Normalität ein und das auch für sehr komplexe Lebenssituationen. Also wir haben gesehen, dass Eltern und Kinder Praktiken entwickeln, um mit diesen Anforderungen, das mehrörtige Familienleben und dieses Pendeln zwischen den familialen Welten, um damit umzugehen und diese Situationen zu lösen."
Therapeut Peter Thiel:
"Die tatsächlichen Dinge, die dann zu klären sind, sind nicht so umfangreich. Das wird von den Eltern emotional so aufgebauscht, sodass aus relativ geringen Erscheinungen werden also Riesenprobleme kreiert. "
In den elf befragten Nachtrennungsfamilien kümmern sich die meisten Eltern nicht zu gleichen Anteilen um die Kinder. Sechs Familien leben nach dem sogenannten Residenzmodell: Das Kind wohnt bei der Mutter und trifft den Vater jedes zweite Wochenende. Eine Familie macht es umgekehrt. Oder ganz anders: Vater und Mutter leben in Berlin und Frankfurt mit jeweils einem Kind zusammen. Die Geschwister fliegen am Wochenende wechselweise zum anderen Elternteil, sodass sie sich dort von Freitag bis Sonntag begegnen.
"Also erst mal war das Fliegen so ganz alleine total aufregend, die ersten Male, aber jetzt ist es für mich ganz normal, ich geh da so durch wie die Geschäftsmänner, die jeden Tag fliegen."
Sagt Lara aus Berlin, 13 Jahre alt.
Geografin Michaela Schier:
"Kontakthäufigkeit ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit guter Qualität von Kontakten. Das haben viele Studien zeigen das. Also auch ein geringer persönlicher Kontakt muss nicht bedeuten, dass die Beziehung mit dem extern lebenden Elternteil schlecht wäre, "
korrigiert die sozialwissenschaftliche Geografin Michaela Schier. Trotzdem zählt für die Betroffenen jede Minute. Insbesondere viele Väter wünschen sich, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, sagt der Therapeut Peter Thiel:
"Auch nicht bloß so eine Art Spaßpapa zu sein, der im Tierpark dann mit den Kindern rum läuft, sondern auch Betreuungszeiten zu übernehmen. Und das ist aber bei den Vätern, die haben ja meistens nicht darüber nachgedacht, kaum reflektiert oder auch nicht sprachlich in Worte gefasst. Ich höre den Wunsch dann aber raus und dann frage ich: Naja, wie stellen Sie sich das denn vor? Was ist denn Ihrer Meinung nach ein gutes Betreuungsmodell? Und dann fangen die an rumzudrucksen, rumzueiern, bis ich dann irgendwann raus kitzle, dass sie sich schon durchaus von 14 Tagen vorstellen können, dass das Kind vier Tage zum Beispiel beim Vater ist. Dass er auch ein bisschen Alltag mit erlebt mit dem Kind."
Nur drei der befragten Familien teilen die Tage mit den Kindern paritätisch und gleichberechtigt. Dass in allen drei Fällen Vater und Mutter im selben Stadtviertel leben, erleichtert den Töchtern und Söhnen, ohne großen Zeitaufwand die Schule oder ihre Freunde zu besuchen.
Wie die ehemaligen Partner ihr neues Leben mit dem Nachwuchs organisieren, hängt außer der Entfernung ihrer Wohnorte auch mit dem Alter der Kinder zusammen. Die Kleineren leben zumeist bei der Mutter, wohingegen die Älteren sich eher für einen Wechsel oder auch mal einen Umzug zum Vater entscheiden. Doch auch das erzieherische Engagement des Vaters vor der Trennung bestimmt mit darüber, für welche Lösung sich die Eltern danach entscheiden. Anna aus Stuttgart, 9 Jahre, Residenzmodell, Entfernung ca. 230km:
"Ich find's jetzt gar nicht mehr so schlimm, ich bin jetzt schon dran gewohnt. Also ich kann jetzt eigentlich damit leben."
Die Frage drängt sich auf, wie anstrengend ein Leben an zwei Orten mit unterschiedlichen sozialen Bezügen ist. Diane Nimmo stimmt zu, dass die Kinder mit sehr vielen Anforderungen konfrontiert sind. Sie müssten etwa auf mehreren Ebenen mit Gefühlen umgehen:
"Sie müssen einerseits ihre eigenen Gefühle managen, so was wie die Traurigkeit, wenn sie sich von einem Elternteil verabschieden, oder auch die Vorfreude zum Beispiel auf das bevorstehende Besuchswochenende, die damit verbundene Aufregung auch. Die Aufregung, die damit verbunden ist, dass man da jetzt hinfahren muss, und auch die Freude über das Wiedersehen mit dem anderen Elternteil. Zum anderen aber müssen die Kinder auch emotionale Reaktionen zum Beispiel und Erwartungen auch ihrer Eltern managen oder ihrer Geschwister."
Zum Beispiel: Eine Mutter ist traurig über den bevorstehenden Abschied. Die Tochter traut sich nicht zu zeigen, dass sie sich auf den Vater freut. Oder: Ein Junge reist jedes zweite Wochenende mit seinem Bruder zum Vater.
"Auf der Rückfahrt ist es regelmäßig so, dass der Bruder, der kleine, sehr traurig ist über diesen Abschied. Und der ältere Sohn übernimmt hier auch wieder die Rolle desjenigen, der die Emotionen managt, der also seinen Bruder ablenkt, dadurch dass er ihm vorliest und einfach von diesen Gefühlen der Traurigkeit ablenkt."
"Also das Problem, dass immer ein Elternteil fehlt, dieses Problem tritt sowohl beim Paritätsmodell auf, also bei einer paritätischen wechselnden Betreuung, als auch beim Residenzmodell. Wir können durch die Wahl des Modells jetzt das Kind nicht vor dem Problem schützen, dass eben ein Elternteil nicht zur Verfügung steht für eine bestimmte Zeit."
Das Kind war eine Zeit lang abwesend. Nach dem Wechsel steht an, sich wieder einzugewöhnen. Vor allem, wenn das Kind nur über das Wochenende zu Besuch kommt, ist die Zeit dafür knapp. Die Wissenschaftlerinnen fanden jedoch bestimmte Routinen, mit denen Kinder für Kontinuität sorgen: Ein Junge etwa setzt sich, sobald er beim Vater eintrifft, vor sein Online-Videospiel.
"Und das ist auch das Erste was er macht, wenn er dort ankommt. Er schaltet den Computer an, er checkt den Spielstand und er fängt an, dort weiter zu spielen, wo er das letzte Mal, kurz bevor er gefahren ist, aufgehört hat mit dem Spiel. Und das erlaubt ihm, sofort wieder in dieser Situation anzukommen und in dieser familiären Welt anzukommen und dort anzusetzen, wo er beim letzten Mal aufgehört hat."
"Wir versuchen uns erzieherisch auch prinzipiell immer abzustimmen, dass also nicht einer kreuz und quer schießt, um halt auch den Kindern in beiden Haushalten mehr oder weniger einen gleichmäßigen Background zu geben, dass sie wissen, woran sie sind. Natürlich kann man das nicht 100prozentig machen. Bei Mama ist natürlich immer ein bisschen mehr action, da darf man auch ein bisschen mehr. Weil Mama lässt mal mehr durchgehen oder ist nicht ganz so konsequent. Bei mir ist ein bisschen die härtere Linie, was aber nicht heißt, dass ich deswegen ein Rabenvater bin oder so."
In der Studie zeigte sich, dass die Eltern sich mehr Sorgen über das Leben ihrer Kinder machen als diese selbst. Väter und Mütter bangen, ob diese sich zwischen den beiden Lebenswelten zerrissen fühlen. Ob sie es aushalten, wenn ihre Eltern sie unterschiedlich erziehen, und ob das Hin und Her zu anstrengend ist.
Die befragten Kinder erleben das anders, sagt die Soziologin Diane Nimmo. Sie arrangieren sich damit, wenn das eine Elternhaus streng und stark reglementiert ist, das andere dagegen viele Freiheiten gewährt. Manche bewerten sogar die Vorteile, die ihnen beide Orte bieten, als sehr positiv.
Die körperlichen und emotionalen Anstrengungen, die insbesondere mit dem Reisen verbunden seien, würden zur Normalität. Kinder können sich an zwei Orten und in zwei Familien zu Hause fühlen. Sie wollten, das zeige die Studie, nicht auf den Kontakt zu beiden Elternteilen verzichten.
Alex aus Stuttgart, 12 Jahre,Residenzmodell, Entfernung ca. 230km:
"Ich fühle mich irgendwie an beiden Orten Zuhause. Weil ich hab an beiden Orten Freunde. Also beides ist irgendwie mein Zuhause. Zuhause ist ein Ort, an dem man sich halt wohlfühlt, und - wo man dann halt auch Freunde hat, und, ja, wo halt, ja, wo die Mutter ist, und wo dann auch der Vater ist oder so."
Was aber die Kinder tatsächlich sehr belaste, sei, so das Fazit der Studie, wenn der Streit nach der Trennung weiter gehe. Ein Vater und eine Mutter, die bei der Übergabe kein Wort miteinander wechseln. Oder die sich am Telefon darüber in die Haare kriegen, wie der nächste Geburtstag gefeiert werden soll. Die Wissenschaftlerin Michaela Schier und der Peter Thiel:
"Was für die Situation nach Scheidung und Trennung äußerst wichtig ist und dafür, dass es für die Kinder auch gut funktionieren kann, ist es einfach notwendig, dass die Eltern auch trotz der Trennung einen Weg finden, ihre Konflikte möglichst fernzuhalten, sag ich mal, diese Partnerschaftskonflikte, oder diese Trennung oder Auflösung der Paarbeziehung fernzuhalten von der Beziehung, die die Kinder weiterhin zu beiden Elternteilen haben. "
"Wenn Eltern ihr Kind lieben und auch in der Lage sind, für das Kind gut zu sorgen bei einer Trennung, dann ist das Kind beim Vater und spürt, da ist eine gute Energie da, die mich hält. Und in der anderen Woche ist das Kind bei der Mutter und hat dieses selbe Gefühl. Aber im Idealfall wären alle Erwachsenen erleuchtet und würden sagen: Ist ja prima, dass du mit dem Papa und seiner neuen Freundin einen so tollen Ausflug gemacht hast. Und dann erzählt das Kind, und dann ist es glücklich, dass es alles erzählt hat und dann geht es zur Tagesordnung über."
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/1666254/
Die Sendung kann hier angehört oder runtergeladen werden:
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